Ein internationales Wissenschaftlerteam hat das fast 30-jährige Rätsel gelöst, warum Vögel das für den Menschen oft tödliche Lassavirus nicht übertragen können. Die Forschungsergebnisse erklären darüber hinaus, wie es dem Virus gelingt Säugetiere zu infiziert. Zur Überraschung der Wissenschaftler benötigt das Virus für eine erfolgreiche Infektion einen zweiten Rezeptor im Inneren der Zelle.
Das Lassavirus ist ein gefährliches, besonders in Westafrika verbreitetes Virus, das dem Ebolavirus ähnelt und hämorrhagische Fiebererkrankungen auslösen kann. Es wird durch infizierte Nagetiere übertragen. Beim Menschen geht eine Infektion mit einem schweren und oft tödlich verlaufenden Fieber einher. „Vor mehr als 30 Jahren entdeckten Forscher, dass das Virus eine große Bandbreite von Zellen infizieren kann, aber Hühnerzellen scheinbar immun sind“, berichtet Paul Saftig von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces“.
Die Forscher konnten nun durch genetische Experimente herausfinden, dass ein Membranprotein namens LAMP1 bei der Virusinfektion von Zellen eine zentrale Rolle spielt. Wenn Lassaviren ihren Rezeptor α-Dystroglycan auf einer Zelle binden werden sie von der Zelle zielgerichtet in die Lysosomen verfrachtet. Das sind Zellorganellen in denen normalerweise alles landet, was die Zelle verschrotten und abbauen will. Daher werden die Lysosomen oft auch als Mülleimer der Zellen betrachtet: alle defekten oder nicht mehr benötigten Biopolymere werden hier mit Hilfe von Verdauungsenzymen in ihre Bestandteile zerlegt und auf diese Weise entsorgt. Um eine Zelle infizieren zu können, müssen die Lassaviren die Lysosomen möglichst schnell wieder verlassen, da sie sonst auch durch die dort vorhandenen Enzyme abgebaut werden. Um dies zu erreichen binden die Viren an das in den Lysosomen in großer Zahl vorhandene LAMP1 Protein und verlassen es mit dessen Hilfe.
„Aus virologischer Sicht ist diese zweite Entdeckung die spannendste“, sagt Lucas Jae, der Erstautor der Studie. „Der Rezeptor an der Zelloberfläche ist seit 15 Jahren bekannt, aber niemand erwartete einen zweiten Rezeptor innerhalb der Zelle“. Das Forscherteam stellte vor drei Jahren fest, dass auch das Ebolavirus einen ähnlichen Mechanismus nutzt, um Zellen zu infizieren. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass noch mehr Viren einen ähnlich komplexen Mechanismus für die Zellinfektion nutzen könnten.
Die Wissenschaftler konnten außerdem zeigen, dass der Unterschied zwischen dem LAMP1 des Menschen und dem von Vögeln in einer einzigen Zuckerverbindung besteht. Diese Strukturkomponente kommt bei Menschen und Mäusen vor, fehlt bei Vögeln jedoch. Wie die Forscher zeigen konnten, sind Mäuse, denen aufgrund einer genetischen Manipulation das LAMP1 Protein fehlt, immun gegen das Lassavirus. „Unsere Erkenntnisse zeigen, warum Menschen, aber nicht Vögel mit dem Lassavirus infiziert werden“, fasst Forschungsleiter Brummelkamp zusammen. „Unsere weiteren Untersuchungen sollen jetzt zeigen, ob der doppelte Rezeptormechanismus auch bei anderen Viren existiert.“ Durch die neuen Erkenntnisse eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Therapie und Prävention von hämorrhagischen Fiebern.
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), 27. Juni 2014
Originalpublikation:
Jae, L.T., Raaben, M., Herbert, A.S., Kuehne, A.I., Wirchnianski, A.S., Soh, T.K., Stubbs, S.H., Janssen,H., Damme, M., Saftig, P., Whelan, S.P., Dye, J.M. and Brummelkamp, T.R. (2014): Lassa virus entry requires a trigger-induced receptor switch. Science, DOI: 10.1126/science.1252480