Mit Nanotransportern zu einer gezielteren Allergieimpfung

Die Hausstaubmilbe ist eine weit verbreitete Ursache für Allergien. © public domain.

Die Hausstaubmilbe ist eine weit verbreitete Ursache für Allergien. © public domain.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Anzahl der Allergiker deutlich erhöht. Die spezifische Immuntherapie ist bisher die einzige Therapie die versucht direkt die Ursache der Allergie zu bekämpfen. Bei dieser Behandlung, auch Hyposensibilisierung genannt, werden dem Patienten geringe Mengen der Allergene verabreicht, gegen die sein Immunsystem überempfindlich reagiert. Mit dem Ziel sein Immunsystem so allmählich an diese Allergene zu gewöhnen. Bisher kommt es bei dieser Therapie jedoch mitunter zu schweren Nebenwirkungen. Wissenschaftler haben nun eine neue Technik entwickelt, die eine schonendere Hyposensibilisierung ermöglichen soll. Dazu werden die Allergene für die Allergieimpfung in Nanokapseln verpackt und darin direkt zu ihrem Wirkort transportiert.

Bei der spezifischen Immuntherapie werden dem Patienten in steigender Dosis Allergene verabreicht, die beispielsweise von Hausstaubmilben oder Pollen stammen. Eine solche Hyposensibilisierung dauert zwischen drei und fünf Jahren. Bisher wurden damit teilweise sehr guten Erfolge erzielt. Sie kann aber auch mit schweren Nebenwirkungen bis hin zum anaphylaktischen Schock einhergehen. Diese Nebenwirkungen sollen mit der neuen Technik der Nanotransporter reduziert werden. „Wir verstecken die Eiweißsubstanzen für die Allergieimpfung in den Nanokapseln, bis sie zu dem Ort kommen, wo sie wirken sollen“, erklärt Holger Frey vom Institut für Organische Chemie der Universität Mainz.

Als Verpackungs- und Transportmittel dient Polyethylenglykol (PEG), eine Substanz, die bereits in verschiedenen Bereichen der Medizin und Kosmetik eingesetzt wird und in der Pharmazie unter anderem als Wirkstoffträger oder Lösevermittler dient. „Wir haben nanometergroße Kapseln erzeugt, die sich erst öffnen, wenn sie innerhalb der Zellen in saures Milieu kommen. Sie haben molekulare Sollbruchstellen und können dann am Zielort ihre Fracht entladen“, führt Joachim Saloga von der Hautklinik der Universität Mainz aus. Die Nanokapseln werden zu diesem Zweck unter die Haut gegeben, damit sie dort von antigenpräsentierenden Zellen, den Wächtern des Immunsystems, aufgenommen werden und so in deren Lysosomen gelangen, wo sie ihre Wirkung entfalten sollen.

Die Proteine für die spezifische Immuntherapie werden in abbaubare Nanotransporter verpackt. Durch die Verpackung der Proteine in den Nanotransporter kann die Immuntherapie mit verringerten Nebenwirkungen durchgeführt werden. Innerhalb der Zelle wird der Nanotransporter gespalten und setzt seine Fracht frei, sodass die Gewöhnung an das Protein stattfinden kann. ©: Hannah Pohlit.

Die Proteine für die spezifische Immuntherapie werden in abbaubare Nanotransporter verpackt. Durch die Verpackung der Proteine in den Nanotransporter kann die Immuntherapie mit verringerten Nebenwirkungen durchgeführt werden. Innerhalb der Zelle wird der Nanotransporter gespalten und setzt seine Fracht frei, sodass die Gewöhnung an das Protein stattfinden kann. ©: Hannah Pohlit.

Das Forscherteam hat eine einfache Methode zur Synthese der säureempfindlichen PEG-Nanotransporter entwickelt, die bei einem pH-Wert von 5 zerfallen, was dem physiologischen pH-Wert im Endolysosom entspricht. Die PEG-Verpackung öffnet sich also in einem entsprechenden Milieu und zerfällt dann innerhalb von einigen Tagen in ihre Bestandteile.

Die Forscher setzten ihr neues Konzept bisher sowohl in Zellstudien, als auch im Tiermodell erfolgreich ein. „Unsere Studien haben gezeigt, dass die PEG-Nanotransporter mit ihrer Proteinfracht von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen wurden“, so die Chemikerin Hannah Pohlit.

„Für die Patienten ist es von großem Vorteil, wenn wir die allergieauslösenden Impfsubstanzen von den körpereigenen Abwehrstoffen, den Immunglobulinen, abschirmen können, bis sie am richtigen Platz angekommen sind“, ergänzt Iris Bellinghausen von der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz.

In Zukunft wollen die beteiligten Wissenschaftler einen „molekularen Adressaufkleber“ für die Nanokapseln entwickeln. Wie das Adressetikett auf einem Paket oder Gepäckstück soll an der Außenseite der Nanokapseln eine Substanz angebracht werden, die den Weg bis zum Zielort weist. Die Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass sich das Prinzip grundsätzlich auch für die Therapie anderer Erkrankungen eignet und die Verpackung von Proteinen in Nanokapseln vielseitig anwendbar ist.

Der Erstautorin der Studie, Hannah Pohlit, wurde beim diesjährigen Deutschen Allergiekongress in Köln für ihre Arbeit der Förderpreis Allergologie der Firma ALK Abelló sowie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI) e.V. verliehen.

Universität Mainz, 28.10.2015

 

Originalpublikation:

H. Pohlit et al., Biodegradable pH-Sensitive Poly(ethylene glycol) Nanocarriers for Allergen Encapsulation and Controlled Release, Biomacromolecules 16:10, 3103-3111, 31. August 2015,
DOI:10.1021/acs.biomac.5b00458

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