Zigarettenrauch hemmt Selbstheilungskräfte der Lunge

Der Zigarettenrauch hemmt die Sebstheilungskräfte der Lunge und fördert darüber hinaus ihre zunehmende Versteifung durch Verlust elastischer Proteine. © Plenz. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Zigarettenrauch blockiert einen Signalweg, der für die Selbstheilungsprozesse in der Lunge notwendig ist und kann so die Entwicklung einer Raucherlunge und eines Raucherhusten verursachen. Das haben Forscher nun herausgefunden.

Husten, Bronchitis und Atembeschwerden – das sind die typischen Anzeichen der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), umgangssprachlich auch als Raucherlunge und Raucherhusten bekannt. Schätzungsweise leiden in Deutschland zehn bis zwölf Prozent der Erwachsenen über 40 Jahren an dieser Erkrankung. Jährlich verursacht sie vermutlich einen wirtschaftlichen Schaden von fast sechs Milliarden Euro.* Forscher auf der ganzen Welt versuchen derzeit herauszufinden, wie die Krankheit entsteht und an welchen biologischen Stellschrauben sie sich aufhalten lässt.

Ein Ansatz beschäftigt sich mit den natürlichen Selbstheilungskräften der Lunge, die bei COPD außer Gefecht gesetzt sind. „In gesunden Patienten sorgt der sogenannte Wnt/Beta-Catenin Signalweg für die natürliche Selbsterhaltung der Lunge. Warum er im Falle einer COPD blockiert wird, war bisher unklar“, erklärt Melanie Königshoff vom Helmholtz Zentrum München. Diese Frage suchten sie und ihr Team in den letzten Jahren zu beantworten und fanden nun heraus, dass das Protein Frizzled-4 dabei eine wichtige Rolle spielt.

Raucherlunge (rechts) im Vergleich zu einer gesunden Lunge (links). © public domain. Wikimedia Commons.

„Frizzled-4 ist ein sogenannter Rezeptor und sitzt auf der Oberfläche von Lungenzellen, wo er deren Selbsterneuerung über Wnt/Beta-Catenin steuert“, beschreibt Erstautorin Wioletta Skronska-Wasek. „Werden die Zellen aber Zigarettenrauch ausgesetzt, verschwindet Frizzled-4 von der Oberfläche und das Zellwachstum kommt zum Erliegen.“

Rezeptor in Zellkultur erfolgreich reaktiviert

Aufmerksam wurde das Forscherteam auf Frizzled-4 durch die Beobachtung, dass dieser Rezeptor im Lungengewebe von COPD Patienten und besonders bei Rauchern deutlich seltener vorhanden ist als bei Nicht-Rauchern. „Im nächsten Schritt konnten wir in Zellkultur und im Modellsystem nachweisen, dass Zigarettenrauch sowie die pharmakologische Blockade von Frizzled-4 in Lungenzellen zu einer reduzierten Wnt/Beta-Catenin Aktivität führte und so zu weniger Wundheilungs- und Reparaturkapazitäten“, erklärt Ali Önder Yildirim die Ergebnisse des Teams. Doch wenn Frizzled-4 fehlt hat dies noch weitreichendere Konsequenzen: Proteine, die für die Elastizität der Lunge notwendig sind, wie Elastin, Fibulin und IGF1, gehen verloren. In der Folge kommt es zu einer zunehmenden Versteifung der Lunge, was unweigerlich zu Atemnot führt.

Um zu testen ob ihre Annahme richtig ist, kurbelten die Forscher in Zellkultur die Frizzled-4 Produktion künstlich an. Dadurch ließ sich der blockierte Signalweg erneut aktivieren und die Proteine, welche die Elastizität der Lunge aufrecht erhalten wurden wieder produziert. „Die Aktivierung des Rezeptors kann zu einer Wiederherstellung des Wnt/Beta-Catenin Signalwegs und damit zur Reparatur in der Lunge führen“, so Melanie Königshoff. Das sei ein guter Ansatzpunkt für weitere Forschungsarbeiten und künftige Therapien bei COPD.**

Das Beste wäre freilich, wenn die Patienten rechtzeitig mit dem Rauchen aufhören. Denn bisher kann man COPD nicht heilen. Die Erkrankung schreitet bei Rauchern stetig fort (Anmerkung der Redaktion von Scimondo).

Helmholtz Zentrums München, 2.  März 2017

Weitere Informationen

* Quelle: www.lungeninformationsdienst.de

** Die Abteilung von Melanie Königshoff ist Teil des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL). Seit Ende vergangenen Jahres baut Sie zudem an der University of Colorado in Denver ein neues Labor auf, wo sie ihr Forschungsprogramm zur Lungenregeneration langfristig weiter ausbauen wird.

Hintergrund:
Der Name Frizzled (englisch: kräuseln) geht zurück auf seine Entdeckung in genetisch veränderten Fruchtfliegen: Tiere denen Frizzled fehlte, zeigten ein Fehlstellung der Haare (Haarsträubung).

Erst kürzlich konnten Melanie Königshoff und ihr Team einen weiteren Mechanismus zeigen, der bei COPD-Patienten verhindert, dass sich die Lunge selber heilt. Auch hier wird der Wnt/Beta-Catenin Signalweg gestört. Welche zentrale Rolle diese Signalkette in der Lunge hat, zeigen zudem Untersuchungen aus dem Königshoff Team, wonach er auch bei der Lungenfibrose eine Rolle spielt.

Originalpublikation:

Skronska-Wasek, W. et al. (2017): Reduced Frizzled receptor 4 expression prevents WNT/β-catenin-driven alveolar lung repair in COPD. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, doi: 10.1164/rccm.201605-0904OC

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