Fettstoffwechsel könnte Stellschraube für Balance des Immunsystems sein

Der Fettstoffwechsel von Immunzellen ist entscheidend für ihre Laufbahn. Im Bild: Eine T-Zelle interagiert mit einer Dendritischen Zelle. © HZI/Rohde

Der Fettstoffwechsel von Immunzellen ist entscheidend für ihre Laufbahn. Im Bild: Eine T-Zelle interagiert mit einer Dendritischen Zelle. © HZI/Rohde

Im gesunden Organismus herrscht eine fein regulierte Balance zwischen den verschiedenen Immunzellen. Wenn dieses Gleichgewicht gestört ist, können Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen entstehen. Wissenschaftler haben nun einen Mechanismus entdeckt, über den sie in das Gleichgewicht der Immunzellen eingreifen können: Durch einen Eingriff in den Stoffwechsel der Immunzellen während deren Entstehung gelang es ihnen die Bildung entzündungshemmender Immunzellen zu fördern.

„Wir untersuchen besonders die Rolle verschiedener T-Helferzellen“, sagt Matthias Lochner, Projektleiter am Institut für Infektionsimmunologie des TWINCORE. Die Forscher interessieren sich sowohl für die pro-entzündlichen Th17-Helferzellen, als auch für die hemmenden regulatorischen T-Helferzellen, kurz Tregs genannt. Diese beiden Zelltypen stellen direkte Gegenspieler dar. Befinden sie sich im Gleichgewicht, so kann der Körper sowohl eine notwendige Immunreaktion hervorbringen, als auch sich selbst vor einer Überreaktion des Immunsystems schützen.

Die Wissenschaftler suchen nach Möglichkeiten, wie sie das Gleichgewicht zwischen den entzündlichen Th17-Zellen und anti-entzündlichen Tregs beeinflussen können. Luciana Berod erklärt: „Einer unserer Ansätze ist, in den Energiestoffwechsel der Immunzellen einzugreifen, denn die verschiedenen T-Zellen weisen deutliche Unterschiede in ihrem Zellstoffwechsel auf.“ Wissenschaftler am HZI haben vor kurzem eine Substanz namens Soraphen A in Myxobakterien entdeckt. Mit diesem Molekül wollen die Forscher nun so in den Energiestoffwechsel der T-Zellen eingreifen, dass die Entwicklung von anti-entzündlichen Tregs, statt der entzündlichen Th17-Zellen gefördert wird. „Beide Zelltypen entstehen aus den gleichen Vorläuferzellen“, erklärt Luciana Berod. „Soraphen A hemmt die Funktion des Enzyms Acetyl-CoA-Carboxylase, über das ein wichtiger Teil des Fettsäurestoffwechsels der Zelle abläuft.“ Er ist ein Teil des Energiestoffwechsels. Wie die Forscher zeigen konnten, ist die Fettsäuresynthese von zentraler Bedeutung für die Entstehung der entzündlichen Th17-Helferzellen. Die Bildung der Tregs dagegen ist von diesem Stoffwechselweg nicht abhängig.

Inzwischen haben Pharmazeuten des Teams die chemische Struktur des Moleküls Soraphen A optimiert. „Wir haben ein besser wasserlösliches Derivat hergestellt“, sagt Rolf Müller. „Erst durch diese Modifikation ist es möglich, diese Substanz als Wirkstoff im Organismus einzusetzen.“ Die Forscher haben die Substanz Mäusen verabreicht, die an Multipler Sklerose erkrankt waren. In der Folge wiesen mit Soraphen A behandelte Tiere deutlich weniger Krankheitsanzeichen auf, als unbehandelte Tiere. „Eine wichtige Erkenntnis ist für uns, dass Soraphen A den gleichen Effekt auf die Entwicklung menschlicher T-Zellen hat“, sagt Tim Sparwasser.  „Zudem sehen wir ähnliche Effekte von Soraphen A auch bei der Entwicklung anderer Immunzellen. Wir vermuten, dass wir über den Eingriff in den Fettstoffwechsel einen neuen Weg gefunden haben, auch andere Immunkrankheiten wie Allergien oder auch Infektionskrankheiten behandeln zu können.“

Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI), 06.10.2014

 

www.twincore.de/forschung/institute/infektionsimmunologie

Originalpublikation:

Luciana Berod, Christin Friedrich, Amrita Nandan, Jenny Freitag, Stefanie Hagemann, Kirsten Harmrolfs, Aline Sandouk, Christina Hesse, Carla N Castro, Heike Bähre, Sarah K Tschirner, Nataliya Gorinski, Melanie Gohmert, Christian T Mayer, Jochen Huehn, Evgeni Ponimaskin, Wolf-Rainer Abraham, Rolf Müller, Matthias Lochner & Tim Sparwasser.  De novo fatty acid synthesis controls the fate between regulatory T and T helper 17 cells. Nat. Med. published ahead of print October 5, 2014. DOI: 10.1038/nm.3704

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