Warum das Bakterium Staphylococcus aureus Neurodermitis verstärkt

Auf der Abbildung ist die Haut eines Patienten mit Neurodermitis zu sehen (histologische Färbung), die mit Staphylococcus aureus Bakterien (dunkle Punkte auf der Oberfläche und in der Kerbe) bedeckt ist. © Y. Skabytska / Universität Tübingen

Auf der Abbildung ist die Haut eines Patienten mit Neurodermitis zu sehen (histologische Färbung), die mit Staphylococcus aureus Bakterien (dunkle Punkte auf der Oberfläche und in der Kerbe) bedeckt ist. © Y. Skabytska / Universität Tübingen

Fast jedes sechste Kind ist von Neurodermitis betroffen und auch bei einigen Erwachsenen tritt diese Hauterkrankung auf. Viele Patienten ziehen sich in den trockenen und offenen Hautbereichen zusätzliche Infektionen zu, wie etwa das krankheitserregende Bakterium Staphylococcus aureus: Es kommt bei Neurodermitis-Patienten verstärkt auf der Haut vor. Wissenschaftler haben jetzt an einem Tiermodell gezeigt, dass diese Infektionen das Immunsystem massiv hemmen und so die Krankheit zusätzlich verstärken können.

Bei Neurodermitis ist die Haut oft so stark geschädigt, dass sie ihre Schutzfunktion als Barriere gegen Krankheitserreger nicht mehr richtig wahrnehmen kann. So können sich verschiedenste Bakterien ausbreiten, wie etwa der Krankheitserreger Staphylococcus aureus. Auf der Haut vieler Neurodermitis-Patienten leben fast 200-Mal mehr S. aureus Bakterien als bei gesunden Menschen, was oft zu Infektionen führt. Tilo Biedermann und sein Team von der Klinik für Allergologie und Dermatologie am Klinikum rechts der Isar und der Universität Tübingen konnten jetzt im Tiermodell zeigen, wie diese Infektionen den Krankheitsverlauf zusätzlich verschlechtern.

Myeloid-derived suppressor cells (MDSCs) (histologische Färbung), die aus Mäusen isoliert wurden. © Y. Skabytska / Universität Tübingen

Myeloid-derived suppressor cells (MDSCs) (histologische Färbung), die aus Mäusen isoliert wurden. © Y. Skabytska / Universität Tübingen

Abwehrmechanismus gegen Krankheitserreger blockiert

Als Barriere gegen krankmachende Keime ist die Haut mit einem speziellen Alarmsystem ausgestattet: Immunzellen, Makrophagen und Dendritische Zellen patroullieren als Wächter des Immunsystems in der Haut und passen auf, dass sich keine Krankheitskeime in den Körper einschleichen. Diese Zellen tragen Toll-like Rezeptoren, die Bestandteile von Bakterien erkennen, wie etwa deren Oberflächenstrukturen. Sowie sie solche Strukturen erkannt haben aktivieren sie das Immunsystem. Wie die Wissenschaftler nun herausfanden, können Zellwandproteine von S. aureus einen Signalweg des Immunsystems aktivieren, der die Bildung einer Gruppe von Immunzellen veranlasst: sogenannte Myeloide Suppressorzellen (MDSCs).

Unter normalen Bedingungen regulieren die MDSCs eine Immunantwort und Entzündung, indem sie diese im richtigen Moment abbremsen beziehungsweise beenden. So verhindern sie eine zu starke Schädigung des Körpergewebes durch die Immunreaktion beziehungsweise sorgen dafür, dass sich das, durch die Infektion geschädigte Gewebe wieder erholen und ausheilen kann. Im Tiermodell für Neurodermitis führte die große Zahl der Proteine von S. aureus auf der Haut jedoch dazu, dass zu viele MDSCs gebildet wurden. Mit schwerwiegenden Konsequenzen: Denn in diesem Fall wurde auch die eigentlich notwendige Immunreaktion gegen das Bakterium S. aureus unterdrückt. „Für den Kampf gegen die Erreger ist das eine sehr ungünstige Entwicklung. Die MDSCs unterdrücken schützende Abwehrstrategien in der Haut und verstärken so die Folgen der S. aureus Infektion“, erklärt Biedermann.

Die Grafik stellt den Zusammenhang von Staphylococcus aureus Infektionen und der Bildung von MDSCs dar, die Immunantworten in der Haut blockieren. ©  T. Biedermann / TUM

Die Grafik stellt den Zusammenhang von Staphylococcus aureus Infektionen und der Bildung von MDSCs dar, die Immunantworten in der Haut blockieren. © T. Biedermann / TUM

Auch Neurodermitis-Patienten leiden unter einer Vermehrung der MDSCs

Neben dem Tiermodell untersuchten die Wissenschaftler auch 33 Patienten mit Neurodermitis und stellten fest, dass sie im Vergleich zu gesunden Menschen erhöhte Mengen MDSCs in ihrem Blut und in der Haut hatten. „Diese klinische Beobachtung bestätigt unsere Ergebnisse. Die MDSCs scheinen gerade in Neurodermitis-Patienten in großen Mengen vorhanden zu sein und so die Immunantworten der Haut zu unterdrücken – mit negativen Folgen für den Krankheitsverlauf.“, erklärt Biedermann.

„Gerade schwer betroffene Patienten leiden sehr unter der chronischen Entzündung, dem Juckreiz und der Stigmatisierung durch die Umwelt. Eine frühzeitige und konsequente Behandlung der Patienten, die auch die Bakterien mit einschließt, ist sehr wichtig“, betont er. Als nächsten Schritt will das Forscherteam untersuchen, wie Entzündungen durch MDSCs normalerweise beendet werden und dieses Wissen für neue Therapieansätze gegen entzündliche Hautkrankheiten, wie Neurodermitis nutzen.

Technische Universität München, 19.11.2014

 

Originalpublikation:
Skabytska Y., Wölbing F., Günther C., Köberle M., Kaesler S., Chen K.-M., Guenova E., Demircioglu D., Kempf W. E., Volz T., Rammensee H.-G., Schaller M., Röcken M., Götz F. and T. Biedermann, Cutaneous Innate Immune Sensing of Toll-like Receptor 2-6 Ligands Suppresses T Cell Immunity by Inducing Myeloid-Derived Suppressor Cells, Immunity, 2014. DOI: 10.1016/j.immuni.2014.10.009

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