Mechanismus aufgedeckt, der Rückfall bei chronisch lymphatischer Leukämie erklärt

Blutausstrich einer CLL Patientin. Die Zellenmit dem dunklen Zellkern sind die CLL-Zellen © Mary Ann Thompson. CC BY-SA 3.0

Blutausstrich einer CLL Patientin. Die Zellen mit dem dunklen Zellkern sind die CLL-Zellen © Mary Ann Thompson. CC BY-SA 3.0

Die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) ist eine der häufigsten Blutkrebserkrankungen bei Erwachsenen. Sie tritt meist erst im höheren Lebensalter auf, verursacht lange Zeit keinerlei Beschwerden und wird häufig rein zufällig entdeckt. Nach einer Behandlung kommt es oft zu Rückfällen. Wissenschaftler haben jetzt eine mögliche Ursache für diese Rückfälle entschlüsselt. In einem Mausmodell konnten sie zeigen, dass Bindegewebszellen in der Milz das Wachstum der Krebszellen fördern. Aufgrund ihrer neuen Erkenntnisse gelang es den Forschern das Einwandern der Krebszellen in die Milz und deren dortige Vermehrung zu verhindern. Damit konnten sie neue neue Angriffspunkte für künftige Therapien beim Menschen identifizieren.

Bei CLL kommt es zu einer starken Vermehrung von bösartig veränderter B-Lymphozyten. Normalerweise erfüllen B-Zellen wichtige Aufgaben des Immunsystems. Sie produzieren Antikörper, mit deren Hilfe der Körper Infektionserreger oder krankhaft veränderte körpereigene Strukturen bekämpft. Vor ihrem Einsatz erhalten die B-Zellen ihren letzten Schliff in den Keimzentren der lymphatischen Organe, wie etwa der Milz.

Dazu wandern die B-Zellen in die B-Zellfollikel der Milz ein und siedeln sich dort in der Stromazellnische an. Dort treffen sie auf die follikulären dendritischen Zellen. Anders als ihre Namensvettern, die dendritischen Zellen, sind die follikulären dendritischen Zellen aber keine Blutzellen, sondern Bindegewebszellen, die im Zentrum des B-Zellfollikels ein Netzwerk bilden. Dieses Stromazellnetzwerk lockt die B-Zellen zu sich und bietet ihnen Fremdantigene an, welche die B-Zellen erkennen und für ihre Aktivierung und Reifung benötigen. Erst danach sind sie ausgereift und können ihre Aufgabe als Antikörper-produzierende Immunzellen erfüllen.

B-Zellen werden durch Botenstoffe des Immunsystems, die sogenannten Chemokine, in das Schulungszentrum der lymphatischen Organe gelockt. Dazu tragen sie auf ihrer Oberfläche eine Bindestelle, Rezeptor genannt, für diese Chemokine. Als bösartig gewordene Immunzellen besitzen auch die Leukämiezellen auf ihrer Zelloberfläche einen solchen „Homing“-Rezeptor, an den diese Chemokine binden. So gelingt es den Leukämiezellen in die Milz einzuwandern und sich dort in der Stromazellnische einzunisten.

Die Forscherteam um Uta Höpken und Armin Rehm vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch vermutete, dass es die follikulären dendritischen Zellen im B-Zellfollikel sind, die das Überleben und Wachstum der bösartigen B-Zellen ermöglichen. Diese These wollten sie an dem von ihnen entwickelten Mausmodell testen.

Trotz Chemo- oder Strahlentherapie kommt es bei CLL meist in den lymphatischen Organen zu einem erneuten Wachstum von Leukämiezellen, also einem Rückfall. Die follikulären dendritischen Zellen überleben eine Chemo- oder Strahlentherapie weitaus besser als die Leukämiezellen. Entwischen nur einige wenige Leukämiezellen der Therapie – Ärzte sprechen dann von minimal residual disease (minimaler Resterkrankung) – sorgen die follikulären dendritischen Zellen dafür, dass die Leukämiezellen in den B-Zellfollikeln optimale Wachstumsbedingungen vorfinden und sich dort vermehren können. Wie dieser Vorgang im Detail funktioniert entschlüsselten die Forscher an einem Mausmodell, das der CLL des Menschen ähnelt.

Intensives Zusammenspiel von Leukämiezellen und follikulären dendritischen Zellen

Wie die Forscher zeigen konnten, finden die Leukämiezellen ihren Weg in die Milz nur mithilfe ihres Chemokin-Rezeptors CXCR5 den sie auf ihrer Oberfläche tragen. Denn an ihn bindet das Chemokins CXCL13, das die follikulären dendritischen Zellen als Lockstoff ausschütten. Dieser „Homing“-Rezeptor leitet die Krebszellen direkt über die Randzone der Milz in das Innere des Organs, wo die follikulären dendritischen Zellen den Botenstoff CXCL13 freisetzen. Aber anders als gesunde B-Zellen gelangen die Leukämiezellen, ohne den sonst üblichen Umweg, direkt in die stimulierende Stromazellnische der B-Zellfollikel. Wenn die Forscher bei den Mäusen den Chemokinrezeptor CXCR5 blockierten, konnten die Leukämiezellen nicht mehr in die Stromazellnische einwandern und wuchsen in der Folge deutlich langsamer.

In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher, welche Folgen das Zusammentreffen der bösartigen B-Zellen mit den follikulären dendritischen Zellen im B-Zellfollikel hat. Wie sich zeigte, regt der enge Kontakt der Leukämiezellen mit dem Netzwerk der follikulären dendritischen Zellen die Krebszellen dazu an den Signalstoffe Lymphotoxin zu bilden. Das von den Leukämiezellen gebildete Lymphotoxin bindet an den Lymphotoxin-beta-Rezeptor auf den follikulären dendritischen Zellen, die daraufhin noch mehr von dem Chemokin CXCL13 produzieren. So entsteht eine positive Rückkopplung, durch die noch mehr Leukämiezellen in den B-Zellfollikel gelockt werden.

Follikuläre dendritische Zellen bilden darüber hinaus noch weitere Wachstumsfaktoren, die die Vermehrung der Leukämiezellen in der Stromazellnische fördern. Durch die Gabe eines immunologischen Wirkstoff konnten die Forscher die Bindung des Lymphotoxins an den Lymphotoxin-beta-Rezeptor auf den follikulären dendritischen Zellen hemmen. So gelang es ihnen den Ping-Pong-Effekt zwischen Leukämiezelle und follikulären dendritischen Zellen zu durchbrechen und das Tumorwachstum drastisch zu reduzieren.

Durch ihre Untersuchungen konnten die Forscher also gleich zwei verschieden Angriffspunkte identifizieren, die die bisherige Chemotherapie gegen CLL ergänzen könnten: Durch die Blockade des Chemokin/„Homing“-Rezeptors CXCR5 auf den Leukämiezellen kann verhindert werden, dass sich die Krebszellen im B-Zellfollikel ansiedeln. Denn die Anzahl dieser „Homing“-Rezeptoren ist auf den Leukämiezellen erhöht. Und über eine Hemmung des Lymphotoxin-beta-Rezeptors auf den follikulären dendritischen Zellen kann die, das Tumorwachstum fördernde Kommunikation zwischen Leukämiezellen und follikulären dendritischen Zellen unterbrochen und damit das Tumorwachstum deutlich verringert werden.

Aus ihren Ergebnissen schließen die Wissenschaftler, dass es künftig sinnvoll sein könnte die herkömmliche Chemotherapie mit einer Immuntherapie zu kombinieren, die die Kommunikation zwischen den Leukämiezellen und den follikulären dendritischen Zellen unterbricht. So könnte verhindert werden, dass sich noch verbliebene Leukämiezellen, die einer Chemo- und Strahlentherapie entkommen sind, in der Stromazellnische erholen und einen Rückfall auslösen. Allerdings muss vor dem Einsatz der neuen Therapien am Menschen erst noch in klinischen Studien untersucht werden, ob die an dem Mausmodell gewonnenen Erkenntnisse auf die Situation von CLL Patienten übertragbar sind.

Max-Delbrück Centrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch, 4. Dezember 2014

 

Originalpublikation:

Heinig K, Gätjen M, Grau M, Stache V, Anagnostopoulos I, Gerlach K, Niesner RA, Cseresnyes Z, Hauser AE, Lenz P, Hehlgans T, Brink R, Westermann J, Dörken B, Lipp M, Lenz G, Rehm A, Höpken UE. Access to Follicular Dendritic Cells Is a Pivotal Step in Murine Chronic Lymphocytic Leukemia B-cell Activation and Proliferation. Cancer Discov. 2014 Dec;4(12):1448-65. doi: 10.1158/2159-8290.CD-14-0096. Epub 2014 Sep 24.

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