Schonende Kombinationstherapie könnte Metastasierung unterbinden

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Lungenmetastase: Tumorzellen (grün) formen solide Tumorknoten, die in engem Kontakt mit umgebenden Kapillaren (rot) stehen. Die wechselseitige Kommunikation zwischen Tumorzellen und Endothelzellen ermöglicht das Wachstum von Metastasen. Endothelzellen können das Tumorwachstum dabei aktiv fördern. | © Oliver Meckes (Eye of Science) / H. Augustin (DKFZ)

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Lungenmetastase: Tumorzellen (grün) formen solide Tumorknoten, die in engem Kontakt mit umgebenden Kapillaren (rot) stehen. Die wechselseitige Kommunikation zwischen Tumorzellen und Endothelzellen ermöglicht das Wachstum von Metastasen. Endothelzellen können das Tumorwachstum dabei aktiv fördern. | © Oliver Meckes (Eye of Science) / H. Augustin (DKFZ)

Wissenschaftler sind auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, die Entstehung von Metastasen zu verhindern fündig geworden. In einem neuen Therapieansatz kombinierten sie einen Antikörper der gegen ein zentrales Steuerprotein der Blutgefäßzellen gerichtete ist mit einer niedrigdosierten Chemotherapie. Die so behandelten Mäuse bildeten weniger Metastasen aus und überlebten länger. Die Kombinationstherapie wirkt gleich mehrfach gegen eine Ansiedlung von Tochtergeschwülsten: Sie verhindert einerseits, dass Blutgefäße die neu entstehenden Metastasen versorgen. Gleichzeitig vermindert sie auch noch die Anzahl bestimmter Immunzellen, die das Wachstum von Krebszellen fördern.

Bei vielen Krebserkrankungen gilt der Patient nach einer chirurgischer Entfernung des Tumors als krebsfrei. Doch bei einem hohen Anteil der Kranken hat der Tumor zu diesem Zeitpunkt bereits Zellen ausgestreut. Daher verordnen viele Ärzte nach einer Operation eine Chemotherapie, die die möglicherweise abgesiedelten Krebszellen bekämpfen soll. Bisher gibt es keine Methode, mit der sich diese gefährlichen Zellen direkt nachzuweisen lassen. Daher lässt sich auch nicht vorhersagen, welcher Patient tatsächlich von der belastenden Therapie profitiert.

„Das ist ein großes Dilemma für viele Krebspatienten: Sollen sie sich für eine hochdosierte Chemotherapie mit allen schweren Nebenwirkungen entscheiden oder stattdessen ein höheres Risiko für Metastasen in Kauf nehmen?“, stellt Hellmut Augustin die beiden Alternativen dar, zwischen denen sich Krebspatienten derzeit entscheiden müssen. Seine Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg sucht daher nach schonenderen Therapieansätzen, um die Entstehung von Tochtergeschwülsten zu unterbinden.

Dabei setzen die Forscher auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die nahelegen, dass die Wandzellen der Blutgefäße (Endothelzellen) eine zentrale Rolle für das Tumorwachstum spielen. Tumorzellen veranlassen die sie umgebenden Blutgefäße dazu, neue Kapillaren sprießen zu lassen, die den Tumor mit Nährstoffen versorgen und so sein Wachstum erst ermöglichen. Dieser „Angiogenese“ genannte Prozess wird bereits seit zehn Jahren therapeutisch genutzt. Angiogenese-hemmende Medikamente werden bisher dazu eingesetzt die Wirkung etablierter Chemotherapeutika zu unterstützen.

Neuere Erkenntnisse zur Metastasierung weisen jedoch darauf hin, dass die Endothelzellen selbst zahlreiche Faktoren produzieren, die das Tumorwachstum fördern. Daher zielt Augustins Ansatz darauf ab, nicht nur die Gefäßbildung in Tumoren zu unterdrücken, sondern gleichzeitig die Produktion der von den Endothelzellen gebildeten Wachstumsfaktoren zu hemmen. In ihrer aktuellen Arbeit untersuchten die Wissenschaftler das Molekül Angiopoietin-2 auf seine Wirkung. Es wird von Endothelzellen gebildet und spielt eine zentrale Rolle bei der Angiogenese.

Die Forscher übertrugen Brust- oder Lungenkrebszellen auf Mäuse, ließen Tumoren heranwachsen und entfernten sie zu einem frühen Zeitpunkt operativ. Um Metastasen vorzubeugen, erhielten die Tiere nach der Operation verschiedene Arten der Chemotherapie, sowie teilweise zusätzlich einen blockierenden Antikörper gegen Angiopoietin-2. Während die Chemotherapie allein nicht wirksam war, entwickelten mit dem Angiopoietin-2-Antikörper behandelten Tiere deutlich weniger Metastasen in Lunge und Knochen als ihre unbehandelten Artgenossen.

Gesteigert wurde dieser Effekt durch eine Kombination des Antikörpers mit einer so genannten metronomen Chemotherapie: Dabei werden die zytostatischen Substanzen niedrigdosiert dauerhaft verabreicht. Mäuse, die die Kombinationstherapie erhielten, lebten länger als Tiere, die nur mit dem Antikörper gegen Angiopoietin-2 behandelt wurden.

In anschließenden Gewebeanalysen untersuchten die Wissenschaftler, was die Kombinationstherapie genau bewirkt. Dabei entdeckten sie, dass Angiopoietin-2 nicht nur das Gefäßwachstum fördert, sondern darüber hinaus direkt auf die Endothelzellen einwirkt und sie dazu anregt, tumorfördernde Makrophagen in die Umgebung der Krebszellen zu locken. Wurde Angiopoietin-2 dagegen durch den Antikörper blockiert, so wanderten deutlich weniger krebsfördernde Immunzellen in die Tumorumgebung ein.

Die niedrigdosierte metronome Chemotherapie, die die Wirksamkeit des Therapieansatzes weiter steigerte, richtet sich im Gegensatz zur herkömmlichen Hochdosis-Chemotherapie nicht primär gegen die Tumorzellen selbst, sondern verhindert, dass sich bestimmte Zellen aus dem Knochenmark im Tumor ansiedeln, die ebenfalls das Tumorwachstum fördern.

„Mit unserer Kombinationstherapie gehen wir also von mehreren Seiten gleichzeitig gegen die Ansiedlung von Metastasen vor: Zum einen drosseln wir ihre Gefäßversorgung. Zum anderen verhindern wir, dass sich tumorfördernde Makrophagen ansiedeln, die eine entzündliche Umgebung schaffen und damit gewissermaßen den Boden für eine dauerhafte Ansiedlung der Krebszellen bereiten“, erklärt Hellmut Augustin.

„Wir können natürlich nicht voraussagen, ob sich die Ergebnisse dieser präklinischen Untersuchungen eins zu eins auf den Menschen übertragen lassen“, betont der Wissenschaftler. „Aber wir haben bei unseren Experimenten viel darüber gelernt, wie Metastasen entstehen. Das Wissen wollen wir nun gezielt in eine klinische Anwendung übersetzen.“

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 07.01.2015

 

Originalpublikation:

Kshitij Srivastava, Junhao Hu, Claudia Korn, Soniya Savant, Martin Teichert, Stephanie S. Kapel, Manfred Jugold, Eva Besemfelder, Markus Thomas, Manolis Pasparakis und Hellmut G. Augustin: Postsurgical adjuvant tumor therapy by combining anti-Angiopoietin-2 and metronomic chemotherapy limits metastatic growth. Cancer Cell 2014, DOI 10.1016/j.ccell.2014.11.005

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