In den vergangenen 9000 Jahren verwandelte sich die Sahara von der einst grünen Savanne in eine der trockensten Wüsten der Erde. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass die Vegetation in der Sahara viel schneller abnahm, als bisher angenommen. Die radikalen Umweltveränderungen waren möglicherweise der Anlass dafür, dass die Menschen in Nordafrika sesshaft wurden.
Um künftige Klima-und Umweltveränderungen vorhersagen zu können, muss die Wissenschaft vergleichbare, in der Vergangenheit stattgefundene Prozesse genau untersuchen. Das trifft auch auf das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt zu. Für solche Untersuchungen bietet sich die Sahara und das Niltal an. Dort spielten sich in den letzten 10.000 Jahren einschneidende Klimaveränderungen ab. Zu Beginn dieser Epoche gab es in der Sahara noch deutlich mehr Niederschläge als heute. Damals war die Sahara eine grüne Savanne, die von großen Wildtierherden bevölkert war. Heute dagegen gehört sie zu den trockensten Regionen der Erde.
Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Niederländischen Instituts für Meeresforschung (NIOZ) haben jetzt herausgefunden, dass die Vegetation bei diesem Übergang von einer grünen zu einer trockenen Sahara viel schneller zurückging, als bisher angenommen. „Es hat wohl nur wenige Jahrhunderte oder sogar nur Jahrzehnte gedauert, bis aus einer fruchtbaren Savannenlandschaft eine Wüste geworden war“, sagt Cecile Blanchet.
Der Klimawandel in Nordafrika wurde vor allen durch eine allmähliche Verlagerung des Afrikanischen Monsuns und des damit verbundene Regengürtels nach Süden hervorgerufen. „Doch auch wenn dieser Prozess relativ gleichmäßig ablief, wissen wir von großen regionalen und zeitlichen Schwankungen der Auswirkungen in Nordafrika. Die Details des Übergangs verstehen wir bis heute nicht gut“, sagt Martin Frank, Paläo-Ozeanograph am GEOMAR.
Um die ablaufenden Veränderungsprozesse besser verstehen zu können, haben die Forscher einen sechs Meter langen Sedimentkern untersucht, der im Mittelmeer vor dem Nildelta in 700 Metern Wassertiefe gewonnen wurde. Durch Kombination verschiedener geochemischer Methoden konnten sie in dem Kern unter anderem Spuren der ehemaligen Vegetation und erodierter Böden nachweisen, die vom Nil im Laufe der Jahrtausende ins Mittelmeer geschwemmt wurden. Auf diese Weise gelang es ihnen Pflanzenwuchs, Niederschläge, abfließende Wassermengen sowie die Erosion im Einzugsgebiet des Nils im Laufe der vergangenen 9.500 Jahre zu rekonstruieren.
Die Auswertung der gewonnenen Daten ließ auf einen drastischen Rückgang der Vegetation vor rund 8000 Jahren schließen. Wogegen die Wassermengen des Nils und damit die Niederschläge in dessen Einzugsgebiet, wie erwartet, nur relativ langsam und kontinuierlich abnahmen. „Hier hatte offensichtlich ein langfristiger klimatischer Prozess sehr kurzfristige, deutliche Auswirkungen, nachdem eine bestimmter Schwellenwert überschritten war“, sagt Cecile Blanchet.
Die Forschungsergebnisse sind unter anderem auch deshalb für die Wissenschaft besonders interessant, weil zur gleichen Zeit im Einzugsgebiet des Nils auch wichtige Schritte der menschIichen Entwicklung stattgefunden haben. „Deshalb ist es wichtig, den präzisen Ablauf des Übergangs von einer relativ feuchten zu einer extrem trockenen Umgebung zu kennen, um das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt einordnen zu können“, betont Schouten.
Die kurzfristigen Veränderungen in der Vegetation könnten die Menschen dazu veranlasst haben, ihre Lebensweise als Jäger und Sammler aufzugeben, weil diese ihr Überleben nicht mehr garantieren konnte. „Stattdessen war es vermutlich ein Vorteil, Vieh zu domestizieren beziehungsweise Ackerbau zu betreiben“, sagt Cecile Blanchet. Letztendlich hat die schnelle Wüstenbildung vermutlich dazu beigetragen, dass sich die Menschen im fruchtbaren Niltal niederließen und so den Beginn der Hochkultur des ägyptischen Pharaonenreichs begründeten.
„Natürlich müssen diese Beziehungen zwischen menschlicher Entwicklung und Klimaveränderungen noch weiter untersucht werden. Aber mit unseren Ergebnissen haben wir auf jeden Fall starke Indizien dafür, dass selbst ein langsam ablaufender Klimawandel schnelle und dramatische Umweltveränderungen auslösen kann. Das ist nicht nur mit Blick auf die Geschichte der Menschheit interessant, sondern auch für die Zukunft eine wichtige Erkenntnis“, so Cecile Blanchet.
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanfroschung, Kiel 19.01.2015
Originalpublikation:
Blanchet, C. L., M. Frank, S. Schouten (2014): Asynchronous Changes in Vegetation, Runoff and Erosion in the Nile River Watershed during the Holocene. PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0115958