Warum soziale Nähe großzügig macht

Familie. © Eric Ward. CC BY-SA 2.0.

Familie. © Eric Ward. CC BY-SA 2.0.

Wenn man einen Menschen schätzt, zeigt man sich ihm gegenüber meist großzügiger und ist eher bereit zu teilen, als mit Unbekannten. Ein Wissenschaftlerteam hat nun die Hirnregionen identifiziert, die zu dieser Modifikation des Verhaltens führt. Die Ergebnisse haben sowohl Bedeutung für ökonomische Theorien als auch für das allgemeine Verständnis sozialen Verhaltens.

Die Fähigkeit zu teilen ist eine wichtige Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft. So kommt es zum Beispiel auch in der Ökonomie darauf an, die Interessen der anderen Marktteilnehmer bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Wir verhalten uns aber nicht allen Menschen gegenüber gleich großzügig. Gegenüber einer uns nahestehenden Person sind wir meist freigiebiger als gegenüber einem Unbekannten. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als „soziale Distanz“.

Wie die soziale Distanz mit der Fähigkeit zu teilen zusammenhängt und welche Gehirnregionen dabei eine Rolle spielen, wurde nun in einer Studie untersucht: die Arbeitsgruppe Vergleichende Psychologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf führte sie zusammen mit dem Center for Economics and Neuroscience (CENs) der Universität Bonn und der Universität Zürich durch.

Die Forscher beobachteten mit einem funktionellen Magnetresonanztomographen (fMRT) am Life&Brain Zentrum in Bonn die Hirnaktivität von Testpersonen, während diese im Rahmen eines Spielszenarios ökonomische Aufgaben lösten. Die Probanden (die aktiven Spieler) sollten zwischen einer egoistischen, allein für sie profitablen Option, und einer großzügigen Option wählen. In letzterem Fall bekommt auch ein gedachter Spielpartner einen Geldbetrag. Der Spieler selbst erhält dann entsprechend weniger Geld. Dabei sollten sich die Spieler verschiedene Spielpartner vorstellen: In einem Fall eine ihnen nahe stehende und in den anderen Fällen jedoch eine sozial entferntere Person. „Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer viel eher bereit sind, ihren Egoismus zu überwinden und zu teilen, je näher sie dem Spielpartner emotional stehen“, so Tina Strombach aus der Düsseldorfer Arbeitsgruppe Vergleichende Psychologie.

Die begleitenden Hirnscans ergaben, dass bei der Entscheidungsfindung zwei Gehirnbereiche miteinander ringen: Bei dem einen handelt es sich um den Ventromedialen präfrontalen Cortex, der im Stirnlappen der Großhirnrinde sitzt und zum Belohnungssystem gehört. Er stellt die egoistische Komponente dar. Ihm gegenüber steht die Temporoparietale Junction im hinteren Bereich des Gehirns. Sie wird mit der Empathiefähigkeit in Verbindung gebracht und ist für die Unterscheidung von „selbst“ und „fremd“ wichtig. „Beide Gehirnregionen arbeiten als Gegenspieler“, erläutert Tobias Kalenscher aus Düsseldorf: „Sie tarieren aus, wie egoistisch oder großzügig wir uns abhängig von der sozialen Distanz verhalten“. Bernd Weber vom CENs der Universität Bonn ergänzt: „Die Temporoparietale Junction hält die egoistischen Bestrebungen der ventromedialen präfrontalen Cortex in Schach und ermöglicht somit altruistisches Verhalten.“

Eine Besonderheit der Studie liegt in ihrem interdisziplinären Ansatz. Die Kombination von ökonomischen und neuropsychologischen Fragestellungen nennt sich Neuroökonomie. Neben den Düsseldorfer Psychologen und den Bonner Neurowissenschaftlern waren der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Peter Kenning und der Züricher Philippe Tobler beteiligt, die insbesondere zum Aufbau der ökonomischen Aufgabenstellung beitrugen.

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 19.01.2015

 

Originalpublikation:

Strombach T, Weber B, Hangebrauk Z, Kenning P, Karipidis II, Tobler PM, Kalenscher T, „Social discounting involves modulation of neural value signals by temporo-parietal junction“, PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1414715112

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