Pflanzlicher Wirkstoff könnte gegen Morbus Cushing wirken

Die Behandlung mit Silibinin aus dem Samen der Mariendistel könnte für Patienten mit Morbus Cushing eines Tages eine Alternative zu einer Operation sein. © Curtis Clark, CC BY-SA 2.5

Die Behandlung mit Silibinin aus dem Samen der Mariendistel (Silybum marianum) könnte für Patienten mit Morbus Cushing eines Tages eine Alternative zu einer Operation sein.
© Curtis Clark, CC BY-SA 2.5

Silibinin ist ein vermutlich gut verträglicher Wirkstoff, der bisher zur Behandlung von Lebervergiftung durch den Knollenblätterpilz eingesetzt wird. Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass Silibinin sowohl in Zellkultur, als auch in Tiermodellen und in menschlichem Tumorgewebe gegen Morbus Cushing wirkt. Morbus Cushing ist eine seltene, hormonell bedingte Erkrankung, die durch einen Tumor in der Hirnanhangdrüse hervorgerufen wird. Die Forscher wollen Silibinin nun in einer klinischen Studie testen. Wenn die Studie erfolgreich verläuft, könnten die Patienten möglicherweise in Zukunft auf eine Hirn-Operation verzichten.

Morbus Cushing, nicht zu verwechseln mit dem Cushing-Syndrom, wird durch einen Tumor in der Hirnanhangdrüse verursacht. Das Tumorgewebe produziert dabei große Mengen des Stresshormons Adrenocorticotropin (ACTH), was wiederum eine Freisetzung von Cortisol aus der Nebennierenrinde zur Folge hat. Ein Übermaß an Cortisol führt zu einer schnellen Gewichtszunahme, erhöhtem Blutdruck und Muskelschwäche. Die Patienten leiden unter einem erhöhtes Risiko für Osteoporose und Infektionskrankheiten und können kognitive Defizite oder sogar Depressionen entwickeln. Bei 80 bis 85 Prozent der Patienten kann der Tumor durch eine Hirn-Operation entfernt werden. Bei den übrigen Betroffenen ist eine Operation jedoch nicht möglich. Darüber hinaus  fürchten sich viele Patienten vor einem operativen Eingriff am Gehirn. Derzeit ist nur ein alternatives Medikament zugelassen, welches allerdings bei über 20 Prozent der behandelten Patienten starke Nebenwirkungen wie Überzuckerung (Hyperglykämie) auslöst.

Wissenschaftler um den Endokrinologen Günter Stalla am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben jetzt einen pflanzlichen Wirkstoff entdeckt, der sowohl in Zellkultur, als auch in Tiermodellen und in menschlichem Tumorgewebe gegen Morbus Cushing wirkt. „Silibinin ist ein Wirkstoff aus den Samen der Mariendistel. Es ist für Menschen ausgesprochen gut verträglich und wird momentan gegen Lebervergiftung durch den Knollenblätterpilz verwendet“, erklärt Marcelo Paez-Pereda, Leiter der Studie. Nach der Behandlung mit Silibinin produzierten die Tumorzellen wieder normale Mengen an ACTH, das Tumorwachstum verlangsamte sich und die für Morbus Cushing typischen Symptome klangen bei den behandelten Mäusen ab.

2013 haben die Wissenschaftler ein Patent für eine Gruppe synthetischer und natürlicher Wirkstoffen einschließlich Silibinin eingereicht, die zur Bekämpfung von Tumoren der Hirnanhangdrüse verwendet werden können. Beim Menschen leiden nur 5,5 von 100.000 Personen an Morbus Cushing. Bei Haustieren ist die Krankheit dagegen weiter verbreitet. So erkranken etwa vier Prozent der Hunde und sieben Prozent der Pferde an Morbus Cushing. Daher wollen die Forscher nun spezielle Rezepturen aus hochreinen Substanzen, die den Wirkstoff Silibinin langsam freisetzen, in klinischen Studien testen.

Wie Silibinin seine Wirkung entfaltet

Die Forscher untersuchten, wie es zu der übermäßigen Bildung von ACTH bei Morbus Cushing kommt und wie sie diesen Mechanismus hemmen könnten. Dazu analysierten sie das Tumorgewebe von Patienten mit Morbus Cushing und fanden heraus, dass es ungewöhnlich viel Hitzeschockprotein 90 (HSP90) enthält. Wenn es in normalen Mengen vorhanden ist, unterstützt HSP90 unter anderem die richtige Faltung des Glukokortikoidrezeptors. Dieser wiederum hemmt seinerseits die Produktion von ACTH. „Da sich im Tumorgewebe viel zu viel HSP90 befindet, bleibt es am Glukokortikoidrezeptor kleben“, erklärt Paez-Pereda. „Wir haben herausgefunden, dass Silibinin an HSP90 bindet und somit der Glokokortikoidrezeptor wieder freigesetzt wird und seine eigentliche Funktion ausüben kann.“

Mit Silibinin haben die Wissenschaftler nicht nur für Morbus Cushing eine nicht-invasive Behandlungsmöglichkeit entdeckt. Man könnte den Wirkstoff auch gegen andere Krankheiten wie Lungenkrebs, akute lymphatische Leukämie oder Multiple Myelome einsetzen, weil bei diesen ebenfalls Glukokortikoidrezeptoren eine Rolle spielen.

Max-Planck-Gesellschaft, 9. Februar 2015

 

Originalpublikation:

Riebold M, Kozany C, Freiburger L, Sattler M, Buchfelder M, Hausch F, Stalla GK and Paez–Pereda M. A C–terminal HSP90 inhibitor restores glucocorticoid sensitivity and relieves a mouse allograft model of Cushing disease. Nature Medicine, 9 February 2015. doi: 10.1038/nm.3776

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