Kombination aus Sport, gesunder Ernährung und Gehirntraining kann Demenz aufhalten

Insgesamt schnitt die Interventionsgruppe um 25% besser ab, als die Kontrollgruppe. Noch drastischer war der Unterschied bei Einzelfunktionen, die durch den Test erfasst wurden: die Exekutivfunktionen, die Fähigkeit strukturiert zu denken und zu handeln, waren um 83% besser und die Verarbeitungsgeschwindigkeit sogar um 150% höher, als in der Vergleichsgruppe.. © myself. CC BY-SA 2.5

Insgesamt schnitt die Interventionsgruppe um 25% besser ab, als die Kontrollgruppe. Noch drastischer war der Unterschied bei Einzelfunktionen, die durch den Test erfasst wurden: die Exekutivfunktionen, die Fähigkeit strukturiert zu denken und zu handeln, waren um 83% besser und die Verarbeitungsgeschwindigkeit sogar um 150% höher, als in der Vergleichsgruppe. © myself. CC BY-SA 2.5

Selbst Senioren, die bereits unter einer beginnenden Demenz leiden, können den geistigen Abbauprozess aufhalten, wenn sie ihren Lebensstil radikal ändern. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfangreiche, randomisierte Doppelbild-Studie aus Finnland. Senioren, die dazu angeleitet wurden intensiven Sport zu betrieben, sich gesund zu ernähren und regelmäßig am Computer ein Gehirntraining zu absolvieren verfügten nach zwei Jahren über eine 25% höhere allgemeine geistige Fitness, als die Kontrollgruppe. Besonders deutlich wirkte sich der Unterschied auf die Exekutivfunktionen des Gehirns aus, der Fähigkeit strukturiert zu denken und zu handeln: Hier betrug der Unterschied zwischen den beiden Gruppen 83 Prozent. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit war sogar um 150 Prozent gestiegen.

Bisherige Studien, bei denen nur die Wirkung eines einzelnen Faktors auf die geistige Fitness älterer Menschen getestet wurden hatten keinen oder nur einen geringen Nutzen ergeben. Daher wollten Miia Kivipelto und ihr Team vom Karolinska Institut in Stockholm, Schweden, mit der FINGER-Studie herausfinden, ob die gleichzeitige Veränderung mehrerer Risikofaktoren eher dazu in der Lage ist die geistige Fitness zu bewahren.

An der skandinavischen Studie nahmen 1260 Probanden im Alter zwischen 60 und 77 Jahren teil, die bereits Anzeichen einer beginnenden Demenz zeigten. Die Studienteilnehmer wurden zufällig der Interventionsgruppe oder der Kontrollgruppe zugewiesen. Ihnen wurden nicht mitgeteilt, zu welcher der beiden Gruppen sie gehörten.

Die Kontrollgruppe erhielt nur regelmäßige Anweisungen über eine gesunde Lebensweise. Die Interventionsgruppe dagegen wurde umfassend von einem Ernährungswissenschaftler über eine gesunde Ernährung (Details siehe unten) beraten. Anschließend wurde das Thema durch Gruppengespräche vertieft. Darüber hinaus absolvierten die Probanden ein körperliches Fitnesstraining, das sie unter Anleitung einer Physiotherapeutin durchführten und das individuell auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten war (Details siehe unten). Zusätzlich nahmen die Probanden an einem kognitiven Training teil, das aus Gruppen und Einzelsitzungen am Computer bestand (Details siehe unten).

Nach zwei Jahren wurde die geistige Fitness der Studienteilnehmer mit Hilfe des Neuropsychological Test Battery (NTB) erfasst. Dieser Test dient auch dazu, die Wirksamkeit von Medikamenten gegen Alzheimer bei klinischen Studien zu testen. Bei ihm steht eine höhere Punktzahl für eine bessere geistige Fitness. Insgesamt schnitt die Interventionsgruppe um 25% besser ab, als die Kontrollgruppe. Noch drastischer war der Unterschied bei Einzelfunktionen, die durch den Test erfasst wurden: die Exekutivfunktionen, die Fähigkeit strukturiert zu denken und zu handeln, waren um 83% besser und die Verarbeitungsgeschwindigkeit sogar um 150% höher, als in der Vergleichsgruppe.

Ob die ergriffenen Maßnahmen auch langfristig die Entwicklung von Demenz und Alzheimer verhindern können wird sich im weiteren Verlauf, der auf insgesamt sieben Jahre angesetzten Studie ergeben.

von Ute Keck

 

Empfohlene Ernährungsweise:

Der tägliche Energiebedarf sollte zu 10-20% aus Proteinen, 25-35% aus Fett (davon weniger als 10% gesättigten Fettsäuren, 10-20% einfach ungesättigten Fettsäuren und 5-10% mehrfach ungesättigten Fettsäuren), 45-50% aus Kohlenhydraten (davon weniger als 10% aus raffiniertem Zucker), 25-35 g Ballaststoffen pro Tag, weniger als 5 g Salz pro Tag und weniger als 5% des täglichen Energiebedarfs mit Alkohol gedeckt werden. Falls notwendig wurden die Teilnehmer angewiesen ihr Gewicht um 5-10% zu reduzieren. Um diese Ziele zu erreichen sollten die Probanden viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, fettarme Milch- und Fleischprodukte, weniger als 50 g Zucker pro Tag und statt Butter Margarine und Rapspöl zu sich nehmen und mindestens zweimal in der Woche Fisch essen.

Körperliches Fitnesstraining:

Das körperliche Training war eine abgewandelte Form des Dose Responses to Exercise Trainings (DR’s EXTRA). Es bestand zum einen aus einem individuell zugeschnittenen Programm zur Steigerung der Muskelkraft, das die Probanden ein bis drei Mal pro Woche absolvierten. Dazu kamen zwei bis fünfmal in der Woche Aerobic und Gymnastik und Übungen für ein besseres Gleichgewicht. Das Krafttraining beinhaltete Übungen zur Kräftigung der acht wichtigsten Muskelgruppen, wie Kniebeuger und -strecker, Bauch- und Rückenmuskeln, Rotation, Muskeln des oberen Rückens und der Arme und Bankdrücken für die Beinmuskeln. Die Aerobic-Übungen wurden individuell an die Vorlieben der Probanden angepasst. Aerobic wurde jedoch auch in Gruppen angeboten. Das individuelle Krafttraining wurde an Messungen angepasst, die zu Beginn der Studie und eine, zwei, drei, sechs, neun, zwölf, 18 und 24 Monate nach Studienbeginn durchgeführt wurden.

Kognitives Training:

Das kognitive Training bestand aus Gruppen und Einzelsitzungen am Computer. Die zehn Gruppensitzungen wurden von Psychologen durchgeführt. Bei sechs dieser Sitzungen wurden altersbedingte Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit und des Gedächtnis besprochen und Strategien vorgestellt, wie man diese Probleme im Alltag meistern kann. Bei vier der Sitzungen wurde der individuelle Fortschritt der Studienteilnehmer bei ihrem computergestützten individuellen Training erfasst. Bei den individuellen Sitzungen wurde ein computergestütztes kognitives Training durchgeführt. Es bestand aus zwei Teilen, die jeweils sechs Monate dauerten. Jede Trainingseinheit umfasste 72 Einzelsitzungen, die von den Teilnehmers dreimal wöchentlich für 10-15 Minuten absolviert wurden. Das Trainingsprogramm bestand aus einem von den Forschern selbst entwickelten Computerprogramm, das sich bereits in einer früheren, kleinen randomisierten Studie als wirksam erwiesen hatte. Es sollte die Exekutivfunktionen, das Arbeitsgedächtnis, das episodische Gedächtnis und die Verarbeitungsgeschwindigkeit verbessern. Darüber hinaus wurden wurden durch die verschiedenen Gruppensitzungen soziale Aktivitäten  gefördert.

 

Originalpublikation:

Ngandu T, Lehtisalo J, Solomon A, Levälahti E, Ahtiluoto S, Antikainen R, Bäckman L, Hänninen T, Jula A, Laatikainen T, Lindström J, Mangialasche F, Paajanen T, Pajala S, Peltonen M, Rauramaa R, Stigsdotter-Neely A, Strandberg T, Tuomilehto J, Soininen H, Kivipelto M. A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER): a randomised controlled trial. Lancet. 2015 Mar 11. pii: S0140-6736(15)60461-5. doi: 10.1016/S0140-6736(15)60461-5. [Epub ahead of print]

 

Besprechungen von Büchern, die sich kritisch mit dem Thema Alzheimer auseinandersetzen:

Alzheimer, die erfundene Krankheit: Diskussion mit dem Alzheimer Experten Konrad Beyreuther und der Buchautorin Cornelia Stolze in der Wirtschaftswoche.

Buchbesprechung zu „Vergiss Alzheimer! Die Wahrheit über eine Krankheit, die keine ist.“ von Cornelia Stolze im Laborjournal.

Lässt sich Demenz verhindern? Buchbesprechung zu Michael Nehls: „Die Alzheimer-Lüge“

Zur Person von Peter J. Whitehouse, dem Autor von „Mythos Alzheimer“

What is the Myth of Alzheimer’s? Videos von Peter J. Whitehouse über den Mythos Alzheimer (auf Englisch).

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