Wie die Hunde unsere Herzen eroberten

Mit dem tiefen Blick in unsere Augen hat der Hund unsere Herzen erobert. © Rennett Stowe. CC BY 2.0.

Mit dem tiefen Blick in unsere Augen hat der Hund unsere Herzen erobert. © Rennett Stowe. CC BY 2.0.

Wenn man einen Hund ansieht, erwidert er diesen Blick meist und kommt unter Umständen sogar freundlich und neugierig auf einen zugelaufen. Darin unterschiedet er sich deutlich von seinem Vorfahren, dem Wolf. Anders als dieser empfindet er einen direkten Blickkontakt mit dem Menschen als positiv. Während Wölfe ihn als Aggression empfinden. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, was bei Hund und Mensch passiert, wenn sie sich tief in die Augen blicken.

Der sprichwörtliche Hundeblick kann unsere Herzen erweichen. Welchem Hundebesitzer hat er nicht schon so manchen Happen entlockt? Dieses gegenseitige in die Augen schauen zwischen Hund und Mensch weckte das Interesse von Takefumi Kikusui, einem Verhaltensforscher an der Azabu Universität in Sagamihara, Japan. Seit vielen Jahren erforscht Kikusui zusammen mit seiner Arbeitsgruppe die Rolle des Hormons Oxytocin für das Sozialverhalten bei Tieren. Oxytocin vermittelt die Mutter-Kind-Bindung, den Aufbau von Vertrauen und kann selbstloses Verhalten auslösen. Dabei spielt der Blickkontakt zwischen Mutter und Kind eine zentrale Rolle: Er lässt bei beiden Beteiligten den Oxytocinspiegel ansteigen. Das damit verbundene Gefühl des Vertrauens und der Ruhe verstärkt wiederum das Bedürfnis den Blick noch länger zu erwidern. So löst die Oxytocin-Freisetzung eine positive Rückkopplung aus, die die Bindung zwischen Mutter und Kind fördert. Darüber hinaus ist Oxytocin jedoch auch für die Paarbindung bei Menschen und Tieren verantwortlich und für den Aufbau anderer vertrauensvoller Sozialkontakte.

© Pleple2000. CC BY-SA 3.0

Nur Hunden, die sich den offenen, vertrauensvollen Blick des Welpen bis ins Alter des ausgewachsenen Tieres bewahrten… © Pleple2000. CC BY-SA 3.0

Kikusui, der selbst zwei Hunde besitzt, fragte sich, ob Oxytocin auch bei dem intensiven Blickkontakt zwischen Hund und Mensch eine Rolle spielt. Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung mit Hunden wollte er herausfinden, was uns Menschen dazu veranlasst, eine so enge Beziehung zu unseren Hunden aufzubauen.

Um diese Frage zu klären lud er 30 Freunde und Bekannte mit ihren Hunden in sein Labor ein. Als Vergleich gesellten sich dazu noch ein paar Leute, die Wölfe als Haustiere hielten. Gleich zu Beginn des Versuchs sollten alle Teilnehmer, Menschen, wie Tiere eine erste Urinprobe abgeben. Danach wurden die Testpersonen gebeten sich 30 Minuten lang in einem Raum mit ihren Tieren zu beschäftigen. Während dieser Zeit streichelten die Menschen meist ihre Tiere und sprachen mit ihnen. Hin und wieder blickten sie sich auch für eine Weile in die Augen. Manchmal sogar für mehrere Minuten. Anders die Wölfe: Sie blickten ihren Besitzern kaum in die Augen. Anschließend mussten Tier und Mensch erneut Urinproben abgeben. An dem Versuch nahm Kikusui sogar selbst mit seinen beiden Pudeldamen Anita und Jasmine teil.

Längerer gegenseitiger Blickkontakt lässt Oxytocinspiegel ansteigen
© akial. CC BY-SA 2.0

… , gelang es, das Herz des Menschen zu erobern. © akial. CC BY-SA 2.0

Wie sich herausstelle lag Kikusui mit seiner Vermutung richtig: Ein langer Blickkontakt zwischen Hund und Hundebesitzer führte bei beiden zu einem drastischen Anstieg des Oxytocinspiegels: Bei Rüden, wie bei Hündinnen stieg der Pegel des Hormons um 130%, bei den Besitzern, Männern, wie Frauen, sogar um 300%. Bei Teilnehmern, die sich nicht länger in die Augen gesehen hatten, wie auch bei den Wölfen und deren Besitzern, tat sich dagegen gar nichts.

Wölfe vermeiden den direkten Blickkontakt mit dem menschen eher. © Juan José González Vega. CC BY-SA 3.0.

Wölfe vermeiden den direkten Blickkontakt mit dem Menschen eher. © Juan José González Vega. CC BY-SA 3.0.

In einem weiteren Experiment wollten die Forscher herausfinden, wie sich eine künstlich Gabe von Oxytocin auf das Verhalten der Hunde auswirkt: Um dies herauszufinden gaben sie den Hunden ein Nasenspray, das Oxytocin enthielt. Wie sich erwies wirkte das künstliche Oxytocin nur auf das Verhalten der Hündinnen. Sie blickten nach der Gabe des Sprays 150% länger in die Augen ihrer Besitzer, was bei diesen einen 300% Anstieg des Oxytocinspiegels bewirkte. Rüden oder Tiere, die nur Kochsalzlösung als Kontrolle gesprayt bekamen änderten ihr Verhalten jedoch nicht.

© Cristina DG. public domain.

Japanischer Akita Inu © Cristina DG. public domain.

Das oft salopp als Kuschelhormon bezeichnete Oxytozin ist also auch dafür verantwortlich, die enge Beziehung zwischen Mensch und Hund über die Artgrenzen hinweg aufzubauen und zu festigen. Hündinnen reagierten vermutlich deshalb stärker auf das Nasenspray, weil das Hormon eine wichtige Bedeutung für ihre Fortpflanzung und die Aufzucht der Welpen hat.

Die durch Oxytozin vermittelte soziale Bindung könnte auch bei der Domestikation des Hundes eine wichtige Rolle gespielt haben. Nur Hunden, die sich den offenen, vertrauensvollen Blick des Welpen bis ins Alter des ausgewachsenen Tieres bewahrten, gelang es, das Herz des Menschen zu erobern. Sie konnten das, über die Artgrenze hinweg funktionierende Bindungssystem von Oxytocin nutzen, um sich die Zuwendung und den Schutz des Menschen auf Dauer zu sichern.

© Baghira. CC BY-SA 3.0.

Eurasier © Baghira. CC BY-SA 3.0.

Die neuen Erkenntnisse könnten darüber hinaus auch erklären, warum Therapiehunde so beliebt sind und oft eine sehr positive Wirkung auf die Betroffenen haben. Sie können beispielsweise zu einer Entspannung von gestressten Therapieteilnehmern führen oder helfen bei Kranken oder Senioren im Altersheim für gute Laune zu sorgen.

Dem Oxytocin sollen es die Hunde laut einer anderen Studie auch verdanken, dass sie gelernt haben, dorthin zu sehen, wohin der Mensch mit seinem Finger deutet. Wölfe, dagegen, die ihre Menschen kaum anschauen, können solche Fingerzeige ihrer Besitzer dagegen nicht nutzen. Der tiefe Blick in die Augen des Menschen war also für unsere vierbeinigen Freunde ein entscheidender Schritt vom wilden Wolf zum Haushund. Durch ihn knüpfte er als vermutlich erstes domestiziertes Tier eine Freundschaft zum Menschen, die über Jahrtausende hinweg einzigartig sein sollte.

von Ute Keck, 22.04.2015

 

Originalpublikation:

Nagasawa M, Mitsui S, En S, Ohtani N, Ohta M, Sakuma Y, Onaka T, Mogi K, Kikusui T. Social evolution. Oxytocin-gaze positive loop and the coevolution of human-dog bonds. Science. 2015 Apr 17;348(6232):333-6. doi: 10.1126/science.1261022. Epub 2015 Apr 16.

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