Der Widerstandsfähigkeit unserer Zähne auf den Zahn gefühlt

Aufbau eines Zahns. © public domain.

Aufbau eines Zahns. © public domain.

Sie müssen so einiges aushalten, unsere Zähne. Wissenschaftler haben nun untersucht, wie es ihnen gelingt den gewaltigen Kräften, die beim Kauen auf sie einwirken zu widerstehen. Dazu nahmen sie sich die Biostruktur von Dentin, dem Hauptbestandteil der Zahnsubstanz vor. Sie gilt als eine der robustesten organischen Materialien. Wie die Forscher heraus fanden, sorgt eine interne Vorspannung dafür, dass keine Schäden entstehen beziehungsweise diese stark begrenzt werden, wenn sie doch einmal auftreten sollten. Dieser Mechanismus verhindert, dass sich im Dentin Risse ausbreiten und garantiert dessen Stabilität.

Zähne sollten ein Leben lang halten. Dabei sind sie täglich enormen Kräften ausgesetzt. Im Gegensatz zu Knochen, in denen auch lebende Zellen vorhanden sind, können Zähne einen einmal aufgetretenen Schaden nicht wieder reparieren. Sie bestehen zum größten Teil aus Dentin, einem Material das unseren Knochen ähnelt und aus mineralischen Nanopartikeln besteht. Diese Partikel sind von den Proteinfasern des Kollagens umgeben, mit dem sie eng verbunden sind. Jeder Zahn besteht aus dicht gepackten Schichten dieser Fasern, die ihm seine Stärke und Widerstandsfähigkeit verleihen. Doch bisher war nicht klar, wie verhindert wird, dass sich im Dentin Risse ausbreiten. Um diese Frage zu klären machte sich ein interdisziplinäres Forscherteam um Paul Zaslansky von der Charité in Berlin daran die Nanostrukturen von Dentin genauer zu analysieren.

Dazu untersuchten die Forscher die winzigen Strukturen mit Hilfe von Synchrotronstrahlung. Um den Wirkmechnismus von Dentin zu ergründen entzogen sie den Dentinproben während ihrer Messungen Wasser. So konnten die Forscher beobachten, wie die Spannung der Mineralpartikel zunahm, als sich die Strukturfasern des Kollagens zusammen zogen. „Dieser Mechanismus trägt dazu bei, das Entstehen von Rissen zu verhindern. Die Art und Weise der Kompression sorgt zudem dafür, dass die innersten Bereiche des Zahns und damit die empfindliche Pulpa weitgehend vor Schäden geschützt bleiben“, erklärt Paul Zaslansky.

Biostruktur des Dentin: Tubuli und Netz von Kollagenfasern, in denen mineralische Nanopartikel eingebettet sind – angespannt links, entspannt rechts, Grafik: Jean-Baptiste Forien, © Charité – Universitätsmedizin Berlin

Biostruktur des Dentin: Tubuli und Netz von Kollagenfasern, in denen mineralische Nanopartikel eingebettet sind – angespannt links, entspannt rechts, Grafik: Jean-Baptiste Forien, © Charité – Universitätsmedizin Berlin

Das Zusammenspiel aus mineralischen Nanopartikeln und dem dichten Netz aus Kollagenfasern, in das sie eingebettet sind, verleiht dem Dentin seine außergewöhnlichen Eigenschaften. Denn sobald sich die Kollagenfasern zusammen ziehen, werden die Mineralteilchen komprimiert, die mit ihnen verbunden sind. Die dabei auftretenden inneren Spannungen erhöhen die Belastbarkeit des Biomaterials. Diesen Mechanismus der Vorspannung nutzen auch Ingenieure für technischen Anwendungen, um Materialien gezielt zu verstärken. Die Natur bedient sich dieses Tricks offensichtlich schon seit Jahrmillionen und setzt ihn unter anderem in unseren Zähnen ein.

In einem weiteren Experiment wollten die Wissenschaftler wissen, was passiert, wenn die engen Verbindungen zwischen den Mineralpartikeln und den Kollagenfasern durch Erhitzen aufgebrochen wurden. Unter diesen Bedingungen war das Dentin längst nicht mehr so belastbar. „Wir glauben, dass die inneren Spannungen zwischen Mineralpartikeln und Kollagenfasern im Gleichgewicht sein müssen. Das ist entscheidend für eine dauerhafte Belastbarkeit von Zähnen“, sagt Jean-Baptiste Forien, ein Mitarbeiter der Charité. Die Erkenntnisse helfen zu verstehen, warum künstlicher Zahnersatz weniger belastbar ist als unsere gesunde Zahnsubstanz: Die keramischen Materialien reagieren einfach zu unflexibel gegenüber Belastung, da ihnen die Mechanismen fehlen, die der natürlichen Zahnsubstanz ihre Stabilität verleihen. „Vielleicht liefern die Ergebnisse der Arbeit Anregungen für die Entwicklung belastbarer keramischer Materialien zur Zahnbehandlung oder als Zahnersatz”, hofft Zaslansky.

von Ute Keck

 

Originalartikel:

Jean-Baptiste Forien, Claudia Fleck, Peter Cloetens, Georg Duda, Peter Fratzl, Emil Zolotoyabko, Paul Zaslansky. Compressive Residual Strains in Mineral Nanoparticles as a Possible Origin of Enhanced Crack Resistance in Human Tooth Dentin. Nano Letters. 2015 May 29. doi: 10.1021/acs.nanolett.5b00143.

Quarks & Caspers Videobeitrag zur Robustheit unserer Zähne:

Der Biss Test

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