Wie sich silberne Wüstenameisen vor dem Hitzetod schützen

Silberameisen überwältigen einen Käfer. © Bjørn Christian Tørrissen. CC BY-SA 3.0

Silberameisen (Cataglyphis bombycina) überwältigen einen Käfer. © Bjørn Christian Tørrissen. CC BY-SA 3.0

Silberameisen gehören zu den wenigen Tierarten, die in der Sahara bei Bodentemperaturen von bis zu 70 Grad überleben können. Wissenschaftler haben nun das Geheimnis gelüftet, wie ihnen dies gelingt. Die Tiere besitzen ein speziell an die Hitze angepasstes Haarkleid, das eine doppelte thermoregulatorische Funktion erfüllt. Je nach Wellenlänge können die Haare Strahlung reflektieren oder Wärme an die Umgebung abgeben. Die neuen Erkenntnisse wollen die Forscher für die Entwicklung von Wärmeschutzfolien nutzen.

In den heißesten Stunden eines Sommertages, wenn sich alle anderen Lebewesen aus der unerbittlich scheinenden Sonne zurückgezogen haben, kann man in der Sahara immer wieder silbrig glänzende Ameisen beobachten. Trotz der Hitze jagen sie immer noch mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 Zentimetern pro Sekunde über den Wüstenboden. Ihre höchste Aktivität entfalten sie bei Bodentemperaturen zwischen 50 und 70 Grad. Sie suchen weniger hitzeresistente Insekten, die normalerweise bei kühleren Temperaturen unterwegs sind und denen es nicht rechtzeitig gelungen ist sich vor der aufkommenden Hitze in Sicherheit zu bringen. Nun hat ein interdisziplinäres Forschungsteam des Hirnforschungsinstituts der Universität Zürich und des Departments of Applied Physics and Mathematics der Columbia University in New York die Frage geklärt, wie die Silberameisen sich selbst vor der immensen Sonneneinstrahlung und der Infrarot-Rückstrahlung vom Boden schützen können.

«Das Geheimnis liegt im Silberglanz ihres Körpers», erklärt Rüdiger Wehner von der Universität Zürich. Dieser Glanz kommt durch feine, dreikantige, nach außen spitz zulaufende Haare zustande. Sie schützen die Ameisen durch ihre spezielle Struktur gleich in zweierlei Hinsicht vor dem intensiven Sonnenlicht. In dem Spektralbereich, in welchem die Sonnenstrahlung ihre höchsten Werte erreicht, wird durch die sogenannte Mie-Streuung im Haarinneren und die Totalreflexion an den flachen Unterseiten der Haare ein effizienter Strahlungsschutz erreicht. Diese Effekte minimieren die Erwärmung des Körpers. Die Haare dienen den Ameisen quasi als Hitzeschild.

Wärme effizient an die Umgebung abgeben

Im ferneren Infrarotbereich bewirken die Haare genau das Gegenteil. Hier verringern sie die Reflexion und erhöhen dadurch die Strahlungstransmission der Körperoberfläche. Diese auf den ersten Blick paradoxe Tatsache ist für die Tiere überlebenswichtig. Denn die Sonnenstrahlung ist in diesem Bereich nur von untergeordneter Bedeutung. Die erhöhte Transmission des Haarkleids ist daher nicht nachteilig für die Tiere. Dafür erlaubt die erhöhte Transmission den Tieren die aufgenommene Wärme effizient wieder abzustrahlen, wenn sie kühlere Luftschichten aufsuchen.

Von diesen Abkühlungsmöglichkeiten machen die Silberameisen auf ihren Raubzügen über den Wüstenboden regen Gebrauch. Sobald ihre Körpertemperatur das artspezifische «kritische thermische Maximum» von 53 bis 54 Grad erreicht, müssen sie die aufgenommene Wärme wieder abstrahlen, um nicht selbst einen Hitzetod zu erleiden. Da über dem Wüstenboden ein sehr steiler Temperaturgradient existiert, können die Tiere auf erhöhten Positionen, wie Steinen oder Vegetationsresten kühlere Luftschichten aufsuchen und Wärmestrahlung durch ihr in diesem Spektralbereich besonders durchlässiges Haarkleid an die Umgebung abgeben, sich also abkühlen. Auf diese Weise wirkt das Silberhaarkleid in zweifacher Hinsicht als thermoregulatorisches Gewand. Es verringert die Erwärmung des Körpers durch Strahlungsreflexion in dem Spektralbereich, in welchem die Sonne ihre stärkste Wirkung entfaltet, und erleichtert gleichzeitig im Infrarotbereich die Wärmeabgabe an eine kühlere Umgebung. Diese Doppelfunktion wirkt sich auf das Verhalten der Tiere aus: Je höher die Sonne steigt, desto öfter wechseln die Tiere zwischen ihrer Jagd am Boden und kurzfristigen Abstechern auf erhöhte Punkte im Gelände.

Auf der Unterseite ihres Körpers, die der Infrarotstrahlung des heißen Wüstenbodens ausgesetzt ist, fehlt den Ameisen dagegen ein Haarkleid. Das durch die Silberhaare geöffnete Thermofenster für Infrarotstrahlung ist also auf dieser Seite geschlossen.

Die Natur soll Pate für eine kühlende Folie stehen

Bei der Entdeckung und der biophysikalischen Analyse dieser thermoregulatorischen Doppelfunktion der Silberhaare arbeiteten Biologen und Physiker eng zusammen. Über Thermosonden bestimmten sie sowohl im Feldversuch als auch im Labor die Körpertemperaturen der Tiere sowie die kleinräumigen Thermogradienten über dem Boden. Mit Fourier-Transformations-Infrarotspektrometern ermittelten sie die Reflexionsspektren über weite Wellenlängenbereiche. Thermodynamische Experimente führten sie im Vakuum aus und in Luft, um die Anteile von Radiation und Konvektion getrennt zu erfassen. Darüber hinaus demonstrierten sie mit Hilfe von Simulationen die funktionelle Bedeutung der im Querschnitt dreieckigen Haare auch theoretisch.

Ihre neuen Erkenntnisse wollen die Forscher für die Entwicklung einer Folien zur passiven radiativen Kühlung von Objekten einsetzen.

Universität Zürich (UZH), 19.06.2015

 

Originalpublikation:

Keeping cool: Enhanced optical reflection and heat dissipation in silver ants von Shi N, Tsai CC, Camino F, Bernard GD, Yu N, Wehner R. Science Express. June 18 2015. doi: 10.1126/science.aab3564

BBC Silver Desert Ant, Cataglyphis, Sahara Desert

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