Spinnenfäden sind leicht und fein, gleichzeitig jedoch unglaublich belastbar und reißfest. Den strukturellen Aufbau und die Bauweise dieser Fäden zu verstehen, ist eine Herausforderung, der sich ein Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gestellt hat. Die Kieler Wissenschaftler haben die Haftfähigkeit und Zugfestigkeit einer speziellen Spinnenseide von fünf verschiedenen Spinnenarten untersucht. Dieses Material wird von Spinnen dazu verwendet, um den eigentlichen Faden an verschiedenen Untergründen zu befestigen. Dabei haben die Forscher herausgefunden, dass insbesondere die Beschaffenheit des Untergrunds einen großen Einfluss auf die Haftfähigkeit der Fäden hat.
Die Arbeitsgruppe von Stanislav Gorb (Zoologisches Institut, CAU) beschäftigt sich mit der funktionellen Analyse von tierischen Oberflächen. Sie wollen folgende Art von Fragestellungen klären: Wie haften Geckofüße an der Wand? Oder: Warum scheuert die Schlangenhaut nicht durch, während sich die Schlange vorwärts bewegt? Neuestes Studienobjekt der Kieler Wissenschaftler sind Spinnenfäden: Der sogenannte Sicherheitsfaden wird von Spinnen zum Absichern, Abseilen und für die Rahmenstruktur des Netzes eingesetzt. Die Fäden werden mit so genannten Haftscheiben auf Untergründen und an anderen Fäden befestigt. Die Spinnen bilden die Haftscheiben indem sie rotierende Bewegungen mit ihren Spinnwarzen ausführen und das dabei entstehende Proteingemisch in Form eines speziellen Gittermusters auftragen.
Unter der Leitung von Stanislav Gorb untersuchten die Forscher, wie gut die Haftscheiben auf verschiedenen Untergründen halten. „Dafür haben wir die Spinnen auf Glas, Teflon und das Blatt eines Bergahorns gesetzt, wo sie jeweils Haftscheiben anbrachten. Anschließend haben wir durch Zugversuche die Kräfte ermittelt, die nötig waren, um die Haftscheiben vom Substrat zu lösen“, erklärt Jonas Wolff, Autor der aktuellen Studie. Auf Glas hafteten die Spinnenfäden so gut, dass sie rissen, bevor sie sich ablösen konnten, so Wolff weiter. Auf Teflon dagegen lösten sich die Haftscheiben komplett ab, hafteten aber immer noch so gut, dass sie in den meisten Fällen ein Vielfaches des Spinnengewichtes halten konnten. „Auf der Blattoberfläche ist die Klebekraft schließlich soweit herunter gesetzt, dass sich die Haftscheibe in den meisten Fällen komplett ablöst“, ergänzt Wolff.
Die Forscher erklären dieses Phänomen damit, dass die Oberflächen von Pflanzen oft mit Mikrostrukturen und/oder Wachse ausgestattet sind, um pflanzenfressenden Insekten das Laufen zu erschweren. Mit diesem Problem müssen natürlich auch die Spinnen fertig werden, wenn sie in der Vegetation ihre Netze bauen wollen. „Wir vermuten, dass der Wettkampf zwischen Pflanze und pflanzenfressenden Insekten auch für die Spinnen einen evolutionären Druck darstellte, bessere Kleber zu entwickeln“, so Wolff weiter.
Momentan untersucht das Team, wie die Haftscheiben im Detail aufgebaut sind und funktionieren. „Unsere Erkenntnisse könnten für die Entwicklung neuartiger hocheffizienter, ökonomischer und ökologischer Klebstoffe von großem Nutzen sein“, erläutert Projektleiter Gorb die Anwendungsmöglichkeiten, die sich aus der Forschung ergeben könnten.
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), 13.08.2014
Originalpublikation:
Grawe, I., Wolff, J.O. und Gorb, S.N. (2014): Composition and substrate-dependent strength of the silken attachment discs in spiders. Journal of the Royal Society Interface, 11: 20140477, dx.doi.org/10.1098/rsif.2014.0477