Mit Augentropfen die Linsentrübung des grauen Stars auflösen

© Pleple2000. CC BY-SA 4.0.

Getrübte Linsen von Hunden haben die Forscher bereits erfolgreich behandelt. © Pleple2000. CC BY-SA 4.0.

Grauer Star ist im Alter weit verbreitet und für rund die Hälfte aller Erblindungen weltweit verantwortlich. Im fortgeschrittenen Stadium muss deshalb oft die stark getrübte Linse entfernt und durch eine Kunststofflinse ersetzt werden. Doch möglicherweise könnte diese Therapieform bald der Vergangenheit angehören. Denn Forscher haben herausgefunden, dass Augentropfen, die den Ausgangsstoff aller Steroidhormone, Lanosterin enthalten die Linsentrübung rückgängig machen können. Getrübte Linsen von Kaninchen und Hunden haben sie bereits erfolgreich mit ihren Augentropfen behandelt.

Von altersbedingtem grauer Star, auch Katarakt genannt, sind weltweit etwa 20 Millionen Menschen betroffen. Rund 54 Millionen Menschen sind durch die Krankheit mehr oder weniger stark in ihrer Sehfähigkeit beeinträchtigt. Vor allem in ärmeren Ländern fehlen oft die Mittel, um die Patienten durch eine Operation von ihrer trüben Linse zu befreien und diese durch eine Kunststofflinse zu ersetzen. Hinzu kommt, dass eine solche Operation, wie alle Operationen, mit Komplikationen einher gehen kann. Auch können Betroffene mit den bisher eingesetzten Kunstlinsen nicht oder nur kaum akkommodieren, so dass sie zum Lesen eine Lesebrille benötigen.

Familiär bedingte Häufung von Katarakten

Forscher von der University of California in San Diego, La Jolla in den USA haben nun zusammen mit Kollegen in China eine alternative Strategie zur Behandlung des Kataraktes entwickelt: Augentropfen, die die Proteinaggregate in der trüben Augenlinse auflösen. Ausgangspunkt für ihre Untersuchungen waren Kinder, die zu dem Augenarzt und Wissenschaftler Kang Zhang wegen einer familiären Häufung von Katarakten in die Klinik kamen. Er vermutete, dass seine jungen Patienten deshalb so früh an grauem Star litten, weil sie eine Mutation hatten, die ihre Augenlinse trübte. Um diese Mutation herauszufinden sequenzierte sein Team die für Proteine kodierenden Bereiche der Genoms der Kinder. Durch umfangreiche Analysen identifizierten sie ein bei den kleinen Patienten mutiertes Gen: die Lanosterin-Synthase.

Die Augenlinse – eine hochkomplexe, empfindliche Struktur
Beim grauen Star trübt sich die Linse so stark ein, dass sie oft entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt werden muss. Hier ein menschliches Auge. © Rakesh Ahuja. CC BY-SA 3.0

Beim grauen Star trübt sich die Linse so stark ein, dass sie oft entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt werden muss. Hier ein menschliches Auge. © Rakesh Ahuja. CC BY-SA 3.0

Die Augenlinse besteht aus großen Crystallin-Proteinen, die zu einer hochkomplexen, interaktiven Struktur aufgeschichtet sind. Die Linse kann nur dann perfekt funktionieren, wenn diese Struktur intakt ist. Jede Änderung der Struktur der Crystallin-Proteine selbst oder ihrer Wechselwirkungen untereinander kann hydrophobe, also in Wasser unlösliche Bereiche der Proteine an die Oberfläche bringen. Dann bilden sich Aggregate und die empfindliche Schichtung der Proteine wird gestört. Bisher ist kaum bekannt, wie die Linse die Bildung von Aggregaten verhindert und ihre Transparenz aufrecht erhält. Lanosterin ist ein aphipathisches Molekül, das sowohl in Wasser, als auch in Fett löslich ist. In der Linse kommt es in hoher Konzentration vor. Es wird durch eine katalytische Reaktion des Cholesterin-Stoffwechsels von der Lanosterin-Synthase hergestellt. Dieses Enzym war also ein guter Kandidat als Auslöser für Katarakte bei Kindern, die aus Familien stammten, bei denen die Erkrankung familiär gehäuft auftrat.

Mutationen in einem wichtigen Enzym des Cholesterin-Stoffwechsels

Bei drei der untersuchten Kinder waren alle beiden Varianten der Lanosterin-Synthase mutiert, während die nicht erkrankten Eltern und Geschwister die Mutation nur in einem ihrer Gene trugen. Bei der Analyse von 154 weiteren Familien auf eine Mutation im Lanosterin-Synthase-Gen fanden die Forscher eine weitere Mutation. Wie sich herausstellte kommen diese Genvarianten bei 11.000 untersuchten normalen Individuen nicht vor. Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei den beiden Mutationen nicht um zufällige Genvarianten handelt, die weit verbreitet sind.

Wie verändern die Mutationen die Struktur des Enzyms?

Durch Analyse der räumlichen Struktur der Lanosterin-Synthase fanden die Forscher heraus, dass die beiden von ihnen entdeckten Mutationen die Struktur so verändern, dass das Enzym nicht mehr funktionsfähig ist. Um diese Annahme experimentell zu überprüfen gaben sie die Erbinformation der normalen sowie der mutierten Lanosterin-Synthasen jeweils in eine Zellline, damit sie das Protein bildete und testeten die Aktivität des Proteins. Wie erwartet war nur das normale Protein dazu in der Lage Lanosterin zu bilden.

Welche Folgen haben die Mutationen für die Funktion?

Ihre nächsten Experimente führten die Forscher mit einem in vitro Kataraktmodell durch. Es bestand aus Zellen, die dazu gebracht wurden mutierte Crystallin-Proteine zu bilden, von denen man weiß, dass sie bei erblich bedingten Katarakten auftreten. Fehlt eine funktionsfähige Lanosterin-Synthase, so bilden diese Zellen Aggregate aus Cyistallin-Proteinen. Gaben die Wissenschaftler jedoch normale Lanosterin-Synthase hinzu, so bildeten sich wesentlich weniger Aggregate. Die mutierten Lanosterin-Synthasen waren dagegen nicht dazu in der Lage, für eine Abnahme der Aggregate zu sorgen. Daraus schlossen die Forscher, dass das von der Lanosterin-Synthase gebildete Lanosterin offenbar dazu in der Lage ist die Proteinaggregate aufzulösen.

Welchen Effekt hat Lanosterin auf eine getrübte Linse?

Ermutigt von ihren bisherigen Erfolgen wollten die Forscher nun wissen, wie sich eine Gabe von Lanosterin auf eine getrübte Linse auswirkt. Dazu behandelten sie die Augenlinsen von 13 Kaninchen, die unter grauem Star litten in der Petrischale für sechs Tage mit Lanosterinlösung (Konzentration: 25 mM). Bereits nach dieser kurzen Zeit waren die Linsen von 11 Tieren deutlich klarer geworden.

Da grauer Star auch bei Hunden ein weit verbreitetes Altersphänomen ist beschlossen die Forscher ihre ersten in vivo Versuche mit Lanosterin an sieben Hunden durchzuführen. Dazu baten sie Hundebesitzer mit betroffenen Tieren um ihre Mitwirkung. Und auch hier waren die Experimentatoren erfolgreich: Eine Behandlung mit Lanosterin verringerte die Linsentrübung deutlich und machte sie wieder klarer. Das positive Ergebnis konnte man bereits mit bloßem Auge gut erkennen.

Auch Ratten betroffen

Bereits 2006 fand eine andere Wissenschaftlergruppe heraus, dass bei den Shumiya Katarakt Ratten, einem Rattenmodell für den grauen Star, eine defekte Lanosterin-Synthase für die getrübte Linse verantwortlich ist.

Perspektiven

Da Lanosterin eine vom Körper selbst produzierte Substanz ist, hoffen die Forscher, dass eine Behandlung mit dem Wirkstoff kaum Nebenwirkungen erzeugen wird. Noch im nächsten Jahr wollen sie mit den ersten klinischen Studien am Menschen beginnen. Damit nicht genug spekulieren die Forscher, dass Lanosterin möglicherweise auch noch zur Behandlung anderer Krankheiten eingesetzt werden könnte, die mit Proteinaggregaten einher gehen, wie etwa Parkinson oder Alzheimer. Doch um diese Hypothese abzuklären sind noch viele vorklinische Versuche nötig.

von Ute Keck

 

Originalpublikation:

Zhao L, Chen XJ, Zhu J, Xi YB, Yang X, Hu LD, Ouyang H, Patel SH, Jin X, Lin D, Wu F, Flagg K, Cai H, Li G, Cao G, Lin Y, Chen D, Wen C, Chung C, Wang Y, Qiu A, Yeh E, Wang W, Hu X, Grob S, Abagyan R, Su Z, Tjondro HC, Zhao XJ, Luo H, Hou R, Jefferson J, Perry P, Gao W, Kozak I, Granet D, Li Y, Sun X, Wang J, Zhang L, Liu Y, Yan YB, Zhang K. Lanosterol reverses protein aggregation in cataracts. Nature. 2015 Jul 22. doi: 10.1038/nature14650. [Epub ahead of print]

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