Drastischer Rückgang von positiven Studienergebnissen nach Einführung von Transparenzregelung

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Seitdem klinische Studien in den USA angemeldet werden müssen und ihre Zielsetzung vor ihrem Beginn offen gelegt werden muss ist die Anzahl positiver Ergebnisse drastisch gesunken. Zu diesem Schluss kommen Forscher, die Studienergebnisse des amerikanischen National Heart, Lung and Blood Institute vor und nach der Einführung der neuen Regelungen miteinander verglichen haben.

Vor ihrer Zulassung müssen Medikamente ihre Wirksamkeit in großen klinischen Studien beweisen. Seit Jahren steht die Veröffentlichungspraxis dieser Studien in der Kritik. Denn nicht selten werden negative Ergebnisse zurück gehalten. Statt dessen werden zufällig aufgetretene positive Teilaspekte publiziert. Diese Praxis führt zu einer verzerrten Darstellung der Wirksamkeit von Medikamenten. Mit gravierenden Folgen für die betroffenen Patienten und die Kostenexplosion im Gesundheitssystem. Deshalb sah sich die USA im Jahr 2000 zum Handeln gezwungen: Seitdem müssen alle klinischen Studien für die Zulassung in Amerika auf ClinicalTrials.gov angemeldet und ihre Zielsetzung vor ihrem Beginn offen gelegt werden. Das hatte drastische Auswirkungen auf die Berichterstattung der Studien: Nach dem Jahr 2000 sank die Zahl positiver Ergebnisse massiv ab, wie Forscher heraus fanden, die Studienergebnisse vor und nach der Einführung der neuen Regelungen miteinander verglichen haben.

So vermeldeten vor dem Jahr 2000 noch ganze 57% der untersuchten klinischen Studien zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen positive Ergebnisse. Nach Einführung der Meldepflicht dagegen sank diese Zahl auf gerade einmal 8%, wie die Wissenschaftler Robert Kalpan von der Agency for Healthcare Research and Quality (einer unserem IQWIG vergleichbaren Institution) und Veronica Irvin von der Oregon State University beobachteten.

Laut dem Forscherteam sollten nicht nur klinische Studien mit positivem Ergebnis veröffentlicht werden, sondern auch solche, die zu dem Ergebnis kommen, dass ein Medikament wirkungslos ist. Denn sie beinhalten wichtige Informationen für Ärzte und können Patienten vor nutzlosen oder gar schädlichen Therapien schützen. Wie etwa die Studie Frauengesundheitsinitiative zeigt, bei der sich herausstellte, dass eine Östrogentherapie nach den Wechseljahren den meisten Frauen mehr schadet als nützt.

Irvin und Kaplan untersuchten klinischen Studien zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Zeitraum zwischen 1970 und 2012. Dabei beschränkten sie sich auf hochbudgetierte Studien, die vom National Heart, Lung and Blood Institute finanziert wurden. Bei diesen Studien war zu erwarten, dass sie selbst dann publiziert wurden, wenn sie nicht die erwarteten Ergebnisse lieferten. Die Forscher untersuchten insgesamt 55 Studien. 30 waren vor den Änderungen der Regelungen und 25 danach publiziert worden. Berichteten vor der Einführung der Transparenzregelung im Zeitraum zwischen 1979 und 2000 noch 17 der 30 Studien über positive Ergebnisse, war dies nach dem Jahr 2000 nur noch für zwei der 25 Studien der Fall. Damit sank die Zahl der positiven Studienergebnisse nach Einführung der Transparenzregelung von vormals 57% auf gerade 8%. Ein drastischer Rückgang.

Für den Rückgang positiver Studienergebnisse kommen jedoch auch noch andere Erklärungen in Frage, als die Einführung der neuen Transparenzregelungen. Doch Kaplan und Irvin konnten keine überzeugenden Alternativen ausmachen. So könnte der Effekt etwa dadurch zustande kommen, dass ältere Studien ihre Behandlungsmethoden eher mit Placebos verglichen, während neuere Therapien sie mit bereits etablierten Behandlungsmethoden maßen. Doch als die beiden Forscher die von ihnen untersuchten Studien genauer unter die Lupe nahmen fanden sie keine Bestätigung dieser Annahmen: 60% der Studien vor 2000 setzten Placebos als Vergleich ein. Bei den nach 2000 veröffentlichten Studien war dies sogar bei 64% der Fall.

Die Forscher lobten das National Heart, Lung and Blood Institute für die vorbildliche Veröffentlichungspraxis, bei der auch negative Ergebnisse publiziert werden. Sie stellt einen wichtigen Schritt zur Entwicklung eines höheren Standards für die klinische Forschung dar.

Die Untersuchungen der Forscher beschränkten sich zwar nur auf klinische Studien für Herz-Kreislauf Erkrankungen. Doch sie gehen davon aus, dass sich die neuen Regelungen für klinische Studien in gleicher Weise auf Studien für andere Erkrankungen, wie etwa Krebs oder Diabetes, ausgewirkt haben.

Laut Irvin sollte man jedoch selbst positive Ergebnisse von registrierten klinischen Studien mit Vorsicht genießen. Denn auch dort können die Ergebnisse besser erscheinen, als sie tatsächlich sind. Etwa wenn die vorliegenden Daten kein wirklich aussagekräftiges Ergebnis liefern. Besonders zu berücksichtigen sind dabei die Effektstärke, also das Ausmaß der beobachteten Wirkung des Medikaments. Und die Ausschöpfungsquote, also etwa das Verhältnis der Testpersonen, die eine Studie begonnen haben im Vergleich zu der Anzahl, die am Ende der Studie in die Auswertung einbezogen wurden.

Wie der Neurologe Steven Novella von der Yale Universität in den USA in seinem NeuroLogica Blog schreibt lassen die Ergebnisse der Forscher Zweifel an der Glaubwürdigkeit älterer Studien aufkommen. Seiner Meinung nach könnte es sich bei mehr als der Hälfte der älteren Studien um falsch positive Ergebnisse handeln.

Es ist dringend notwendig auch in Deutschland und Europa eine vergleichbare Transparenzregelung einzuführen, um die Patienten vor nutzlosen aber möglicherweise schädlichen Behandlungen zu schützen und die Kostenexplosion in unserem Gesundheitssystem in den Griff zu bekommen.

ClinicalTrials.gov ist ein öffentlich zugängliche Seite, auf der sich jeder Interessierte über die Entwicklung von Medikamenten und deren Wirksamkeit informieren kann.

von Ute Keck

 

Originalpublikation:

Kaplan RM, Irvin VL. Likelihood of Null Effects of Large NHLBI Clinical Trials Has Increased over Time. PLoS One. 2015 Aug 5;10(8):e0132382. doi: 10.1371/journal.pone.0132382. eCollection 2015.

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