Mit dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts hat der Gletscherschwund seit Beginn der Aufzeichnungen einen historischen Rekordwert erreicht. Das globale Phänomen der schmelzenden Gletscher würde selbst ohne fortschreitenden Klimawandel andauern, wie Forscher jetzt herausgefunden haben.
Gletscher speichern etwa 70 % des weltweiten Süßwassers. Damit sind sie nach den Ozeanen die größten Wasserspeicher der Erde. In den Polargebieten bedecken sie große Teile der Landflächen. Sie sind bedeutende Wasserzulieferer für viele Flusssysteme und haben einen gravierenden Einfluss auf das Weltklima.
Seit über 120 Jahren sammelt der World Glacier Monitoring Service, mit heutigem Sitz an der Universität Zürich, weltweit Daten über die Entwicklung von Gletschern. Gemeinsam mit seinen Korrespondenten in über 30 Ländern analysierte der globale Dienst die aktuellen Gletscherveränderungen. Dazu verglich er die Daten für das erste Jahrzehnt des laufenden Jahrhunderts mit allen bisher verfügbaren Daten aus der Vergangenheit, die durch Feldbegehungen, flugzeug- und satellitengestützte Untersuchungen sowie durch Rekonstruktionen anhand von Bild- und Schriftquellen vorlagen.
«Die Eisdicke der beobachteten Gletscher nimmt derzeit jedes Jahr zwischen einem halben und einem ganzen Meter ab – das ist zwei bis drei mal mehr als der entsprechende Durchschnitt im 20. Jahrhundert», erklärt Michael Zemp, Direktor des World Glacier Monitoring Service. «Exakte Messungen dieser Eisverluste gibt es zwar nur von ein paar hundert Gletschern, die Resultate werden aber qualitativ bestätigt durch feld- und satellitengestützte Beobachtungen von zehntausenden von Gletschern weltweit.»
Gletscherschmelzen wird weltweit beobachtet
Wie das internationale Forscherteam berichtet findet derzeit eine globale Gletscherschmelze beispiellosen Ausmaßes statt. Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen und wohl auch im Zeitraum der schriftlich und bildlich belegten Geschichte wurde eine vergleichbar starke Gletscherschmelze beobachtet. Wie die Studie darüber hinaus belegt schmelzen die Gletscherzungen weltweit langfristig ab. Ein Wachstum von Gletschern konnten die Forscher nur regional und zeitlich beschränkt beobachten und es reichte bei weitem nicht an die Ausdehnung der kleinen Eiszeit zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert heran. So haben sich etwa die norwegischen Gletscherzungen seit ihrem letzten Hochstand im 19. Jahrhundert um einige Kilometer zurückgezogen. Nur in der Küstenregion stießen die Gletscher kurzfristig in den 1990er-Jahren wieder wenige hundert Meter vor.
Die Studie weist zudem darauf hin, dass die großen Eisverluste der letzten beiden Jahrzehnte dazu geführt haben, dass die Gletscher in verschiedenen Regionen der Welt massiv aus dem Gleichgewicht geraten sind. «Diese Gletscher werden weiterhin Eis verlieren, selbst ohne fortschreitenden Klimawandel», erklärt Michael Zemp.
Mit weitreichenden Folgen für unsere Flüsse und unser Klima. Denn kleinere Gletscher werden zu trockeneren Flüssen führen. Das wird nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft sonder auch auf die gesamten betroffenen Ökosysteme haben.
Universität Zürich, 03.08.2015
Originalpublikation:
Michael Zemp et.al. Historically unprecedented global glacier decline in the early 21st century. Journal of Glaciology. August 3, 2015. doi: 10.3189/2015JoG15J017