Von helfenden Großmüttern über die Langlebigkeit zur Monogamie?

Haben helfende Großmütter unsere Langlebigkeit und sogar die Monogamie bewirkt? © Catherine Scott. CC BY-SA 2.0.

Haben helfende Großmütter unsere Langlebigkeit und sogar die Monogamie bewirkt? © Catherine Scott. CC BY-SA 2.0.

Welche Eltern vertrauen ihre Kinder nicht gerne der Obhut der Großmutter an? Der Hilfsbereitschaft der Omas könnten wir laut einer neuen Studie nicht nur unsere Langlebigkeit sondern auch die Monogamie verdanken. Demnach haben junge Frauen, bei denen die Oma bei der Versorgung der Kinder mithilft mehr Nachwuchs. Auf diese Weise kann eine Großmutter über die Zeit ihrer eigenen Fruchtbarkeit hinaus den Fortbestand ihrer Familie fördern. Ihre Gene für ein langes Leben vererbt sie an ihre Kinder und Enkel. Gleichzeitig führt die daraus resultierende Langlebigkeit zu einem Überschuss an zeugungsfähigen Männern. Angesichts der großen männlichen Konkurrenz gingen die Männer dazu über, eine Frau, die sie einmal für sich gewonnen hatten fest an sich zu binden. So könnte sich bei uns Menschen die Monogamie entwickelt haben. Damit könnte die Hilfsbereitschaft der Omas indirekt zur Monogamie des Mensch beigetragen haben.

Hadzamänner beim Bogenschießen © Idobi. CC BY-SA 3.0.

Hadzamänner beim Bogenschießen © Idobi. CC BY-SA 3.0.

Die „Großmutter-Hypothese“

Laut der Anthropologin Kristen Hawkes von der University of Utah in den USA verdanken wir unsere Langlebigkeit der Fürsorglichkeit unser prähistorischen Omas. Hawkes und ihr Team entwickelten die Großmutter-Hypothese nachdem sie in Tansania das Jäger- und Sammler-Volk der Hazda beobachtete hatten. Bei diesem Stamm, der noch ähnlich wie unsere einstigen Vorfahren lebt, graben die Omas ihren Enkeln Knollen aus, wenn diese dazu noch nicht in der Lage sind.

Laut der Großmutter-Hypothese bekommen Mütter ihr nächstes Kind nicht früher, weil der Vater den Schinken nach Hause bringt, wie Hawkes salopp formuliert, sondern weil die Oma dabei mithilft die entwöhnten Kinder zu versorgen. Diese Unterstützung förderte die Langlebigkeit, da länger lebende Omas beim Großziehen von mehr Kindern helfen konnten.

© Thomas Lersch. CC BY-SA 3.0.

© Thomas Lersch. CC BY-SA 3.0.

Anders als weibliche Schimpansen, die meist kurz nach dem Ende ihrer Fruchtbarkeit sterben leben Frauen oft noch Jahrzehnte nachdem sie keine Kinder mehr bekommen. Diese Entwicklung könnte bereits mit unseren frühen Homo Verwandten vor zwei Millionen Jahren eingesetzt haben. Laut der Großmutter-Hypothese dürften Frauen bevor die Großmütter bei der Aufzucht der Kinder zu helfen begannen kaum länger gelebt haben, als sie auch fruchtbar waren. Erst als sich die Umweltbedingungen und die Lebensgewohnheiten der Menschen so änderten, dass sich die Unterstützung der Großmütter auszahlte konnte sich allmählich die Langlebigkeit entwickeln, weil die älteren Frauen dabei halfen die Kinder zu ernähren, so dass ihre Töchter früher ihr nächstes Kind bekommen konnten.

Indem die Großmütter ihren Töchtern ermöglichten mehr Kinder in die Welt zu setzten konnten sich die Langlebigkeitsgene der Großmütter in der Population weit verbreiten und die Lebenserwartung der Menschen stieg allmählich an. Anhand einer Computersimulation konnten Hawkes und ihre Kollegen zeigen, welchen Effekt die helfenden Hände der Großmütter auf die Lebenserwartung hatten: Demnach war die Lebenserwartung ohne unterstützende Großmütter etwa so lange wie bei den Menschenaffen, also circa 50 Jahren. Mit helfenden Großmüttern erhöhte sich die Lebenserwartung dagegen auf die von heutigen Menschen mit 70 bis 80 Jahren.

Vom Männerüberschuss über „Mate-Guarding“ zur Monogamie

Nun hat Hawkes durch Computersimulation eine Verbindung zwischen dem Großmuttereffekt, unserer hohen Lebenserwartung und einem Überschuss an älteren, zeugungsfähigen Männer hergestellt. Dieser Überschuss an Männern führt dazu, dass diese dazu neigen eine feste Beziehung mit einer Frau einzugehen, um sie der männlichen Konkurrenz zu entziehen.

Es gibt viele Hypothesen darüber, wie sich die menschliche Monogamie entwickelt hat. Eine von ihnen besagt etwa, die Paarbindung beim Menschen sei eine Absprache zwischen Mann und Frau, nach dem der Mann sich durch die von ihm gelieferte Jagdbeute die Treue seiner Partnerin sichert.

Auch Höckerschwäne sind monogam.

Auch Höckerschwäne sind monogam. © Marek Szczepanek. CC BY-SA 3.0

Auch im Tierreich gibt es verschiedenste Formen von Monogamie, bei der entweder einer der Partner oder beide monogam sind. Typischerweise sind Tierpaare eher dann monogam, wenn die Aufzucht der Jungen besonders aufwändig ist, wie etwa bei uns Menschen aber auch beim Albatros, bei dem der Nestbau und die Aufzucht eines Jungen ein ganzes Jahr beansprucht. Die Tiere sind sehr langlebig und können selbst im Alter von 62 Jahren noch erfolgreich brüten. Unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, sind dagegen trotz mehrjähriger Jungenaufzucht keineswegs monogam. So wird ein Schimpansenjunges zwischen 3,5 und 4,5 Jahre lang gesäugt, ist mit sieben bis neun Jahren geschlechtsreif, pflanzt sich jedoch aufgrund des Gruppenverhaltens meist erst mit 13 bis 16 Jahren fort. Ähnlich, wie beim Menschen können die Weibchen nur bis zum Alter von rund 45 Jahren Junge bekommen. Nach erreichen dieses Alterns sterben sowohl die meisten Weibchen, wie auch die Männchen.

Die Monogamie ist in allen menschlichen Gesellschaften verbreitet und unterscheidet uns damit von unseren nächsten Verwandten. Laut Hawkes und ihrem Team ist die menschliche Monogamie ein Nebeneffekt der Hilfsbereitschaft unserer prähistorischen Großmütter: Durch ihr nützliches Verhalten stieg die Lebenserwartung unserer Vorfahren immer weiter an.

Frauen der Hadzabe. © Idobi. CC BY-SA 3.0.

Frauen der Hadzabe. © Idobi. CC BY-SA 3.0.

Um zu überprüfen, welchen Einfluss helfende Großmütter auf die menschliche Evolution gehabt haben könnten führten die Forscher 30 Simulationen mit und 30 ohne helfende Großmütter durch.

Wie sich zeigte veränderte sich das Verhältnis von zeugungsfähigen Männer und Frauen mit der Zeit massiv, wenn die Großmütter bei der Kinderbetreuung halfen. Anders als bei unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen, bei denen es mehr fruchtbare Weibchen als Männchen gibt. So kamen zu Beginn der Simulation noch auf 100 fruchtbare Frauen 77 Männer, bevor es eine Unterstützung durch die Großmütter gab. Das entspricht in etwa der Situation bei Schimpansen, bei denen es keine Großmütter gibt, die sich um die Enkel kümmern. Mit Großmuttereffekt  kamen dagegen auf 100 Frauen 156 Männer. Das ist das genaue Gegenteil zur Situation bei den meisten Säugetieren, bei denen es mehr fruchtbare Weibchen als Männchen gibt. Es spiegelt in etwa das Verhältnis von zeugungsfähigen Männern und Frauen in noch heute lebenden Jäger-Sammler-Kulturen und Populationen modernen Menschen wieder.

Vor allem Tiere, bei denen die Aufzucht der Jungen viel Energie kostet sind monogam, wie etwa Albatrosse. © Jlfutari. CC BY-SA 3.0

Vor allem Tiere, bei denen die Aufzucht der Jungen aufwändig ist sind monogam, wie etwa Albatrosse. © Jlfutari. CC BY-SA 3.0

Trotz steigenden Lebensalters kamen die Frauen weiterhin mit etwa 45 Jahren in die Wechseljahre, so dass sie nicht in Versuchung gerieten mit ihren Töchtern um Partner zu konkurrieren und statt dessen die Rolle der helfenden Großmutter ausfüllten. Der Anstieg der Lebenserwartung in den letzten 150 Jahren kommt vor allem durch eine gesunkene Kinder- und Jugendsterblichkeit zu Stande. Auch bei Naturvölkern sind typischerwiese ein drittel oder mehr Frauen über 45 Jahre alt.

Die Männer dagegen blieben auch noch bis ins hohe Alter zeugungsfähig. Damit nahm jedoch mit zunehmender Langlebigkeit die Zahl der fruchtbaren Männer, die um eine gleichbleibende Zahl junger, gebährfähiger Frauen konkurrieren stetig zu. Da Frauen, die älter als 45 Jahre sind keine Kinder mehr bekommen können begannen die Männer junge Frauen zu bevorzugen. Anders als Schimpansen, deren Männchen sich lieber mit älteren Weibchen paaren. Damit wurde es für den einzelnen Mann immer schwieriger eine junge Frau für sich zu gewinnen. Anfangs reagierten sie vermutlich durch „Mate-Guarding„, bei dem die Männer ihre Partnerin bewachen, um ihre Ansprüche gegen andere Konkurrenten zu verteidigen. Irgendwann war dann jedoch ein Punkt erreicht an dem der Aufwand für das „Mate-Guarding“ zu groß wurde. Daraufhin einigte man sich auf die Monogamie, so die Hypothese.

von Ute Keck

 

Originalpublikation:

Coxworth JE, Kim PS, McQueen JS, Hawkes K. Grandmothering life histories and human pair bonding. Proc Natl Acad Sci U S A. 2015 Sep 8. pii: 201599993. [Epub ahead of print] doi: 10.1073/pnas.1599993112

Fachartikel zum Thema Großmutter-Effekt:

The Grandmother Effect

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