Zwei Parasiten Im selben Wirt sabotieren sich gegenseitig

Oft befallen mehrere Parasiten ein- und denselben Wirt, wie hier der Bandwurm Schistocephalus solidus (grün) und der Fadenwurm Camallanus lacustris (blau) einen Ruderfußkrebs. Sind Parasiten in einem unterschiedlichen Entwicklungsstadium, kommt es zwischen ihnen zu Interessenskonflikten. © MPI f. Evolutionsbiologie/ N. Hafer

Oft befallen mehrere Parasiten ein- und denselben Wirt, wie hier der Bandwurm Schistocephalus solidus (grün) und der Fadenwurm Camallanus lacustris (blau) einen Ruderfußkrebs. Sind Parasiten in einem unterschiedlichen Entwicklungsstadium, kommt es zwischen ihnen zu Interessenskonflikten.
© MPI f. Evolutionsbiologie/ N. Hafer

Parasiten haben meist nur ein Ziel: Sich in ihrem Endwirt fortzupflanzen. Doch dazu müssen einige von ihnen zunächst ihre komplette Entwicklung in einem Zwischenwirt  durchlaufen, um dann den richtigen Zeitpunkt abzupassen, um ihren Endwirt zu infizieren. Um dieses Ziel zu erreichen manipulieren viele Parasiten das Verhalten ihres Zwischenwirts. Solange ihre Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, sorgen sie dafür, dass ihr Wirt möglichst nicht von seinen Fressfeinden verzehrt wird. Sobald sie jedoch reif für den Wirtswechsel sind, führen sie eine Verhaltensänderung ihres Wirts herbei, die garantieren soll, dass dieser möglichst bald die Beute seines Endwirts wird. Doch was geschieht, wenn Parasiten unterschiedlicher Entwicklungsstadien oder gar verschiedener Arten mit entgegengesetzten Zielen den selben Wirt befallen? Wie Forscher nun herausgefunden haben, sabotieren sich in diesem Fall die beiden Parasitenarten gegenseitig: Das beobachteten sie zumindest bei Ruderfußkrebsen, die von zwei unterschiedlichen Arten von parasitischen Würmern mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien befallen waren. Sie schalteten das Manipulationsprogramm ihres Konkurrenten aus. Wobei laut den Forschern bei Interessenskonflikten immer der Parasit im infektiösen Stadium die Oberhand behält.

Außer bei Tom und Jerry würde wohl keine Maus auf die Idee kommen, sich freiwillig in der Nähe einer Katze aufzuhalten. Manche Mäuse tun es doch, denn sie fühlen sich von Katzen scheinbar angezogen. Normales Mäuseverhalten ist das jedoch nicht, denn sie agieren sozusagen fremdgesteuert. Denn Mäuse sind der Zwischenwirt von Toxoplasma gondii – einem parasitischen Einzeller, der sich in Katzen als Endwirten vermehrt. Um aus den Zwischenwirten in den Endwirt zu gelangen, verändert der Parasit das Gehirn der Mäuse und damit ihr Verhalten. Die Mäuse werden leichtsinniger und sind dadurch eine leichtere Beute für Katzen. Auch Menschen können dem Parasiten als Zwischenwirt dienen und von ihm manipuliert werden. Eine Infektion mit Toxoplasmose wird für Stimmungsschwankungen, erhöhter Risikobereitschaft und Schizophrenie verantwortlich gemacht. Infizierte Menschen haben oft auch eine verzögerte Reaktionszeit, weswegen sie häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt sind.

Vom Zwischen- zum Endwirt

Auch der Bandwurm Schistocephalus solidus verändert das Verhalten seines Zwischenwirts zu seinen Gunsten: In seinem Fall ein Ruderfußkrebs, der zunächst von Fischen gefressen werden muss. Diese dienen dann Vögeln als Nahrung, in denen der Bandwurm schließlich seinen Entwicklungszyklus vollendet. Doch der Ruderfußkrebs kann nicht nur dem Bandwurm als Zwischenwirt dienen, sondern auch dem Fadenwurm Camallanus lacustris. Beide dieser Parasiten entwickeln sich im Ruderfußkrebs und werden erst nach einiger Zeit infektiös. Erst dann können sie den Fisch als End- beziehungsweise Zwischenwirte infizieren. Doch wird der Krebs zu früh vom Fisch gefressen, können sich die Parasiten in ihm nicht vermehren. Das bedeutet das Aus für die Parasiten und sie sterben ab.. Die beiden Würmer müssen deshalb den richtigen Zeitpunkt abpassen und vor diesem Zeitpunkt das Verhalten des Wirtes so manipulieren, dass er möglichst nicht gefressen wird.

Sowohl der Fadenwurm, als auch der Bandwurm reduzieren dazu massiv die Aktivität des Ruderfußkrebses, um die Gefahr zu senken, dass dieser von einem Fisch gefressen wird, bevor sie das infektiöse Stadium erreicht haben. Sobald die Würmer dann ihr infektiöses Stadium erreicht haben, kehren sie ihre Strategie ins Gegenteil: Nun muss der Ruderfußkrebs möglichst aktiv sein, damit er schnell von einem Fisch gefressen wird. Sind im selben Ruderfußkrebs sowohl nicht-infektiöse, als auch infektiöse Stadien zur gleichen Zeit vorhanden, muss es demnach zu einem Interessenkonflikt zwischen den Parasiten kommen.

Diesen Konflikt zwischen unterschiedlichen Entwicklungsstadien innerhalb und zwischen Arten haben die Forscher am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie untersucht. Sie haben dazu Ruderfußkrebse sowohl mit infektiösen als auch nicht-infektiösen Faden- und Bandwürmern infiziert und gemessen, wie lange die Krebse nach einem simulierten Angriff eines Fisches aktiv waren. Dabei fanden sie heraus: Leben die verschiedenen Infektionsstadien in unterschiedlichen Wirtsorganismen, beeinflussen nicht-infektiöse Parasiten die Aktivität des Wirtes stärker als infektiöse Stadien.

Infektiöse Stadien sabotieren die nicht-infektiösen

Kommen sie dagegen im selben Wirt vor, sieht es anders aus: Den Forschern zufolge unterläuft ein infektiöser Parasit immer die Manipulationen eines nicht-infektiösen Parasiten, wenn diese seinen eigenen Interessen entgegenstehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Konkurrent derselben oder einer anderen Art angehört. „Der nicht-infektiöse Wurm möchte zwar, dass der Krebs ruhig bleibt, sodass dieser nicht gefressen wird, der infektiöse Wurm manipuliert aber das Verhalten in die entgegengesetzte Richtung: Der Krebs wird aktiver“, sagt Nina Hafer vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie.

Wobei der Fadenwurm seinen Wirt stärker zu kontrollieren scheint, als der Bandwurm: Ein infektiöser Fadenwurm kann die Manipulation eines nicht-infektiösen Bandwurms komplett untergraben, ein infektiöser Bandwurm dagegen einem nicht-infektiösen Fadenwurm nur teilweise entgegenwirken.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass ein Parasit nicht nur die Wirkung eines Artgenossen auf den Wirt, sondern auch die Manipulation eines Parasiten einer nicht näher mit ihm verwandten Art sabotieren oder komplett abschalten kann. Dies kann wichtige ökoklogische Konsequenzen haben und beispielsweise Krankheiten, wie Malaria oder Toxoplasmose beeinflussen. So könnten etwa Parasiten die Manipulationsprogramme von Krankheitserregern ganz oder teilweise ausschalten und so die Ausbreitung der Erreger eindämmen.

Max-Planck-Gesellschaft, 5 Februar 2016

 

Originalpublikation:

Hafer N, Milinski M. Inter- and intraspecific conflicts between parasites over host manipulation. Proc Biol Sci. 2016 Feb. DOI: 10.1098/rspb.2015.2870

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