Die gute Seite der Neutrophilen bei Herzinfarkt

Menschliches Herz. © Patrick J. Lynch. CC BY 2.5

Menschliches Herz. © Patrick J. Lynch. CC BY 2.5

Neutrophile Granulozyten, kurz Neutrophile, spielen eine entscheidende Rolle beim Heilungsprozess nach einem Herzinfarkt. Wie Forscher durch Untersuchungen an Mäusen, denen diese Immunzellen fehlten, zeigen konnten. Die Ergebnisse widerlegen bisherige Vorstellungen, nach denen Neutrophile nach einem akutem Herzinfarkt eine rein schädigende Wirkung ausüben.

Nach einem Herzinfarkt stirbt eine große Zahl an Herzmuskelzellen ab. Dieser Prozess ruft das Immunsystem auf den Plan: Unmittelbar nach einem Infarkt wandern Neutrophile in den geschädigten Herzmuskel. Dort setzten sie verschiedene Stoffe frei, die Krankheitserreger unschädlich machen und eine akute Entzündungsreaktion auslösen. Diese Reaktion leitet den Heilungsprozess ein, bei der das abgestorbene Gewebe abgebaut wird. Doch dabei können sich auch Narben bilden und der Herzmuskel kann sich ausdehnen. Das kann zu einer Herzinsuffizienz führen, die den Patienten auf Dauer beeinträchtigt.

Eine Frage des Gleichgewichts

Ein Forscherteam um Sabine Steffens von der Universität München konnte nun erstmals bei Mäusen nachweisen, dass Neutrophile nicht nur eine Entzündung verursachen, sondern auch entscheidend zur Infarktheilung beitragen. Denn sie setzen Signalstoffe frei, die veranlassen, dass sich bestimmte Monozyten zu einem Zelltyp entwickeln, der den Reparaturprozess vorantreibt. Mäuse, die über keine Neutrophilen verfügten, litten dagegen nach einem Herzinfarkt unter einer verminderten Herzfunktion und vermehrter Fibrose, bei der sich statt Muskelzellen vermehrt Bindegewebszellen bildeten, was schließlich zu einem Herzversagen führte.

„Eine Entzündung ist nicht unbedingt nur schädlich, sondern für den Ablauf einer geordneten Wundheilung in Maßen sogar notwendig. Bislang wurde die positive Rolle der Neutrophilen dabei übersehen“, erklärt Sabine Steffens.  So sorgen laut den Forschern die Neutrophilen auch dafür, dass die Entzündung nach einiger Zeit wieder abklingt und das Gewebe sich wieder stabilisiert. Doch dabei kommt es auf das richtige Gleichgewicht an. Denn laut der Forscherin könnte es einen Grenzwert geben, ab dem die positive Wirkung der Neutrophilen kippt.

Die neuen Ergebnisse belegen, dass den Neutrophilen beim Heilungsprozess eines Herzinfarktes eine wesentlich komplexere Rolle zukommt, als bisher angenommen. Es ist daher verfrüht das bisherige, lückenhafte Wissen bereits für eine Therapie einsetzten zu wollen. Das gilt etwa für aktuelle therapeutische Ansätze, die darauf abzielen die Anzahl der Neutrophilen nach einem Herzinfarkt zu senken, um den Entzündungsprozess zu kontrollieren. Denn reduziert man die Zahl der Neutrophilen zu stark, könnte das dazu führen, dass der Heilungsprozess beeinträchtigt wird. Stattdessen wäre es möglicherweise besser, die Entwicklung jener Monozyten zu stärken, die den Reparaturprozess beschleunigen. Daher wollen die Forscher als Nächstes die Signalwege und regulatorischen Prozesse entschlüsseln, die zu deren Bildung führen.

Universität München, 08.02.2016

Originalpublikation:

Horckmans M, Ring L, Duchene J, Santovito D, Schloss MJ, Drechsler M, Weber C, Soehnlein O, Steffens S. Neutrophils orchestrate post-myocardial infarction healing by polarizing macrophages towards a reparative phenotype. Eur Heart J. 2016 Feb 2. pii: ehw002. [Epub ahead of print]. doi: 10.1093/eurheartj/ehw002

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