Insulin bildende Beta-Zellen aus überschüssigem Körperfett gewonnen

Langerhans'sche Insel. © Polarlys. CC BY-SA 3.0

Langerhans’sche Insel in der Bauchspeicheldrüse. 65% bis 80% sind davon Beta-Zellen.  © Polarlys. CC BY-SA 3.0

Forschern ist es gelungen Stammzellen aus Fettgewebe so umzuprogrammieren, dass sie sich in Zellen umwandeln, die natürlichen, Insulin bildenden, Beta-Zellen sehr nahe kommen. Ein wichtiger erster Schritt hin zu einem persönlichen Reparaturset bei Diabetes.

Martin Fussenegger ist mit seinem Team am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel ein Kunststück gelungen, das viele Fachleute bislang für unmöglich hielten: Sie haben aus dem Fettgewebe einer 50-jährigen Testperson Stammzellen gewonnen und diese genetisch so umprogrammiert, dass sie zu funktionsfähigen Beta-Zellen ausreiften.

Genau wie ihre in der Bauchspeicheldrüse vorhandenen, natürlichen Verwandten bilden die so gewonnenen Beta-Zellen in Gegenwart von Glucose das Hormon Insulin.

Reifungsdynamik nachgestellt

Die Biotechnologen fügten in die Stammzellen ein künstliches und hochkomplexes Genregelwerk ein. Es war so aufgebaut, dass die wichtigsten für den Reifungsprozess notwendigen Wachstumsfaktoren jeweils zum richtigen Zeitpunkt und in der erforderlichen Menge gebildet wurden.

Dabei spielen vor allem die Wachstumsfaktoren Ngn3, Pdx1 und MafA eine zentrale Rolle. Ihre Konzentration wird im Laufe des Differenzierungsprozesses strikt kontrolliert, da jeder der drei Faktoren zu einem anderen Zeitpunkt des Reifungsprozesses benötigt wird. So fehlt etwa MafA zu Beginn der Reifung völlig. Es kommt erst am vierten Tag ins Spiel, während des letzten Reifungsschrittes. Zu diesem Zeitpunkt steigt seine Konzentration rapide an und bleibt dann auf hohem Niveau bestehen. Anders verhält es sich mit den beiden anderen Faktoren: So wird etwa Ngn3 nur um den Tag vier herum benötigt. Weshalb er nach diesem Tag wieder verschwindet. Pdx1 dagegen steigt im Lauf der Entwicklung gleich zweimal stark an: Einmal zu Beginn und ein weiteres Mal am Schluss der Reifung. Zwischendurch sinkt der Pdx1-Pegelstand jedoch wieder ab.

Die Reifung von induzierten pluripotenten Stammzellen in Beta-ähnliche Zellen hängt wesentlich vom Verlauf der drei Wachstumsfaktoren Pdx1, MafA und Ngn3 ab. © ETH Zürich

Die Reifung von induzierten pluripotenten Stammzellen in Beta-ähnliche Zellen hängt wesentlich vom Verlauf der drei Wachstumsfaktoren Pdx1, MafA und Ngn3 ab. © ETH Zürich

Fussenegger betont, dass eine möglichst naturnahe Nachbildung dieser Verläufe notwendig ist, um aus Fettzellen funktionierende Beta-Zellen gewinnen zu können. «Das Timing und die richtige Menge dieser Wachstumsfaktoren sind extrem wichtig.»

Neue Beta-Zellen sprechen auf Glucose an

Die Forscher sind davon überzeugt, dass ihre Technik des Umprogrammierens mithilfe eines künstlichen Gennetzwerkes viele Vorteile gegenüber den bisherigen Techniken bietet. Denn bisher leiteten Forscher die Stammzelldifferenzierung über die Zugabe von verschiedenen Chemikalien und Eiweißen per Hand mit der Pipette ein.. «Die richtige Menge dieser Komponenten im richtigen Moment von Hand beizuzugeben, ist sehr schwierig, ineffizient und unmöglich großstechnisch umzusetzen», sagt Fussenegger. Mit dem neuen Verfahren können drei von vier Fett-Stammzellen in Beta-Zellen umgewandelt werden.

Die künstlichen Beta-Zellen sind ihren natürlichen Vorbildern nicht nur optisch sehr ähnlich – beide besitzen in der Zelle dunkle Körperchen, in denen das Insulin gespeichert ist. Sie arbeiten auch ähnlich wie natürliche Beta-Zellen. «Noch sind die Insulin-Mengen nicht so hoch wie die von natürlichen Beta-Zellen», räumt Fussenegger ein. Entscheidend sei jedoch, dass es zum ersten Mal gelungen sei, die ganze Prozesskette von der Stammzelle zur ausdifferenzierten Beta-Zelle wie im natürlichen Vorbild nachzustellen.

Implantat aus körpereigenen Zellen

Die Technik der Forscher könnte es künftig erlauben, Diabetikern ihr  eigenen Fettgewebe zu entnehmen um daraus Beta-Zellen herzustellen und diese zu implantieren. Eine Transplantation von Beta-Zellen ist zwar an sich nichts Neues. Doch da hierfür bisher fremdes Gewebe eingesetzt wurde musste danach das Immunsystem des Empfängers unterdrückt werden, damit er das körperfremde Gewebe nicht abstieß. «Eine solche Maßnahme wäre bei unseren Beta-Zellen wohl kaum nötig, da wir sie ja aus körpereigenem Zellmaterial des Patienten gewinnen. Deshalb ist unsere Arbeit für die Diabetes-Behandlung so interessant», sagt der ETH-Professor.

Vollständige Ausreifung in der Kulturschale

Bislang haben die Forscher ihre Beta-Zellen erst in Kulturen gezüchtet und noch nicht in einen Diabetes-Patienten eingesetzt. Sie wollten erst herausfinden, ob das synthetische Gen-Programm Stammzellen tatsächlich vom Anfang bis zum Ende ausdifferenzieren lässt. Fussenegger ist überzeugt, dass sich mit der neuen Methode auch andere Zelltypen aus Stammzellen des Körperfetts erzeugen lassen. «Und die meisten Menschen haben überschüssiges Fett, aus dem sich die Vorläuferzellen gewinnen lassen.»

Vergleich von natürlichen (links) und künstlichen Beta-Zellen. © Saxena et al., Nature Comm., 2016

Vergleich von natürlichen (links) und künstlichen Beta-Zellen. © Saxena et al., Nature Comm., 2016

ETH Zürich, 11.04.2016

 

Originalpublikation:

Saxena P, Heng BC, Bai P, Folcher M, Zulewski H, Fussenegger, M. A programmable synthetic lineage-control network that differentiates human IPSCs into glucose-sensitive insulin-secreting beta-like cells. Nature Communications, published online April 11th 2016. DOI: 10.1038/NCOMMS11247

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