Wie ein Bakterium von Methanol leben kann

Bei einem Bakterium, das Methanol als Nährstoff nutzen kann, identifizierten ETH-Forschende alle dafür benötigten Gene. Die Erkenntnis hilft, diesen Rohstoff für die Biotechnologie besser nutzbar zu machen.

Die von den ETH-Forschenden untersuchten Bakterien können Methanol (chemisch: CH3OH) als Kohlenstoffquelle nutzen. © ETH Zürich

Viele Chemiker erforschen derzeit, wie man aus den kleinen Kohlenstoffverbindungen Methan und Methanol größere Moleküle herstellt. Denn Methan kommt auf der Erde reichlich vor und kann auch durch die Vergärung von Biomasse in Biogasanlagen hergestellt werden. Aus Methan lässt sich Methanol produzieren. Beide Moleküle sind einfach gestrickt, und sie besitzen je nur ein Kohlenstoffatom. Daraus größere Moleküle mit mehreren Kohlenstoffatomen zu synthetisieren, ist allerdings komplex.

Was für Chemiker mit Aufwand verbunden ist, schaffen einige Bakterienarten mit links. Diese Bakterien können Methanol als Kohlenstoffquelle nutzen, um daraus Energieträger und Baustoffe herzustellen. Sie leben vor allem auf Pflanzenblättern, und sie kommen auch bei uns in großer Zahl auf jedem Blatt vor. Das von der Wissenschaft am besten untersuchte solche Bakterium heißt Methylobacterium extorquens. Forschende unter der Leitung von Julia Vorholt, Professorin für Mikrobiologie, haben nun alle Gene bestimmt, welche dieses Bakterium benötigt, um von Methanol leben zu können.

Bakterien nutzen Pflanzen-Abfallprodukt

«Pflanzenblätter produzieren natürlicherweise Methanol. Es entsteht als Abfallprodukt bei der Zellwand-Biosynthese», erklärt Vorholt. Ähnlich einem Hybridfahrzeug, das sowohl mit Benzin als auch mit Elektrizität betrieben werden kann, kann Methylobacterium extorquens je nach Verfügbarkeit entweder größere Kohlenstoffverbindungen (zum Beispiel Carbonsäuren) als Nährstoff nutzen oder das Methanol der Pflanzen. «Im Methanol-Betrieb können die Bakterien alle komplexen Verbindungen, die sie benötigen, aus diesem kleinen Molekül aufbauen. Das ist eine außerordentliche Leistung», so Vorholt.

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun zeigen konnten, besitzt Methylobacterium extorquens knapp 150 Gene, die es spezifisch für diesen Methanol-Betrieb braucht. 95 davon waren bisher unbekannt.

Um diese Gene zu finden, kreierten die Forschenden aus Vorholts Gruppe gemeinsam mit Wissenschaftlern der Gruppe von Beat Christen, Professor für experimentelle Systembiologie, im Labor gut eine Millionen Bakterien-Mutanten. Diese gaben sie einerseits in ein Kulturmedium mit Methanol, andererseits in ein gewöhnliches Nährmedium, das Bernsteinsäure enthielt. Dabei interessierten sie sich vor allem für die Mutanten, die in gewöhnlichem Medium normal wuchsen, in Methanol jedoch schlecht oder gar nicht. Solches Verhalten zeigt an, dass in den Mutanten ein spezifisch für die Nutzung von Methanol erforderliches Gen beschädigt ist.

«Mit dem gewählten Verfahren konnten wir von jedem einzelnen Gen des Bakteriums bestimmen, ob es für das Wachstum auf Methanol benötigt wird. Wir konnten somit alle dafür erforderlichen Gene identifizieren», erklärt Andrea Ochsner, Doktorandin in Vorholts Gruppe und Erstautorin der in der Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlichten Studie.

Signal zum Umschalten auf Methanol-Betrieb

Eines der auf diese Weise neu identifizierten Gene überraschte die Forschenden besonders, denn es war bisher nur von Pflanzen bekannt sowie von einer Gruppe Bakterien, welche CO2 aus der Luft nutzen können. Das Gen ist die Bauanleitung für ein Enzym, das einen Zucker herstellt, der für die CO2-Nutzung wichtig ist. Auf eine Bedeutung dieses Gens in Methylobacterium extorquens gab es bisher keine Hinweise.

Wie die Forschenden nun zeigen konnten, stellt jedoch auch dieses Bakterium den Zucker her, nämlich dann, wenn es Methanol vorfindet. Im Gegensatz zu den Pflanzen verwendet Methylobacterium extorquens den Zucker allerdings nicht weiter als Baustoff. Vielmehr gehen die Wissenschaftlerinnen davon aus, dass es ihn als Signal einsetzt, um dann, wenn Methanol vorhanden ist, auf Methanol-Betrieb umstellen zu können.

Nachdem die Wissenschaftler die Bedeutung dieses einen Gens aufgeschlüsselt haben, möchten sie nun weitere der neu identifizierten Gene untersuchen.

Mikroorganismen neue Fähigkeiten verleihen

Die Erforschung der genetischen Grundlagen von Methylobacterium extorquens ist auch für die Biotechnologie interessant. In Forschungslabors wird dieses Bakterium bereits eingesetzt, um damit komplexe Moleküle herzustellen. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, das Bakterium so zu steuern, dass dieses die gewünschten Moleküle in größeren Mengen produziert.

Weil alle für das Wachstum auf Methanol relevanten Gene nun identifiziert sind, ist es auch denkbar, diese Gene in andere Mikroorganismen einzuschleusen. So könnte man auch diesen Organismen die Fähigkeit verleihen, auf Methanol zu wachsen – und damit diesen Rohstoff in Zukunft biotechnologisch vielfältig nutzen.

von Fabio Bergamin, ETH Zürich, 22. August 2017

Originalpublikation:

Ochsner AM, Christen M, Hemmerle L, Peyraud R, Christen B, Vorholt JA: Transposon sequencing uncovers an essential regulatory function of phosphoribulokinase for methylotrophy. Current Biology, 17. August 2017, doi: 10.1016/j.cub.2017.07.025

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