Neonikotinoide schädigen männliche Bienen

Weibliche Honigbiene. Die Arbeiterinnen sammeln den Nektar für ihr Volk. © Andreas Trepte. CC BY-SA 2.5.

Weibliche Honigbiene. Die Arbeiterinnen sammeln den Nektar für ihr Volk. © Andreas Trepte. CC BY-SA 2.5.

Neonikotinoide beeinträchtigen die Fortpflanzungsfähigkeit männlicher Honigbienen. Wie Forscher zeigen konnten verkürzen diese Insektizide die Lebensdauer der männlichen Bienen und reduzieren darüber hinaus deren Anzahl lebender Spermien. Beide Neonikotinoide sind in Europa teilweise verboten. Das Forscherteam fordert eine gründlichere Risiko-Abschätzung dieser Insektizide für die Umwelt, wie die Universität Bern berichtet.

Honigbienen haben nicht nur für die Natur, sondern auch für die Landwirtschaft eine zentrale Bedeutung. Jedes Jahr bestäuben Millionen von Honigbienen unzählige landwirtschaftliche Nutzpflanzen und produzieren gleichzeitig leckeren Honig. Die Vielfalt der bienenbestäubten Pflanzen reicht von der Karotte über die Mandel bis hin zum Raps. Die gesamte Bestäubungsleistung liegt jährlich bei mehreren Milliarden Euro.

Eine frisch geschlüpfte Drohne (männliche Honigbiene) auf einer Wachswabe. © Geoffrey Williams, Universität Bern / Agroscope.

Eine frisch geschlüpfte Drohne (männliche Honigbiene) auf einer Wachswabe.
© Geoffrey Williams, Universität Bern / Agroscope.

Ein internationales Forscherteam untersuchte nun erstmals die Auswirkungen von Neonikotinoiden auf Drohnen, männliche Honigbienen. Wie Forschende der Universität Bern und der Agroscope zusammen mit Kollegen in Thailand und Deutschland herausgefunden haben, verkürzen Neonikotinoide die Lebensdauer von Drohnen und reduzieren die Anzahl ihrer lebenden Spermien. Weil das Überleben und die Leistungsfähigkeit der Bienenkönigin von der erfolgreichen Begattung durch Männchen abhängt, hat eine schlechte Spermienqualität gravierende Folgen für die Gesundheit der Königin und der ganzen Kolonie. Einer der Grüne für das Bienensterben liegt in einer schwachen Gesundheit der Königin. Daher fordern Forscher seit langem eine gründlichere Abklärungen der Risiken von Neonikotinoiden und ähnlichen Mitteln.

Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme von lebenden (grün-blau gefärbt) und toten (rot gefärbt) Spermien vo ... © Lars Straub, Universität Bern

Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme von lebenden (grün-blau gefärbt) und toten (rot gefärbt) Spermien von Drohnen.
© Lars Straub, Universität Bern

Schädigung von Weibchen bereits nachgewiesen

«Wir wissen, dass verschiedene Faktoren der Bienengesundheit schaden, darunter Parasiten und schlechte Ernährung. Agrochemikalien gehören auch dazu», sagt Geoff Williams von der Universität Bern und der Agroscope. Bisher kennt man verschiedene tödliche, als auch nicht-tödliche Effekte der Chemikalien auf weibliche Honigbienen. Welche Wirkung sie auf Männchen haben war jedoch noch unklar. Bereits 2013 wurde die breite Anwendung der drei Wirkstoffe Thiamethoxam, Clothianidin und Imidacloprid in Europa stark eingeschränkt, um die Auswirkungen auf die Bienengesundheit genauer untersuchen zu können. In Anlehnung an die EU wurde der Einsatz dieser Neonikotinoide auch in der Schweiz teilweise verboten. Aktuell ist eine neue Abklärung durch die Bewilligungsbehörden Europas im Gang.

Das Forscherteam wies nun nach, dass auch Drohnen durch die Neonikotinoide Thiamethoxam und Clothianidin geschädigt werden.

Bienenkönigin mit ihrem Hofsaat. © Waugsberg. CC BY-SA 3.0.

Bienenkönigin mit ihrem Hofsaat. © Waugsberg. CC BY-SA 3.0.

Kürzeres Leben und verminderte Spermienqualität

Im Labor gehaltene Drohnen lebten kürzer und bildeten weniger zeugungsfähige Spermien, nachdem sie den Neonikotinoiden in einem Bienenvolk ausgesetzt waren. Dies hat auch weitreichende Konsequenzen für die Bienenkönigin: Da sie in einem Bienenvolk das einzige Tier ist, das Eier legen kann, muss sie mit gesunden Spermien mehrerer Drohnen befruchtet werden, um ihre zentrale Rolle für das Volk wahrzunehmen. Wird eine Königin von Männchen mit schlechter Spermienqualität begattet, beeinträchtigt das ihre Legetätigkeit. Und bei einer schwächelnden Königin kennen die Arbeiterinnen kein Pardon: Diejenigen die sie bisher fürsorglich gepflegt haben bringen sie dann kurzerhand um. Danach ziehen die Arbeiterinnen in speziellen Waben, den Weiselzellen mehrere neue Bienenköniginnen heran, die sie mit einem besonderen Futtersaft, dem Gelée Royale füttern. Die Königin, die als erstes schlüpft beseitigt zunächst ihre potentiellen Konkurrentinnen in den anderen Weiselzellen. Wobei diese ihr bei dem Königinnenmord auch noch helfen, indem sie sich durch leise Laute bemerkbar machen. Anschließend begibt sich die junge Königin auf ihren Jungfernflug, um sich von mehreren Drohnen begatten zu lassen. Doch bei diesem Flug drohen ihr zahlreiche Gefahren, durch die sie verletzt werden oder umkommen kann. Das Heranziehen einer neuen Königin ist also für ein Bienenvolk ein ressourcenintensives und risikoreiches Unterfangen.

«Die meisten Studien zu Neonikotinoiden haben sich bisher auf Arbeiterinnen (die nicht reproduzierfähigen Weibchen im Volk) beschränkt. Männliche Honigbienen wurden bisher vernachlässigt – und obwohl die Resultate nicht überraschen, könnten sie nun zu einem Umdenken in Sachen Neonikotinoide führen», sagt Lars Staub, Doktorand am Institut für Bienengesundheit.

«Zusammen mit weiteren Studienergebnissen und der Bedeutung, die männliche Honigbienen für die Fortpflanzung der Gattung haben, unterstreichen unsere Resultate die Dringlichkeit von Risikoabschätzungen der Agrochemikalien, um die Biodiversität und Öksysteme zu erhalten», sagt Peter Neumann, Leiter vom Institut für Bienengesundheit.

von Ute Keck, 27 Juli 2016

Originalpublikation:

Straub, L., Villamar-Bouza, L., Bruckner, S., Chantawannakul, P., Gauthier, L., Khongphinitbunjong, K., Retschnig, G., Troxler, A., Vidondo, B., Neumann, P., Williams, G.R. 2016. Neonicotinoid insecticides can serve as inadvertent insect contraceptives. Proc. R. Soc. B 20160506 doi: 10.1098/rspb.2016.0506.

Die Folgen eines Bienensterbens verdeutlicht dieser Fall aus China:

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