Justinianische Pest wütete auch in Bayern

Junge Frau und junger Mann ( rechts); Pestopfer, die auf dem Friedhof von Altenerding-Klettham gemeinsam bestattet wurden mit Grabbeigaben. © Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München.

Junge Frau und junger Mann ( rechts); Pestopfer, die auf dem Friedhof von Altenerding-Klettham gemeinsam bestattet wurden mit Grabbeigaben. © Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München.

Forscher haben den Erregers der Justinianischen Pest aus einem bereits vor 50 Jahren in Süddeutschland geborgenen Skelett rekonstruiert. Damit liegt nun eine historische und hochqualitative Referenz vor, die neue Erkenntnisse über die Evolution eines Bakteriums erlaubt, das bis heute in vielen Ländern der Welt zu Krankheitsausbrüchen führt.

Die Justinianische Pest war die erste große Pest-Epidemie, die sich in der Geschichtsschreibung nieder schlug. Jahrhunderte vor dem berüchtigten Ausbruch des „Schwarzen Todes“ kostete sie zu Zeiten des Byzantinischen Reichs schätzungsweise bis zu 50 Millionen Menschen das Leben und war möglicherweise ein wesentlicher Faktor beim Untergang des oströmischen Reiches. Auch heute ist noch nicht klar, wie weit sich diese Pandemie geographisch ausbreitete und wie hoch ihre Mortalitätsrate war. Neuere archäogenetische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass beide Pest-Pandemien auf das Konto des gleichen Erregers, das Bakterium Yersinia pestis, zurückgehen. Doch warum die Pest am Ende des 8. Jahrhundert verschwand, um im 14. Jahrhundert als Schwarzer Tod zurückzukehrte, ist bisher noch ein Rätsel. Einem Forschungsteam um Michal Feldman und Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena sowie Michaela Harbeck von der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie in München ist es nun gelungen das komplette Genom des Bakteriums aus einem Skelett zu isolieren, das im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung im Bayrischen Altenerding Opfer der Pest wurde. Das so gewonnene Genom spiegelt das Erbgut des Pesterregers zu Beginn der Pandemie wider.

Altenerding – Zweiter Fundort weltweit

Das Skelett stammt aus einem so genannten Reihengräberfeld in Altenerding-Klettham nahe München und wird seit 50 Jahren in der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie in München (SAPM) aufbewahrt. Bei dem Verstorbenen handelt es sich um einen jungen Mann, der gemeinsam mit einer jungen Frau in einem Grab beigesetzt wurde. Daher vermuteten die Forscher bereits vor 50 Jahren, dass die Beiden Opfer einer Infektionskrankheit wurden. Jetzt ist klar, dass sie an der Pest starben. „Altenerding ist neben dem nur wenige Kilometer entfernten Gräberfeld Aschheim nun erst der weltweit zweite Fundplatz, auf dem der Erreger der Justinianischen Pest eindeutig nachgewiesen werden konnte“, sagt Andreas Rott. Er testete zahlreiche Skelette aus Altenerding molekularbiologisch auf Pesterreger, bevor er bei dem jungen Mann fündig wurde.

Neue Erkenntnisse über die Pathogenität des Erregers

Der erneute Fund des Erregers in Süddeutschland bestätigt, dass die Justinianische Pest weit über die historisch überlieferten Gebiete hinaus verbreitet war. „Damit wird das enorme Potential der Rekonstruktion von Genomen vergangener Pathogene demonstriert. Diese bieten nicht nur Einsichten in historische Prozesse, sondern vertiefen auch unser Verständnis der Erregerevolution“ sagt Michal Feldman, Genetikerin am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und Erstautorin der Studie. Ein vor kurzem veröffentlichter Entwurf des Genoms der justinianischen Pest wird durch die neue Sequenz ergänzt und revidiert. „Wir konnten dreißig zusätzliche Mutationen und strukturelle Umlagerungen identifizieren, die einzigartig für den Justinianischen Erregerstamm sind“, erklärt Studienleiter Johannes Krause, Direktor am Jenaer Max-Planck-Institut. „Drei davon sind in Genen lokalisiert, die essentiell für die Virulenz, das heißt die krankheitserregende Kraft des Bakteriums sind.“ Außerdem zeigen die Daten, dass die damaligen Erreger genetisch wesentlich variabler waren, als ursprünglich angenommen.

Mit der Rekonstruktion des kompletten Genoms kann nun untersucht werden, wie sich der Erreger evolutionär entwickelt hat, welche Schlüsselereignisse es ihm erlaubten sich besser auszubreiten und welche Auswirkungen dies für den Menschen hatte. Ein wichtiger Meilenstein, denn auch heute noch ist die Pest in vielen Regionen der Welt eine wiederkehrende Krankheit, die noch immer zahlreiche Opfer fordert.

Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, 30. August 2016

Originalpublikation:

Michal Feldman, Michaela Harbeck, Marcel Keller, Maria A. Spyrou, Andreas Rott, Bernd Traut-mann, Holger C. Scholz, Bernd Päffgen, Joris Peters, Michael McCormick, Kirsten Bos, Alexander Herbig and Johannes Krause (2016) A high-coverage Yersinia pestis Genome from a 6th-century Justinianic Plague Victim, doi:10.1093/molbev/mswX

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