Raupen können Plastik abbauen. Wirklich?

Durch Zufall hatten spanische Forscher beobachtet, dass Raupen der Wachsmotte Löcher in eine Platiktüte gefressen hatten. Doch können sie das biologisch schwer zu knackende Polyethylen tatsächlich verdauen? © Sam Droege. public domain. Wikimedia Commons.

Im April diesen Jahres sorgte eine Meldung über plastikabbauende Raupen für Schlagzeilen. Per Zufall hatten spanische Forscher beobachtet, dass die Raupen der Wachsmotte Löcher in eine Plastiktüte gefressen hatten. Durch Experimente meinten sie belegt zu haben, dass die Larven das Polyethylen des Plastiks knacken können. Die Meldung war so sensationell, dass sich nun ein Mainzer Forscherteam daran gemacht hat, die Ergebnisse zu überprüfen. Halten die Motten das was sie versprechen?

Sie verschandeln unsere Meere, Flüsse und Seen: Unsere achtlos entsorgten Plastiktüten, -flaschen und -behälter. Da kam die Meldung des Forscherteams um Federica Bertocchini von der Universität in Santander, Spanien über die Entdeckung von Raupen, die Plastik abbauen können sehr gelegen. Hoffte man doch von diesen kleinen Tierchen zu lernen, wie sich die biologisch bisher nicht zu knackenden Polyethylenverbindungen im Plastik entsorgen lassen. Die Forscher hatten durch Zufall entdeckt, dass die Larven der Wachsmotte Galleria mellonella dazu in er Lage sind Plastiktüten zu zerkauen und das Polyethylen mutmaßlich mit Hilfe von Enzymen oder Bakterien in ihrem Darm zu verdauen.

Zum Beweis ihrer Hypothese hatten die Forscher die Motten zerkleinert und auf eine Polyethylenoberfläche gegeben. Sie ließen dieses Homogenat für eine gewissen Zeit einwirken und untersuchten es anschließend mit spektroskopischen und mikroskopischen Methoden. So könnten die im Darm der Larven befindlichen Enzyme oder Bakterien die Plastikmembran zersetzen, so die Überlegung. Die Abbauprodukte dieses Prozesses, wie etwa Ethylenglycol sollten sich nachweisen lassen. Und tatsächlich: Das Forscherteam glaubte bei der Infrarotspektroskopie Signale gefunden zu haben, die charakteristisch für Ethylenglycol sind.

Doch dies bezweifelte ein Forscherteam um Till Opatz vom Institut für Organische Chemie an der Universität Mainz. Sie vermissten in der Veröffentlichung ihrer spanischen Kollegen andere Signale, die für den eindeutigen Nachweis von Ethylenglycol besonders wichtig sind. Das konnten sie durch einfache Kontrollexperimente beweisen. Ging also der Abbau des Plastiks durch die Raupen nicht über eine einfache Zerkleinerung der Plastiktüten durch deren Kauwerkzeuge hinaus? Und wenn ja, wie ließ sich dann das Ergebnis der spanischen Forscher erklären?

Opatz und sein Team hatten einen Verdacht: Könnten die Signale, die Bertocchini’s Team als eindeutige Ethylenglycol-Signale deutete von dem Larvenhomogenat selbst stammen? Um diese Möglichkeit abzuklären bräuchten die Forscher Wachsmottenlarven, die sie jedoch nicht zur Verfügung hatten. Was also tun? Aber waren die zerkleinerten Wachmottenraupen nicht im Wesentlichen ein Gemisch aus Fett und Proteinen? Könnten die Forscher als Ersatz nicht einfach Hackfleisch und Eigelb nehmen? Ein solcher Test war schnell durchgeführt und bestätigte ihre Annahme: Die von Bertocchini’s Team veröffentlichten vermeintlichen Signale biochemischer Abbauprodukte deckten sich fast genau mit Signalmustern, die eine tierische Protein-Fett-Mischung hervorruft.

Für Opatz Team ist damit klar: Die Spanier wiesen keineswegs  Kunststoff-Abbauprodukte nach, sondern nur Raupenüberreste. Diese Überreste erklären laut den Forschern auch die meisten anderen Messergebnisse ihrer Kollegen.

Damit ist zwar immer noch nicht völlig ausgeschlossen, dass die Raupen das Polyethylen nicht nur zerkauen, sondern auch verdauen können. Die vorliegenden Ergebnisse können diese Hypothese allerdings auf keinen Fall stützen.

Und die Lehre aus der Geschichte: Wer keine vernünftigen Kontrollen bei seinen Experimenten durchführt kann sich schnell gründlich blamieren. Eigentlich hätte bei einer sorgfältigen Arbeit eine Kontrolle, wie sie die Mainzer Forscher durchgeführt haben dazu gehört. Natürlich nicht in Form von Hackfleisch oder Ei, sondern als Raupenhomogenat, das hätte spektrometrisch untersucht werden müssen, nachdem es die gleiche Zeit in einer Glasschale statt auf der Plastikfolie inkubiert hätte.

von Ute Keck, 30. August 2017

Originalpublikationen:

Weber C, Pusch S, Opatz T.Polyethylene bio-degradation by caterpillars? Curr Biol. 2017 Aug 7;27(15):R744-R745. doi: 10.1016/j.cub.2017.07.004

Bombelli P, Howe CJ, Bertocchini F. Polyethylene bio-degradation by caterpillars of the wax moth Galleria mellonella. Curr Biol. 2017 Apr 24;27(8):R292-R293. doi: 10.1016/j.cub.2017.02.060.

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