Wölfe ziehen gemeinsam am gleichen Strang

In Sachen Teamwork sind Wölfe ihren domestizierten Nachfahren überlegen. © Wolf Science Center/Vetmeduni Vienna

Fragte man Hundebesitzer, ob Wölfe oder Hunde die besseren Teamplayer sind, würde man vermutlich als Antwort hören, die Domestikation hätte die Hunde gegenüber dem Menschen und seinen Artgenossen toleranter und kooperativer gemacht. Doch Forscher konnten nun das Gegenteil beweisen. Bei einem Experiment, bei dem die Tiere nur durch Kooperation an Futter gelangen konnten stachen die wilden Vorfahren ihre domestizierten Verwandten in Sachen Teamwork aus. Während die Hunde an der Aufgabe scheiterten, zu zweit gleichzeitig an den Enden eines Seils zu ziehen, um an Futter zu gelangen, zeigten die Wölfe dagegen perfektes Teamwork. Sie warteten sogar auf einen Partner, um die Aufgabe gemeinsam lösen zu können.

Der Mensch domestizierte den Hund, um einen perfekten Begleiter an seiner Seite zu haben. Dabei wurde auch viel Wert auf die Toleranz und Kooperationsbereitschaft der Tiere gelegt. Deshalb wird oft davon ausgegangen, dass Hunde auch Artgenossen gegenüber toleranter und kooperationsbereiter als Wölfe sein sollten. Gegen diese Theorien spricht jedoch das komplexe Sozialverhalten der Wölfe, ohne das die Tiere bei der gemeinsamen Jagd nicht erfolgreich sein könnten.

Verhaltensforscher vom Wolf Science Center der Vetmeduni Vienna untersuchten nun mit Hilfe eines sogenannten „loose-string“ Versuchsaufbaus, ob Hunde durch die Domestikation tatsächlich zu den besseren Teamplayern wurden. Die Studie zeigte, dass Wölfe zusammenarbeiten, wenn sie nur gemeinsam an Futter kommen. Im Rudel gehaltene Hunde zeigten zwar das gleiche Interesse an dem Versuchsaufbau, sie waren aber im Gegensatz zu den Wölfen nicht dazu in der Lage die Aufgabe gemeinsam zu lösen und gingen deshalb leer aus.

Gemeinsam an einem Strang ziehen

Um festzustellen, ob Wölfe oder Hunde besser zusammenarbeiten, teilte das Team Hunde und Wölfe, die gleich aufgezogen und gehalten werden, in Zweierteams ein. Der Versuchsaufbau war so gestaltet, dass die Zweiergruppen gleichzeitig an den beiden Enden eines Seils ziehen mussten, um ein Futtertablett zu sich heran zu ziehen. „Beim loose-string paradigm wird ein Seil durch Ösen in einem Tablett gezogen. Es ist somit nicht fixiert, sondern kann durchgezogen werden, wenn nicht zwei Tiere gleichzeitig an den Enden ziehen. Lässt etwa ein Tier das andere nicht zum Seil und zieht alleine, dann zieht es das Seil aus der Vorrichtung und das Tablett bleibt unerreichbar, erklärt Sarah Marshall-Pescini.

Wölfe erwiesen sich als wesentlich kooperativer

Zuerst mussten die Zweierteams einen Spontantest lösen. Das heißt, sie wurden nicht auf den Test vorbereitet, sondern sollten von selbst durch spielerisches Ausprobieren versuchen an das Futter auf dem Tablett zu gelangen. Fünf von sieben Wolfspärchen schafften es zumindest einmal gleichzeitig an den Seilenden zu ziehen. Bei den Hunden waren dabei nur eines von acht Pärchen erfolgreich. In einem zweiten Test trainierten vier Wolfs- und 6 Hunde-Zweierteams zuerst an der Vorrichtung und hatten dann sechs Versuche, die Aufgabe richtig zu lösen. Wieder zeigten die Wölfe das bessere Teamwork. Drei Wolfspärchen konnten wiederholt das Tablett gleichzeitig zu sich ziehen. Bei den Hunden waren es zwei Pärchen, die allerdings nur einmal die Aufgabe lösen konnten.

Und die erfolgreichen Wölfe waren sogar dazu in der Lage noch schwierigere Aufgaben zu lösen. Ließ man sie einzeln in das Versuchsgehege, dann warteten sie geduldig auf ihren Partner, bevor sie an dem Seil zogen. Selbst wenn es zwei Versuchsspparaturen gab, waren die Tiere dazu in der Lage sich abzustimmen und gemeinsam erst das eine und dann das andere Tablett zu sich heranzuziehen. Allerdings spielte für den Erfolg des Teams der Rang der Tiere im Rudel eine wesentliche Rolle. Sozial gleichgestellte Tiere arbeiteten besser zusammen, als ein Team, das aus einem höher gestellten und einem niederrangigen Tier bestand.

Domestikation sorgt nicht notwendigerweise für bessere Kooperationsbereitschaft

Das Ergebnis dieses Experiments zeigt eindeutig, dass die Lebensweise der Wölfe im Rudel, das gemeinsam jagd für eine strengere Selektion auf Teamverhalten sorgt, als die Zuchtwahl des Menschen. „Wölfen wird zwar generell ein stärkerer explorativer Drang Dinge zu erkunden nachgesagt. Sie stachen die Hunde aber eindeutig aus, als es darum ging sich mit einem Partner abzustimmen“, erklärt Letztautorin Friederike Range. Auch in freier Wildbahn jagen sie gemeinsam und ziehen auch gemeinsam ihre Jungen auf. Freilebende Hunde versorgen dagegen ihre Junge alleine und suchen auch hauptsächlich einzeln nach Futter, meist menschlichen Abfällen. Die Tendenz Aufgaben gemeinsam zu lösen scheint somit den Wölfen eher im Blut zu liegen, als dass sie die Domestikation verstärkt hätte.

Die Hypothesen zum positiven Einfluss der Domestikation auf Toleranz gegenüber und Kooperation mit Artgenossen sollten laut Marshall-Pescini und Range in Frage gestellt werden. „Studien mit Haushunden zeigten zwar, dass Hunde auch in der Lage sind gut zusammenzuarbeiten. Allerdings spielt in diesem Fall auch die Erziehung durch den Menschen die ausschlaggebende Rolle. Wer mehrere Hunde bei sich zu Hause hält, wird sie so erziehen, dass sie sich tolerieren und auch kooperativer miteinander umgehen. Freilebende Hunde, die ja auch domestiziert wurden, spüren diese erzieherische Maßnahme nicht. Deswegen war es uns wichtig, bei diesen Tests nicht mit Haustieren zu arbeiten und so die menschliche Komponente auszuschließen“, so die beiden Forscherinnen.

Veterinärmedizinische Universität Wien, 16. Oktober 2017

Originalpublikation:

Sarah Marshall-Pescini, Jonas F.L. Schwarz, Inga Kostelnik, Zsófia Virányi und Friederike Range. Importance of a species’ socio-ecology: Wolves outperform dogs in a conspecific cooperation task PNAS. doi: 10.1073/pnas.1709027114

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