Evolutionärer Spielraum durch Verschmelzen zweier Arten

Arabidopsis halleri (Kriech-Schaumkresse). © Hermann Schachner. public domain.

Die Evolution wird vorangetrieben durch das Herausbilden neuer Eigenschaften. Meist reicht dazu nicht die Veränderung eines einzelnen Gens. Sondern vielmehr müssen hierzu in der Regel gleich mehrere Gene dazu transformiert werden eine neue Aufgabe zu übernehmen. Für ein komplexes Lebewesen ist dies allerdings nur möglich, wenn die alten Gene ihre Funktion uneingeschränkt beibehalten. Abhilfe aus diesem Dilemma bringt eine Verdoppelung ganzer Genome, und zwar durch eine sogenannte Hybridizierung. Hierbei bringen zwei verschiedene Arten gemeinsame Nachkommen hervor. Evolutionsbiologen hatten eine solche Verschmelzung zweier Arten lange postuliert. Nun ist es Forschern am Beispiel der Schaumkresse gelungen diesen evolutionären Mechanismus in der Natur nachzuweisen.

Alle Lebewesen in der Natur stehen in einem ständigen Wettbewerb um die begrenzten Ressourcen unseres Planeten. Vorteile gewinnt, wer Nährstoffe besser nutzen kann und mehr Nachkommen hervorbringt, als seine Konkurrenten. So wetteifern etwa Pflanzen um die Ressourcen Wasser, Nährstoffe und Licht. Da ist gut dran, wer schnell tiefe Wurzeln bildet und so anderen Arten geradezu das Wasser abgräbt, wie das etwa Eukalyptusbäume tun. Oder wer schneller wächst, als seine „Mitbewerber“ und so seine Blätter am besten im Licht positioniert, so dass er selbst gut gedeiht, während die anderen buchstäblich Pflanzen im Schatten sitzen.

Arabidopsis lyrata. © Fritzflohrreynolds. CC BY-SA 3.0.

Doch wie bei uns Menschen belebt auch in der Tier- und Pflanzenwelt Konkurrenz das Geschäft. Um mit den Fittesten mithalten zu können müssen auch die anderen Pflanzen, die mit ihnen im Wettbewerb stehen neue Möglichkeiten entwickeln, um gedeihen zu können. Doch wie kann man dies am Besten anstellen, ohne die bereits vorhandenen Fähigkeiten zu verlieren? Idealerweise sollte man hierzu ein paar Gene zur Verfügung haben, mit denen man „rumspielen“ kann, ohne die alten Funktionen zu gefährden. Erlangen kann man diese Spielwiese am einfachsten, indem man sein gesamtes Genom verdoppelt, zumindest als Pflanze. Denn viele Pflanzen verfügen über multiple Chromosomensätze, ohne dadurch irgendwelche Probleme zu entwickeln. So haben sie einen Chromosomensatz für das Spiel des Zufalls gewonnen, in dem die Gene frei mutieren und so gewaltige Veränderungen durchlaufen können.

Hartweizen ist eine Kreuzung aus zwei verschiedenen wild vorkommenden Weizensorten. Er ist nach Brotweizen am weitesten verbreitet. © MarkusHagenlocher. CC BY-SA 3.0

Viele Wild- und Kulturpflanzen sind aus solch einer Verschmelzung von zwei verschiedenen Arten hervorgegangen. Aufgrund des Heterosis-Effekts sind solche Hybride oft wesentlich fitter, als ihre Elternarten. Daher macht man sich diesen Effekt gerne bei der Pflanzenzüchtung zunutze. Schon vor 50 Jahren postulierten Evolutionsbiologen, dass dieser Mechanismus die Evolution vorantreibt und für die Entwicklung neuer Arten sorgt. Doch bisher ließ sich die Hypothese aufgrund der Größe und Komplexität solcher Genome nur schwer nachweisen.

Nun gelang es Forschern jedoch dieses Phänomen am Beispiel der Schaumkresse (Arabidopsis), einem beliebten Modellorganismus der Biologen, nachzuweisen. Hierzu sequenzierten sie das Genom von 25 verschiedenen Individuen der Pflanzenart Arabidopsis kamchatica aus unterschiedlichen Regionen der Welt, sowie 18 verschiedene Individuen der Elternarten. Auf diese Weise gewannen sie einen Überblick über die genetische Variationsbreite dieser Art.

Arabidopsis kamchatica ging vor 65 000 bis 145 000 Jahren aus einer natürlichen Hybridisierung der beiden Elternarten Arabidopsis halleri und Arabidopsis lyrata hervor. Mit 450 Millionen Basenpaaren ist ihr Genom für eine polyploide Pflanze eher klein, aber dafür umso komplexer. Mit Hilfe modernster Sequenzierungsmethoden und bioinformatischer Datenauswertung konnten die Forscher die Gensequenzen der einzelnen Pflanzen bestimmen.

Anhand der Ergebnisse konnten die Forscher zeigen, dass A. kamchatica dank der multiplen Kopien ihrer Gene über ein größeres genetische Repertoire verfügt. So gelingt es ihr besser sich an die stets wechselnden Umweltbedingungen anzupassen. Es zahlt sich also aus gleichzeitig eine ursprüngliche Kopie wichtiger Gene beizubehalten, während sich in den überschüssigen Kopien vorteilhafte Mutationen ansammeln.

Den Vorteil einer solchen Verschmelzung zweier Arten beweist die weite Verbreitung von A. kamchatica. Durch ihre Anpassungsfähigkeit gelang es ihr einen wesentlich größeren Lebensraum zu erobern, als ihre Elternarten, sowohl hinsichtlich der Breitengrade als auch der Höhenlagen. Sie behauptet sich in einem Gebiet von Taiwan, Japan über Fernost-Russland bis hin nach Alaska und dem pazifischen Nordwesten der USA.

Der Teichfrosch ist ein Hybrid aus Seefrosch und kleinem Wasserfrosch. © Sebaho. CC BY-SA 3.0.

Doch Hybride gibt es nicht nur bei Pflanzen, sonder auch bei Tieren. So werden bei Vögeln bisher 4000 Hybride vermutet, die auf eine Artverschmelzung zurückgehen. Davon entstanden rund 2000 in Gefangenschaft. Doch die tatsächliche Zahl solcher Artkombinationen ist vermutlich weit größer, da sich Hybride nur schwer nachweisen lassen. Ein Beispiel für mögliche Hybride sind die Spatelraubmöwe (Stercorarius pomarinus) und der Italiensperling (Passer italiae). Oder aber der Kaiserfasan, der nachweislich ein seltener Hybride zwischen Edwards- und Silberfasan ist. Der Teichfrosch (Pelophylax „esculentus“) ist ein Hybrid aus dem Seefrosch (Pelophylax ridibundus) und dem Kleinen Wasserfrosch (Pelophylax lessonae). Er kann sich in der Natur behaupten und fortpflanzen. Wisente sind wegen ihrer mitochondrialen DNA enger mit Vertretern der Gattung Bos verwandt, als mit dem amerikanischen Bison und dem Yak. Daher könnten sie eine Hybridspezies darstellen. Dann müssten sich Bisonbullen immer wieder mit Auerochsen oder verwandten Rindern gepaart und so das Wisent hervorgebracht haben. Der amerikanische Coywolf geht auf eine Kreuzung zwischen Wolf und Kojote zurück.

Wolphin, eine sehr seltene Kreuzung eines Großen Tümmlers (Tursiops truncatus) mit einem Kleinen Schwertwal (Pseudorca crassidens). © Mark Interran. CC BY-SA 2.0.

Und selbst beim Menschen kam es wohl zu einer Vermischung der Arten, sowohl zwischen Homo sapiens und dem Neandertaler, sowie zwischen dem Denisova-Mensch und dem Neandertaler, als auch zwischen dem Denisova-Mensch und dem Homo sapiens. So verdanken wir modernen Menschen etwa unser starkes angeborenes Immunsystem dem Neandertaler.

Generell gilt, je ingezüchteter eine Population von Lebewesen ist, desto stärker kommen krankheitserregende Mutationen zum tragen. Das ist etwa bei vielen unserer Haustiere der Fall. Das machen sich Forscher im LUPA-Projekt zunutze, indem sie anhand von DNA-Proben von Hunden, die an Erbkrankheiten leiden Gene identifizieren, die auch bei uns Menschen für genetische Krankheiten verantwortlich sind. Doch es gibt auch menschliche Populationen, die nur eine geringe genetische Vielfalt aufweisen und deshalb vermehrt unter Erberkrankungen leiden. Das gilt etwa für die Skandinavier, die aufgrund ihrer geographischen Isolation genetisch homogener sind als andere Populationen. Den gleichen Effekt findet man aber auch bei Gruppen, die sich wegen ihres besonderen Lebesstils und ihrer Religion von anderen Populationen abschotten, wie den Amish People, den Menoniten und den Hutteriten in den USA, sowie manchen streng religiösen jüdischen Gruppen.

Umgekehrt sind Kinder von Eltern, die weniger nahe miteinander verwandt sind größer und intelligenter. Das hat eine Studie mit 354,224 Probanden ergeben. Auf diesem Effekt beruht auch die Tatsache, dass seit die Menschheit sich aufgrund der erleichterten Migration in der modernen Welt mehr vermischt, die Menschen größer und auch schlauer geworden sind. Und dies ist auch das Erfolgsgeheimnis großer integrativer Nationen, in denen es immer wieder zu einer massiven Einwanderung und Vermischung von Menschen aus verschiedensten Ländern kommt: Es beruht nicht zuletzt auch auf ihrer genetischen Vielfalt. Eindrucksvolle Beispiele hierfür sind unter anderem die USA und Deutschland, aber auch Israel, in dem es zu einer Vermischung verschiedener jüdischer Populationen aus aller Welt kam. Aufgrund seiner geographischen Lage war Deutschland schon immer ein Land in der Mitte Europas, wo verschiedenste Völker vorbei kamen, die sich dort niederließen und vermischten.

von Ute Keck, 26.09.2018

Originalpublikation:

Timothy Paape, Roman V. Briskine, Gwyneth Halstead-Nussloch, Heidi E.L. Lischer, Rie Shimizu-Inatsugi, Masaomi Hatakeyama, Kenta Tanaka, Tomoaki Nishiyama, Renat Sabirov, Jun Sese, and Kentaro K. Shimizu. Patterns of polymorphism and selection in the subgenomes of the allopolyploid Arabidopsis kamchatica. Nature Communications. September 25, 2018. DOI: 10.1038/s41467-018-06108-1

Joshi, PK et al. Directional dominance on stature and cognition in diverse human populations. Nature. 2015 Jul 23;523(7561):459-462. doi: 10.1038/nature14618. Epub 2015 Jul 1.

Diverse parental genes lead to taller, smarter children, finds extensive study

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