Wissenschaftler haben einen bisher unbekannten Mechanismus der Infektionsabwehr entdeckt. Dabei bunkern Zellen des Immunsystems Eisen, um Krankheitserreger auszuhungern. Die neuen Erkenntnisse könnten dabei helfen, die Behandlung der Blutarmut bei chronischen Infektionen zu verbessern.
Chronische Infektionen, wie sie oft bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem auftreten, führen indirekt auch zu einem Mangel an Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff. Die Betroffenen leiden dann unter einer Anämie. Nun haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) bei Mäusen einen Signalweg entdeckt, der bei der Entstehung der Blutarmut eine wichtige Rolle spielt. Sobald dieser Mechanismus in bestimmten Zellen des Immunsystems aktiviert wird, bunkern sie sofort alles Eisen, dessen sie habhaft werden können. Was ursprünglich dazu dienen soll, die Krankheitserreger auszuhungern, kann jedoch langfristig auch dem eigenen Körper schaden. Denn das Eisen steht dann nicht mehr für die Bildung des roten Blutfarbstoffes zur Verfügung. Die neuen Erkenntnisse über diesen bisher unbekannten Signalweg sollen nun dabei helfen die Blutarmut, die oft mit chronischen Infektionskrankheiten einher geht, zu behandeln.
Bei der Bekämpfung von krankheitserregenden Bakterien setzt der Körper nicht nur auf den direkten Angriff durch Abwehrzellen seines Immunsystems. Sondern er entzieht den Eindringlingen auch gleichzeitig den lebenswichtigen Nährstoff Eisen. Bei Säugetieren übernehmen diese wichtige Aufgabe etwa die Makrophagen, das sind die Fresszellen des Immunsystems. Sie phagozytieren, verschlingen, beschädigte rote Blutkörperchen und zerlegen sie in ihre Bestandteile. Unter normalen Bedingungen geben sie anschließend das im roten Blutfarbstoff enthaltene Eisen zum Recycling wieder an das Blut ab. Liegt jedoch eine Infektion vor, so halten sie das Eisen in ihrem Inneren zurück, um es den Krankheitserregern vorzuenthalten. Dazu senken sie die Zahl der Ferroportin Proteine in ihrer Zellmembran. Ferroportin ist ein Eisen-Transporter, der Eisen aus der Zellen heraus transportiert. Wenn die Zellen weniger Transporter besitzen wird folglich auch weniger Eisen aus der Zelle ins Blut abgegeben.
Neu entdeckter Signalweg wird über das angeborene Abwehrsystem aktiviert
Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass ein Zurückhalten von Eisen nur durch das Hormon Hepcidin veranlasst werden kann. Es bindet an das Membranprotein Ferroportin und sorgt dadurch für dessen Abbau. Dann können die Zellen kein Eisen mehr an das Eisen-Transportprotein Transferrin im Blut abgeben, so dass schließlich die Menge des verfügbaren Eisens im Körper absinkt. Der Signalweg, den die Forscher nun entdeckt haben ist jedoch von Hepcidin unabhängig. Er wird über einen Aktivierungsmechanismus des angeborenen Abwehrsystems, die Toll-like Rezeptoren (TLRs) aktiviert. Die beiden Proteine TLR2 und TLR6 spielen dabei eine Schlüsselrolle. Es handelt sich dabei um Rezeptoren, die typische Strukturen von verschiedensten Krankheitserregern, wie Bakterien, Pilzen und Viren erkennen. Auch sie setzen eine Kettenreaktion in Gang, die zum Abbau von Ferroportin führt. Zur Zeit ist das Forscherteam gerade dabei zu untersuchen, wie diese Kettenreaktion im Detail abläuft.
Bisher beschränkte man sich bei der Suche nach neuen Therapien zur Behandlung einer Anämie als Begleiterscheinung einer chronischen Erkrankungen hauptsächlich auf Hepcidin. Dabei ist der Hepcidin-Spiegel durchaus nicht bei allen Patienten erhöht. Die neuen Forschungsergebnisse bieten nun einen alternativen Ansatz.
Bisher wissen die Forscher noch nicht, warum derselbe Schutzmechanismus zur Eiseneinlagerung in Makrophagen über zwei verschiedene Wege aktiviert wird. Es könne sich dabei um eine doppelte Absicherung oder um Reaktionen auf verschiedene Krankheitserreger handeln. Oder eine Aktivierung über das angeborene Abwehrsystem ist dazu in der Lage eine sofortige Reaktion vor Ort einzuleiten, wo die Eindringlinge das erste Mal wahrgenommen wurden, während der Hepcidin-Signalweg erst später einsetzt und körperweit wirkt. Erst wenn die Forscher die Zusammenhänge richtig verstanden haben, werden sie gezielt eingreifen können, um eine Anämie zu bekämpfen.
Universitätsklinikum Heidelberg, 06.02.2015
Originalpublikation:
Guida, C., Altamura, S. Klein, F.A., Galy, B., Boutros, M., Ulmer, A.J., Hentze, M.W. & Muckenthaler, M.U. A novel inflammatory pathway mediating rapid hepcidin-independent hypoferremia. Blood, online veröffentlicht am 6. Februar 2015. DOI: 10.1182/blood-2014-08-595256.