Schimpansen rufen Gruppenmitglieder zum gemeinsamen Mahl

Ein Schimpanse beim Verspeisen einer Nauclea-Frucht. © Ammie Kalan

Ein
Schimpanse beim Verspeisen einer Nauclea-Frucht. © Ammie Kalan

Schimpansen modifizieren ihre Futterrufe, um anderen Gruppenmitgliedern mitzuteilen, welche Menge an Futter sie unter besonders beliebten Obstbäumen gefunden haben.

Aus Beobachtungen an in Gefangenschaft lebenden Schimpansen weiß man, dass die Tiere Futterrufe benutzen. Wie unsere nächsten Verwandten Futterrufe in ihrer sehr viel komplexeren, natürlichen Umgebung zur Kommunikation einsetzen war bisher jedoch unbekannt. Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben nun den Futterruf bei freilebenden Schimpansen genauer untersucht. Er wird nur während der Nahrungsaufnahme geäußert und richtet sich an andere Gruppenmitglieder.

„Wir haben die Futterrufe von neun erwachsenen, frei lebenden Schimpansen – Männchen und Weibchen – aufgezeichnet und Informationen zur Art und Größe des Baumes und der Menge der dort vorhandenen Früchte dokumentiert“, sagt Ammie Kalan. Dazu folgten die Forscher den Schimpansen, die im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste leben, ganztägig. „Mithilfe statistischer Analysen konnten wir zeigen, dass die Futterrufe der Schimpansen bei Fruchtbäumen der Art Nauclea diderichi eine andere Frequenz aufwiesen, als bei vier anderen Obstbaumarten. Außerdem unterschied sich, abhängig von der Größe des Nauclea-Baumes, die Tonhöhe der Rufe“, sagt Kalan.

Erstautorin Ammie Kalan beim Aufnehmen der Schimpansenvokalisationen im Taï-Wald. © Ammie Kalan

Erstautorin Ammie Kalan beim
Aufnehmen der Schimpansenvokalisationen im Taï-Wald.
© Ammie Kalan

„Unsere Studie zeigt erstmalig, dass sich die Rufe von Schimpansen in ihrer akustischen Struktur stark unterscheiden können, abhängig davon, auf welche natürlich vorkommende Nahrungsquelle und deren jeweilige Eigenschaften sie sich beziehen“, sagt Kalan. Wie bei alle fünf in dieser Studie untersuchten Fruchtarten fressen die Schimpansen die auf den Boden gefallenen Früchte. Je größer die Baumkrone eines Futterbaumes ist, desto größer ist auch die Fläche auf der sich die reifen Früchte verteilen, wenn sie vom Baum fallen. Schimpansen, die auf eine solche Futterquelle stoßen teilen ihren Artgenossen durch die unterschiedliche Tonhöhe ihrer Futterrufe mit, wie groß die von ihnen entdeckte Futterfläche ist. Wenn die Fläche groß genug ist, schließen sich ihnen weitere Gruppenmitglieder zum gemeinsamen Fressen an. „Wenn der erste Ruf eine tiefere Tonhöhe aufwies, signalisierte das den Tieren
offensichtlich, dass es sich um eine große Futterfläche handelte. Tatsächlich wurden dadurch mehr Tiere angezogen, die an der Mahlzeit teilnahmen“, sagt Kalan.

Von früheren Studien weiß man, dass Schimpansen über ein gutes räumliches Gedächtnis verfügen und wissen, wo in ihrem Territorium welche Bäume stehen. Es ist daher nicht überraschend, dass sie ihre Artgenossen durch ihre Futterrufe nicht immer über Art der Früchte, sondern eher über die Größe der Futterfläche informieren. Als nächstes wollen die Forscher jedoch noch weitere Fruchtarten in ihre Beobachtungen einbeziehen, da die Nauclea-Früchte besonders engergiereich sind und während des Beobachtungszeitraums den Schimpansen die längste Zeit als Futter dienten. Sie könnten bei den Schimpansen besonders beliebt sein. Untersuchungen zu weiteren Fruchtarten, die von den Tieren ähnlich geschätzt werden, sollen zeigen, ob die Schimpansen ihre Rufe dort ebenfalls an die vorgefundene Futtermenge anpassen. „Es wäre auch interessant ähnliche Studien in anderen Populationen durchzuführen. Das würde zeigen, ob dieses Verhalten nur für diese Gruppe von Schimpansen typisch ist oder ob es sich dabei um ein vokales Phänomen bei Schimpansen im Allgemeinen handelt“, sagt Kalan.

„Diese Studie zeigt, dass die ökologische Komplexität des Lebensraumes die treibende Kraft für eine an den jeweiligen Kontext angepasste vokale Kommunikation bei Tieren ist, wie auch möglicherweise für die Ursprünge von Sprache bei unseren eigenen hominoiden Vorfahren“,
sagt Christophe Boesch.

Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, 14.01.2015

 

Originalpublikation:

Ammie K. Kalan, Roger Mundry, and Christophe Boesch. Wild chimpanzees modify food call structure with respect to tree size for a particular fruit species. Animal Behaviour, January 2015. doi: 10.1016/j.anbehav.2014.12.011

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