Wer war Homo naledi?

Knochenfunde von Homo naledi. © Paul H. G. M. Dirks et al. CC BY 4.0.

Knochenfunde von Homo naledi. © Paul H. G. M. Dirks et al. eLife 2015;4:e09560. CC BY 4.0.

Forscher wollen in einer schwer zugänglichen Höhle in Südafrika eine neue Menschenart entdeckt haben. Wenn sich diese Annahme bewahrheiten sollte könnte der Fund zu neuen Erkenntnissen über unseren Ursprung und die Diversität unserer Gattung beitragen. Den Forschern zufolge könnte Homo naledi die Körper seiner Verstorbenen bewusst in einer abgelegenen Höhlenkammer deponiert haben. Sollte sich diese Vermutung bestätigen käme sie einer Sensation gleich. Denn bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass nur moderne Menschen ihre Toten bestattet haben.

Bei dem bisher größten zusammengehörigen Fund fossiler menschlicher Überreste auf dem afrikanischen Kontinent hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Lee Berger von der University of the Witwatersrand in Johannesburg in Südafrika mehr als 1.550 Fossile Knochen geborgen. Sie wurden 2013 in der Höhle Rising Star („Aufgehender Stern“) im Nordwesten von Johannesburg in Südafrika entdeckt. Die menschlichen Überreste waren in einer Kammer verborgen, die etwa 90 Meter vom Höhleneingang entfernt liegt und nur über eine 20 cm breite Rinne zugänglich ist. Deshalb musste ein Forscherteam aus besonders schlanken Personen mit der Bergung beauftragt werden.

© Paul H. G. M. Dirks et al. CC BY 4.0.

© Paul H. G. M. Dirks et al. eLife 2015;4:e09560 CC BY 4.0.

Bisher konnten die Überreste von mindestens 15 Personen geborgen werden, die vermutlich der selben Art angehören. Doch das ist wahrscheinlich nur ein Bruchteil der Fossilien, die sich in der Kammer befinden. So liegen den Forschern nun fast alle Knochen des Körpers mehrfach vor. Damit können sie Homo naledi besser charakterisieren, als alle anderen ausgestorbenen Homininen. Die Forscher fanden die Knochen von Individuen aller Altersklassen: vom Kleinkind über Kinder und Erwachsene bis hin zu alten Individuen. Die fossilen Überreste befanden sich in einer tief gelegenen Kammer, die das Forscherteam Dinaledi-Kammer, der Sesotho-Bezeichnung für „Kammer der Sterne“ nannte. In diesem entlegenen Raum fanden sie fast nur Knochen von Homo naledi. Daneben gab es nur etwa ein Dutzend Knochen von Mäusen und Vögeln, die vermutlich zufällig in die Kammer geraten sind. Die Knochen weisen keine Spuren von Aasfressern oder Raubtieren auf.

Hand von Homo naledi. © Paul H. G. M. Dirks et al. CC BY 4.0.

Hand von Homo naledi. © Paul H. G. M. Dirks et al. eLife 2015;4:e09560. CC BY 4.0.

Homo naledi wurde nach der Rising Star-Höhle benannt, in der er gefunden wurde. „naledi“ bedeutet „Stern“ auf Sosotho, einer in der Region gesprochenen Sprache. Homo naledi weist zum einen Merkmale auf, die an Australopithecus erinnern, wie etwa sein sehr kleiner Schädel, der nur ein Volumen von 560 cm³ aufweist. Damit ist sein Gehirn nicht wesentlich größer, als das eines Schimpansen mit ca. 400 cm³, jedoch weit von unseren Dimensionen mit 1400 cm³ entfernt. Die Schädelform soll zwar einzigartig sein, aber am ehesten der von frühen Menschenarten wie Homo rudolfensis, Homo habilis und Homo erectus vergleichbar sein. Zum anderen ähnelt Homo naledi mit seinem rund 1,50 Meter großen und etwa 45 Kilogramm schweren, sehr grazilen Körper kleinwüchsigen Pupolationen der Gattung Homo. Die Zähne machen einen eher urtümlichen Eindruck. So sind die vorderen, unteren Backenzähne etwa mehrwurzeling. Gleichzeitig sind sie jedoch kleiner als die von Homo rudolfensis, Homo habilis und Homo erectus. Sowohl die Hand als auch das  Handgelenk von Homo naledi weisen im Vergleich zu älteren Fossilien der Homininen Veränderungen auf, die einen Werkzeuggebrauch denkbar erscheinen lassen. Gleichzeitig sind allerdings die Fingerknochen stärker gebogen, als bei den meisten frühen Homininen und die Daumenknochen sind so verbreitert, dass die Hände auch noch gut zum Klettern geeignet sind. Die langen Beine und die Füße von Homo naledi sind dagegen recht menschenähnlich und kaum von unseren zu unterschieden. Damit konnte er vermutlich lange Strecken im aufrechten Gang zurücklegen. Im Gegensatz dazu sind Brustkorb, Schultern, Becken und das zum Kniegelenk gerichtete Ende des Oberschenkelknochens eher affenähnlich, etwa wie bei Australopithecus afarensis. Diese Kombination von verschiedenen Eigenschaften unterscheidet Homo naledi von alle bisher bekannten Homininen.

Da die Knochen der 15 Individuen in der abgelegenen Kammer einer zumindest heute nur schwer zugänglichen Höhle entdeckt wurden, mutmaßen die Forscher, die Toten seinen dort möglicherweise bewusst von ihren Angehörigen abgelegt worden. Ob diese Vermutung stimmt oder ob es andere Erklärungen gibt, wie die Knochen in die Höhle gelangten ist aber noch völlig unklar. Bisher gingen Forscher davon aus, dass nur Homo sapiens und Neandertaler Bestattungsriten praktizierten.

Fuß von Homo naledi, © Paul H. G. M. Dirks et al. CC BY 4.0.

Fuß von Homo naledi, © Paul H. G. M. Dirks et al. eLife 2015;4:e09560. CC BY 4.0

Aufgrund der gewaltigen Zahl an geborgenen Fossilien lud Berger im Mai 2014 50 Forscher, darunter auch 35 Nachwuchswissenschaftler,  zu einem Workshops ein, um die Funde gemeinsam zu analysieren. Eine ungewöhnliche Vorgehensweise, die bei den beteiligten gut ankam.

Es gibt jedoch auch kritische Stimmen über das bisherige Vorgehen bei der Erforschung der fossilen Überreste aus der Dinaledi-Kammer. So wurde etwa die Zuordnung der Knochen zu einer neuen Homininenspezies bereits kurz nach der Veröffentlichung von mehreren Wissenschaftlern als voreilig kritisiert. Der Schweizer Anthropologe Christoph Zollikofer wandte etwa ein viele Charakteristika der angeblich neuen Art seinen bereits bei anderen Arten beschrieben. Daher brauche man keine neue Art einzuführen, um die neuen Funde einzuordnen.  Tim White und William Jungers erklärten, sollte sich das vermutete Alter von etwa 1,5 Millionen Jahren bestätigen, könnte es sich auch um eine frühe südafrikanische Variante des Homo erectus handeln. Und Chris Stringer wunderte sich in einem Begleitartikel zur Erstbeschreibung in eLife darüber, dass Bergers Team bisher immer noch keine Altersbestimmung der Fossilien durchgeführt hat. Darüber hinaus ähnelte seiner Meinung nach das Material am stärksten den kleinwüchsigen Individuen von Homo erectus aus Dmanissi in Georgien, die auf ein Alter von 1,8 Millionen Jahren datiert wurden. Der US-amerikanische Paläoanthropologe Jeffrey H. Schwartz wird dagegen in einem Nature-Artikel, mit dem Einwand zitiert die einzelnen Fundstücke seien so unterschiedlich, dass sie möglicherweise auch von zwei verschiedenen Arten stammen könnten.

von Ute Keck

Originalpublikation:

L. R. Berger et al. Homo naledi, a new species of the genus Homo from the Dinaledi Chamber, South Africa. eLIFE; 10 September, 2015 DOI: 10.7554/eLife.09560

Chris Stringer. The many mysteries of Homo naledi
DOI: http://dx.doi.org/10.7554/eLife.10627. Published September 10, 2015 Cite as eLife 2015;4:e10627

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