Die Unstatistik des Monats Oktober ist eine Fortsetzung der Unstatistik aus dem August 2017. Damals hatten verschiedene Medien gemeldet, dass 80 Prozent der Insekten in Deutschland verschwunden seien: In zwei Fallen in einem Naturschutzgebiet nahe Krefeld hatte man 1989 etwas mehr als ein Kilo Flug-Insekten gefangen, 2013, also 24 Jahre später, 80 Prozent weniger. Natürlich darf man aus einer lokalen Stichprobe vom Umfang zwei keine Schlüsse auf ganz Deutschland ziehen (siehe die Unstatistik August 2017).
Im Oktober ging dieses Thema aufgrund einer größeren Stichprobe nochmals durch die Medien (unter anderem im Tagesspiegel, im Deutschlandfunk, in der Weltund in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung). Dort wird über eine Studie berichtet, die auf Daten von 63 Insektenfallen zurückgreift, die der Krefelder Verein zwischen 1989 bis 2016 aufgestellt hatte. Nach diesen 27 Jahren hatte man 76 Prozent weniger Insekten-Biomasse in den Fallen. Jedoch war keine einzige dieser 63 Fallen über den gesamten Zeitraum an einem Ort aufgestellt. Stattdessen – wie die Autoren der Studie selbstkritisch anmerken – wechselten viele Standorte von Jahr zu Jahr. An den meisten Standorten wurde keine einzige Wiederholungsmessung durchgeführt.
Genauso wichtig für die Bewertung der „76 Prozent“ ist aber auch ein allgemeines Prinzip des kritischen Denkens: Jede berichtete Abnahme zwischen zwei Zeitpunkten hängt davon ab, welchen Anfangszeitpunkt man wählt. Dies gilt besonders bei drastisch schwankenden Werten, wie bei Börsenkursen und Biomassen von Insekten. Hätte man das Jahr 1991 statt 1989 als Anfangspunkt gewählt, dann wären es statt 76 Prozent weniger Insekten nur etwa 30 Prozent weniger gewesen. Das ist immer noch ein Anlass zum Nachdenken über die Ursachen – eine Frage, worauf die Studie keine Antwort findet. Es ist aber auch ein Anlass darüber nachzudenken, warum man immer wieder versucht, uns mit möglichst erschreckenden Zahlen Panik zu machen.
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 27. Oktober 2017