Kooperation ist ansteckend

Frauen der Hadzabe. © Idobi. CC BY-SA 3.0.

Ohne Kooperation sind unsere modernen Gesellschaften nicht denkbar. Viele von uns spenden für Menschen, die wir gar nicht kennen. Aber auch unsere Sozialversicherungssysteme beruhen auf Kooperation. Da diese Verhaltensweise für unser Zusammenleben so essentiell ist, untersuchen Forscher seit Jahren, wie sich die menschliche Kooperation im Laufe der Evolution herausgebildet hat. Bisher ließen Laborversuche vermuten, dass die meisten von uns eine gleichbleibende Kooperationsbereitschaft zeigen, die folglich angeboren sein könnte. Doch eine neue Studie zum Kooperationsverhalten einer der letzten Jäger und Sammler Völker, der Hadza, legt nun nahe, dass wir unser Verhalten an die Gruppe anpassen, mit der wir gerade zusammen leben.

Die Hadza leben seit Jahrtausenden als Jäger und Sammler in Tansania. Aus ihrem Volk gingen vermutlich alle Menschen hervor, die von Afrika ausgehend die Welt besiedelten. Wie die meisten Jäger und Sammler leben sie in Gruppen mit wechselnder Zusammensetzung, die immer wieder an anderen Orten für eine begrenzte Zeit ihr Lager aufschlagen. Das führt dazu, dass die Mitglieder eines Lagers meist keine engen verwandtschaftlichen Beziehungen haben. Diese Form des Zusammenlebens stellt eine Urform unserer menschlichen Gesellschaft dar. Ideale Voraussetzungen, um die menschliche Kooperation unter realen Bedingungen zu untersuchen.

Ein Forscherteam besuchte über einen Zeitraum von sechs Jahren 56 verschiedene Lager der Hadza. In einem solchen Lager leben bis zu 30 Menschen zusammen. Im Verlauf dieser Besuche baten die Forscher 400 verschiedene Gruppenmitglieder unterschiedlichen Alters an einem Öffentliche-Güter-Spiel teilzunehmen. Bei einem solchen Spiel entscheidet jeder Einzelne für sich selbst, wie viel von seiner Anfangsausstattung er einem öffentlichen Topf (öffentliches Gut) zur Verfügung stellen möchte. Am Ende des Spiels wird der Inhalt des Topfes vervielfacht und gleichmäßig an alle Spieler verteilt. Es erhalten also auch solche Spieler ihren Anteil aus dem gemeinsamen Topf, die zu seiner Bereitstellung nichts beigetragen haben. Der Spielgewinn jedes einzelnen ergibt sich aus der Summe der öffentlichen Auszahlung plus der selbst einbehaltenen Anfangsausstattung.

Hadzamänner beim Bogenschießen © Idobi. CC BY-SA 3.0.

Normalerweise wird dieses Spiele mit Geld gespielt. Doch da bei den Hadza der Gütertausch noch weiter verbreitet ist spielten sie mit Honigwaben, die sie besonders gerne mögen. Jede Person bekam vier Honigwaben als Anfangsausstattung. Sie konnten diese für sich selbst behalten oder sie in den öffentlichen Topf geben. Zu jeder Honigwabe, die in den öffentlichen Topf gelegt wurde kamen zwei weitere hinzu.

Da die Hadza als Jäger und Sammler auf Kooperation angewiesen sind, waren sie bereit zu teilen. Doch zwischen den einzelnen Gruppen entdeckten die Forscher deutliche Unterschiede. So waren die Menschen in einer Gruppe wesentlich spendabler als in einer anderen. Bei einer zufälligen Zusammensetzung der Gruppen würde man jedoch erwarten, dass alle Gruppen im Schnitt gleich kooperativ sind. Doch zur Überraschung der Forscher zeigte sich, dass einzelne Individuen, deren Verhalten die Forscher zu verschiedenen Zeitpunkten erfasst hatten, ihre Spendierfreudigkeit an das Verhalten der Gruppe anpassten, mit der sie gerade zusammen lebten. Demnach ist die selbe Person nicht immer gleich kooperationsbereit, sonder passt ihr Verhalten an ihre Umgebung an.

Es gibt also keine „guten“ und „schlechten“ Kooperierer, wie sie manche Evolutionsmodelle vorschlagen, nach denen es zwei Typen von Menschen gibt: die Kooperationsbereiten und die Betrüger, deren Verhalten hart verdrahtet ist. Vielmehr zeigt das Ergebnis, dass wir Menschen immer flexibel auf unsere Umgebung reagieren. Kooperation kann regelrecht ansteckend sein, wenn alle Beteiligten erst einmal ihre Vorteile entdeckt haben. Etwa wie bei einer Arbeitsgruppe, bei der einer beginnt, für alle hin und wieder Obst oder andere Leckereien mitzubringen. Mit der Zeit werden sich dann imm ermehr Gruppenmitglieder spendabel zeigen und selbst etwas dazu beisteuern. Und langfristig fördert es auch noch den Teamgeist.

von Ute Keck, 21.09.2018

Originalpublikation:

Kristopher M. Smith, Tomás Larroucau, Ibrahim A. Mabulla, Coren L. Apicella. Hunter-Gatherers Maintain Assortativity in Cooperation despite High Levels of Residential Change and Mixing. Current Biology, 2018; DOI: 10.1016/j.cub.2018.07.064

 

 

 

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