Neues Antibiotikum gegen gram-positive Bakterien attakiert Harnisch der Bakterien an zwei Angriffspunkten gleichzeitig

Staphylococcus aureus. © public domain.

Staphylococcus aureus. © public domain.

Die antibiotischen Waffen der Medizin werden immer stumpfer. Ein bakterieller Krankheitserreger nach dem anderen entwickelt Resistenzen gegen gängige Medikamente. Weltweit suchen Forscher deshalb nach neuartigen Antibiotika. Ein Wissenschaftlerteam entdeckte nun das Bodenbakterium Eleftheria terrae, das den Wirkstoff Teixobactin produziert. Die Wissenschaftler sehen darin ein vielversprechendes Antibiotikum, das gegen eine Vielzahl gram-positiver Krankheitserregern wirkt und nach ersten Tests keine Resistenzen verursacht.

„Wir könnten in eine Vor-Antibiotika-Ära zurück fallen, in der ohne neue Wirkstoffe bakterielle Infektionen nicht behandelbar sind. Die Resistenzen entwickeln sich deutlich schneller, als neue Antibiotika auf den Markt kommen“, sagt Tanja Schneider. Sie leitet eine Nachwuchsgruppe des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn. Allein an Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) sterben pro Jahr weltweit schätzungsweise ungefähr 25.000 Menschen.

Pilze und Bakterien produzieren Hemmstoffe, um sich gegenüber anderen Mikroorganismen in ihrer Umgebung einen Vorteil zu verschaffen – darunter können neuartige Antibiotika sein. Auf der Suche nach solchen neuen, bisher unbekannten, Antibiotika-produzierenden Organismen durchkämmen Wissenschaftler Ozeansedimente, Böden und sogar Tierexkremente. „Die Suche ist mühsam, denn die Erfolgsquote, einen wirklich neuen Wirkstoff zu finden, ist äußerst gering“, berichtet Schneider.

Forscher isolierten unbekannte Mikroorganismen aus dem Boden

Darüber hinaus lassen sich nur etwa ein Prozent der, für eine Suche nach Antibiotika in Frage kommenden, Bakterien und Pilze auf herkömmlichen Nährmedien kultivieren. Das Team um Schneider und ihre internationalen Kollegen sind nun auf diese Terra incognita vorgedrungen: Mit einem speziellen Kultivierungsverfahren gelang es ihnen, bislang unerforschte und unkultivierbare Bodenbakterien, mit Hilfe ihres natürlichen Substrats im Labor zu isolieren.

Mit Screening-Verfahren fanden die Forscher die gesuchte Nadel im Heuhaufen: Eines der unbekannten Bakterien produziert eine Substanz, die sich gegen ein weites Spektrum häufiger gram-positiver Erreger als sehr wirksam erwies. Die Wissenschaftler nannten das Bakterium Eleftheria terrae und das von ihm produzierte Antibiotikum Teixobactin. Weitere Tests lassen vermuten, dass es absehbar keine Resistenzen verursacht. Selbst nach 27-tägiger Kultivierung in einem Nährmedium mit einer nicht tödlichen Dosis des Wirkstoffs entwickelten weder Staphylococcus aureus noch Mycobacterium tuberculosis Resistenzen.  „Es handelt sich um einen hochinteressanten Wirkstoff“, sagt Schneider.

Angriff an der Achillesferse der Erreger

Die Wissenschaftler des Universitätsklinikums Bonn entschlüsselten nun den Wirkmechanismus des neuen Bakterienhemmstoffs. „Teixobactin setzt an der Achillesferse vieler Krankheitserreger an: Es hemmt die Synthese der Bakterienzellwand“, berichtet Doktorandin Ina Engels.

Auch andere Antibiotika, wie zum Beispiel Vancomycin, verhindern den Aufbau der Bakterienwand. Allerdings blockieren diese Wirkstoffe die Synthese der schützenden Umhüllung an nur einem Angriffspunkt – das trifft die Bakterien wie eine einzelne Gewehrkugel. Teixobactin greift dagegen den Harnisch der Bakterien an zwei Punkten gleichzeitig an. Die bisher bekannten Hemmstoffen binden an Proteinbausteine der Zellwand, die das Bakterium leicht durch Mutationen verändern kann. Teixobactin dagegen blockiert stark konservierte Motive zweier Fettmoleküle, die als Vorläufer der Zellwandsynthese dienen. Das erklärt auch, weshalb das neuartige Antibiotikum vermutlich keine Resistenzen verursacht: „Teixobactin greift an vielen entscheidenden Stellen in den Aufbau der Zellwand an und macht bakterielle Anpassungsstrategien nahezu unmöglich“, erklärt Schneider.

Bisher hat sich der neue Wirkstoff als hoch effektiv erwiesen. Nun muss geklärt werden, ob er sich auch beim Menschen einsetzen lässt. Erste Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass Teixobactin ein vielversprechender Kandidat ist. „Antibiotika mit neuem Wirkmechanismus sind ein Durchbruch für die Forschung“, sagt Schneider. Doch die Verträglichkeit und Wirksamkeit beim Menschen muss für Teixobactin erst noch in klinischen Tests erwiesen werden.

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 08.01.2015

 

Originalpublikation:

Ling LL, Schneider T, Peoples AJ, Spoering AL, Engels I, Conlon BP, Mueller A, Schäberle TF, Hughes DE, Epstein S, Jones M, Lazarides L, Steadman VA, Cohen DR, Felix CR, Fetterman KA, Millett WP, Nitti AG, Zullo AM, Chen C, Lewis K. A new antibiotic kills pathogens without detectable resistance. Nature. 2015 Jan 7. doi: 10.1038/nature14098. [Epub ahead of print]

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