Blockade eines Entzündungsproteins könnte die Folgeschäden bei Schlaganfall verringern

In Mäusen, bei denen das Entzündungsprotein Plasmakallikrein ausgeschaltet wurde (untere Bildreihe), entstehen in den Blutgefäßen (rot) nach einem Schlaganfall deutlich weniger Gerinnsel (grün) als in Mäusen, in denen Plasmakallikrein vorhanden ist (obere Bildreihe). Dadurch sind weniger Gefäße verschlossen (Pfeil) und die Durchblutung im Gehirn verbessert. © Eva Göb / Christoph Kleinschnitz

In Mäusen, bei denen das Entzündungsprotein Plasmakallikrein ausgeschaltet wurde (untere Bildreihe), entstehen in den Blutgefäßen (rot) nach einem Schlaganfall deutlich weniger Gerinnsel (grün) als in Mäusen, in denen Plasmakallikrein vorhanden ist (obere Bildreihe). Dadurch sind weniger Gefäße verschlossen (Pfeil) und die Durchblutung im Gehirn verbessert. © Eva Göb / Christoph Kleinschnitz

Wissenschaftler haben einen neuen Therapieansatz für Schlaganfall entdeckt. Wie die Forscher berichten, kann bei Mäusen die Blockade des Entzündungsproteins Plasmakallikrein die Folgeschäden nach einem Schlaganfall massiv reduzieren. Die neuen Erkenntnisse könnten die Behandlung von Schlaganfallpatienten deutlich verbessern, wenn sie sich auf den Menschen übertragen lassen.

Bei einem Schlaganfall werden Blutgefäße, die das Gehirn mit dem lebenswichigen Sauerstoff versorgen, plötzlich von Blutgerinnseln verstopft. Durch die Unterversorgung mit Sauerstoff können Nervenzellen absterben. Das kann zu Lähmungserscheinungen und Sprachstörungen bei den Betroffenen führen. Deshalb ist bei einem Schlaganfall schnelles Handeln geboten. Je eher die entstandenen Blutgerinnsel durch Medikamente aufgelöst werden können, desto geringer fallen bei den Betroffenen die Folgeschäden aus. Nicht selten erreichen die Patienten jedoch die rettende Klinik zu spät. So ist bisher in Deutschland das Risiko an einem Schlaganfall zu sterben, rund zehn Mal höher, als die Gefahr, bei einem Verkehrsunfall umzukommen.

Druckanstieg im Schädelinneren

Der Sauerstoffmangel im Gehirn ist dabei nur ein Problem unter vielen, die bei einem Schlaganfall auftreten können. Weitere gefürchtete Begleiterscheinungen sind Entzündungsprozesse im Gehirn und Wassereinlagerungen in das Nervengewebe, was zur Bildung sogenannter Hirnödeme führen kann. Weil das Gehirn von dem starren Schädelknochen umgeben ist, baut sich durch die Wassereinlagerung im Schädelinneren ein Überdruck auf, der auch das bisher noch gesunde Hirngewebe schädigen kann.

„Ein Schlaganfall besitzt viele Facetten. Genau das macht seine Behandlung so schwer. Schließlich können die meisten Medikamente nur an einer Schlüsselstelle angreifen“, sagt Christoph Kleinschnitz, Leiter der Schlaganfallstation der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg.

Kleinschnitz und seinem Team ist es nun gelungen bei Mäusen das Entzündungsprotein Plasmakallikrein zu blockieren und dadurch die Folgen eines Schlaganfalls deutlich zu reduzieren.

„Schon seit Längerem war bekannt, dass das Entzündungsprotein Plasmakallikrein das Nervengewebe nach einem Schlaganfall auf mehreren Wegen schädigt“, erklärt Kleinschnitz. Aufgrund seiner Aktivität entstünden im Gehirn weitere Blutgerinsel, darüber hinaus unterstütze es Entzündungsprozesse und fördere die Entwicklung eines Hirnödems.

Um diese Zusammenhänge genauer zu analysieren, arbeiteten die Wissenschaftler mit Mäusen, denen das Gen für Plasmakallikrein fehlt. Diese Tiere entwickelten deutlich begrenztere Schlaganfälle und entwickelten geringere neurologische Ausfallerscheinungen. „Diese Beobachtung war zwar viel versprechend, aber für den Einsatz am Patienten erstmal nicht relevant. Wir mussten daher einen Weg finden, um Plasmakallikrein auch pharmakologisch zu blockieren“ erklärt Eva Göb, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Kleinschnitz.

Antikörper haben auch noch drei Stunden nach dem Schlaganfall einen positiven Effekt

Dazu haben die Forscher einen Antikörper eingesetzt, der die Wirkung von Plasmakallikrein im Blut der Mäuse blockieren konnte. Zur großen Freude der Wissenschaftler konnten mithilfe dieses Antikörpers die Folgeschäden eines  Schlaganfalls deutlich reduziert wurden. „Das Interessante dabei ist, dass der Antikörper selbst dann noch wirksam war, wenn er den Tieren mit einer zeitlichen Verzögerung von drei Stunden nach Schlaganfallbeginn injiziert wurde. Somit könnte man den Antikörper vielleicht bei Schlaganfallpatienten einsetzen, die die Klinik erst spät erreichen“ sagt Kleinschnitz. Bis es soweit ist, muss jedoch erst noch untersucht werden, ob sich die Situation beim Menschen genauso verhält, wie bei den stark ingezüchteten Labormäusen. Weiter muss auch abgeklärt werden, welche Nebeneffekte eine Blockade von Plasmakallikrein beim Menschen hat, denn ihm kommt unter anderem eine wichtige Rolle bei der Regulation des Blutdrucks zu. Wenn all diese Fragen positiv beantwortet sind, müssen noch klinische Studien am Menschen erfolgen. Typischerweise dauert die Entwicklung eines Medikaments bis zur Marktreife ungefähr zehn Jahre.

Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 02.02.2015

 

Originalpublikation:

Eva Göb, Stephan Reymann, Friederike Langhauser, Michael K. Schuhmann, Peter Kraft, Ina Thielmann, Kerstin Göbel, Marc Brede, György Homola, László Solymosi, Guido Stoll, Christian Geis, Sven G. Meuth, Bernhard Nieswandt, Christoph Kleinschnitz. Blocking of plasma kallikrein ameliorates stroke by reducing thromboinflammation. Annals of Neurology. Online publiziert am 27. Januar 2015. doi: 10.1002/ana.24380.

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