Wie Berggorilla-Weibchen Inzucht vermeiden

Der dominante Silberrücken Cantsbee ruht sich mit erwachsenen Weibchen und Nachwuchs aus. Cantsbee ist seit 1995 das dominante Männchen der Gruppe und hat genetischen Studien zufolge mehr als 20 Nachkommen gezeugt. © MPI f. evolutionäre Anthropologie/ M. M. Robbins

Der dominante Silberrücken Cantsbee ruht sich mit erwachsenen Weibchen und Nachwuchs aus. Cantsbee ist seit 1995 das dominante Männchen der Gruppe und hat genetischen Studien zufolge mehr als 20 Nachkommen gezeugt.
© MPI f. evolutionäre Anthropologie/ M. M. Robbins

Die meisten Berggorilla-Weibchen verlassen ihre Geburtsgruppe. Manche jedoch bleiben in der Gesellschaft ihres Vaters, der meist das dominante Silberrücken-Männchen ist. Dennoch kommt es dabei so gut wie nie zu Inzucht, wie Wissenschaftler nun herausgefunden haben. Das ist einer raffinierten Taktik der Weibchen zu verdanken.

Während der „Amtszeit“ des Alphamännchens einer Gruppe werden viele seiner Töchter geschlechtsreif und könnten sich mit ihm fortpflanzen. Daher verlassen sechs von zehn weibliche Gorillas üblicherweise ihre Geburtsgruppe, um in einer anderen Gruppe einen Geschlechtspartner zu finden. Das gilt auch für die Gorillas im Karisoke Forschungszentrum in Ruanda, die die Genetikerin Linda Vigilant und ihr Team erforschen: Etwa die Hälfte der jungen Weibchen wandert ab. Die verbleibenden Weibchen paaren sich mit Männchen niedrigeren Ranges.

Um die Vaterschaft der Berggorillas zu bestimmen, analysierten die Forscher die Gene der Tiere mit Hilfe von 97 Kotproben, die Vigilants Team seit 1999 gesammelt hatte. 79 der untersuchten Berggorillas waren Nachkommen von vier Berggorilla-Gruppen, die bereits seit Jahrzehnten von Forschern des Dian Fossey Gorilla Fund beobachtet werden. Das Ergebnis der Studie: Sieben von zehn Nachkommen (72 Prozent) einer Gruppe, in der mehr als ein Männchen vorhanden war, hatten den dominanten Silberrücken zum Vater. Dennoch war das Alphamännchen in keinem Fall der Vater eines Nachkommen der eigenen Tochter. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein dominantes Männchen Nachwuchs mit der eigenen Tochter zeugt, ist gleich null, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Männchen der Vater anderer Nachkommen derselben Gruppe ist, im Durchschnitt bei zwei zu eins liegt“, erklärt Vigilant.

Ein Silberrücken beim Ausruhen mit einem erwachsenen Weibchen und dem Nachwuchs. © MPI f. evolutionäre Anthropologie/ M. M. Robbins

Ein Silberrücken beim Ausruhen mit einem erwachsenen Weibchen und dem Nachwuchs.
© MPI f. evolutionäre Anthropologie/ M. M. Robbins

Angehörige von Gruppen mit mehreren Männchen können Inzucht jedoch nicht komplett vermeiden. Analysen zufolge sind die Eltern von neun der 79 Nachkommen zumindest Halbgeschwister. Das bestätigt aktuelle Forschungsergebnisse, denen zufolge bei den Berggorillas kaum genetische Variationen vorhanden sind und es Anzeichen für Inzucht gibt.

Obwohl Gorilla-Weibchen viel kleiner als die Männchen sind, spielen sie eine aktive Rolle bei der Partnerwahl und die Initiative zum Geschlechtsverkehr geht oft von ihnen aus. Auch scheint jedes Weibchen einen anderen Partner zu bevorzugen. Denn jedes niederrangiges Männchen einer Gruppe kommt mal zum Zuge.

Doch wie gelingt es den Weibchen, die in ihrer Geburtsgruppe bleiben Inzucht zu vermeiden? Wie die Forscher herausgefunden haben pflanzen sich die Töchter dominanter Männchen mit niederrangigen Männchen fort, die wesentlich jünger sind als ihre Väter. Die Weibchen scheinen also nach dem Motto zu verfahren: Paare dich lieber mit jungen Männchen, denn die können nicht dein Vater sein. Aber auch der relativ lange Zeitraum, den noch nicht geschlechtsreife Weibchen in der Gesellschaft des dominanten Männchens verbringen, hilft ihnen letztlich dabei, ihren biologischen Vater als solchen zu erkennen. Außerdem bevorzugen dominante Männchen als Partner ältere Weibchen, die erfahrene Mütter sind.

Max-Planck-Gesellschaft, 20. Mai 2015

 

Originalpublikation:

Linda Vigilant, Justin Roy, Brenda J. Bradley, Colin J. Stoneking, Martha M. Robbins, Tara S. Stoinski. Reproductive competition and inbreeding avoidance in a primate species with habitual female dispersal. Behavioral Ecology and Sociobiology; 20 May, 2015. DOI: 10.1007/s00265-015-1930-0

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