Vogelgezwitscher enthält kombinatorische Sprachelemente

Rotscheitelsäbler (Pomatostomus ruficeps). © Aviceda. CC BY-SA 3.0

Rotscheitelsäbler (Pomatostomus ruficeps). © Aviceda. CC BY-SA 3.0

Das Gezwitscher des australischen Rotscheitelsäblers ähnelt in seiner Struktur dem Aufbau menschlicher Wörter. Der sehr soziale Vogel kann einzelne Laute so ordnen, dass sie jeweils verschiedene Bedeutungen vermitteln, wie Forscher nun beobachtet haben.

 

Unsere Sprache ist durch eine Aneinanderreihung einzelner bedeutungsloser Laute zu bedeutungsvollen Worten charakterisiert. Wobei bereits die Änderung eines einzelnen Lautes genügt, um eine Bedeutung in eine andere zu überführen. Etwa wenn aus der «T»atze eine «K»atze wird. Nun haben Evolutionsbiologen der Universitäten Zürich und Exeter entdeckt, dass auch der Rotscheitelsäbler über diese Fähigkeit verfügt. Er ordnet in seinen Rufen einzelne kurze Laute in unterschiedlicher Reihenfolge an und verleiht ihnen dadurch verschiedene Bedeutungen.

Von früheren Studien war bereits bekannt, dass Vögel verschiedene Laute als Teil eines komplexen Liedes aneinanderreihen können. Doch bei diesen Liedern ging man davon aus, dass sie keine spezifische Bedeutung haben und eine geänderte Lautanordnung die Botschaft insgesamt nicht verändert. Im Gegensatz zu den meisten Singvögeln singen Rotscheitelsäbler nicht. Stattdessen geben sie einzelne Rufe von sich, die aus kurzen, akustisch getrennten Lauten bestehen.

Bedeutungsvolle Unterschiede zwischen den einzelnen Ruflauten

Rotscheitelsäbler leben in den trockenen bis halbtrockenen Gebieten Südostaustraliens. Die lebhaften und ausgesprochen sozialen Vögel leben in Gruppen von bis zu 23 Tieren zusammen, die gemeinsam auf Futtersuche gehen und ihre Jungen groß ziehen.

Wie die Forscher beobachteten, nutzen die Vögel bei bestimmten Verhaltensmustern zwei unterschiedliche Laute «A» und «B» in verschiedener Reihenfolge. Beim Fliegen gaben sie den Flugruf «AB» von sich, beim Füttern der Jungen im Nest dagegen den Aufforderungsrufe «BAB». Als die Forscher den Rotscheitelsäblern die Laute von Tonbandaufnahmen vorspielten, reagierten die Tiere auf die verschiedenen Ruffolgen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen. Wenn sie den Aufforderungsruf zum Füttern hörten blickten sie in die Nester. Wogegen sie sich nach oben wandten und nach ankommenden Vögeln Ausschau hielten, wenn sie einen Flugruf hörten. Dies war auch dann noch der Fall, wenn die Forscher die einzelnen Elemente der beiden Rufe vertauschten: Dazu stellten sie die Flugrufe aus den Elementen der Aufforderungsrufe und die Aufforderungsrufe aus Flugelementen zusammen.

Diese Ergebnisse weisen laut der Evolutionsbiologin Sabrina Engesser von der Universität Zürich darauf hin, dass die beiden Rufe aus denselben Lauten zusammengesetzt sind, die nur jeweils in einer anderen Reihenfolge geäußert werden. Simon Townsend von der Universität Zürich ergänzt: «Auch wenn die beiden Vogelrufe strukturell sehr ähnlich sind, werden sie in total unterschiedlichen Verhaltenszusammenhängen produziert und zuhörende Vögel können sie unterscheiden.» Die Autoren gehen davon aus, dass beim Rotscheitelsäbler das erste Lautelement «B» offensichtlich die Bedeutung zwischen Flug- und Aufforderungsvokalisierung unterscheidet, ähnlich wie «mein» und «ein» im Deutschen, wo das «m» das bedeutungsunterscheidende Element oder Phonem darstellt. Laut Simon Townsend könnte diese einfache Phonem-Struktur erklären, wie sich unsere komplexe Sprache einmal aus der Kombination einfacher bedeutungsloser Lautelemente entwickelt hat.

«Wir denken, dass das Kombinieren von zwei vorhandenen Lauten schneller ist als die Entwicklung eines neuen Lauts, und die Rotscheitelsäbler deshalb die Laute neu ordnen», schließt Andy Russell von der Universität Exeter.

Universität Zürich, 29.06.2015

 

Originalpublikation:
Engesser S, Crane JMS, Savage JL, Russell AF, Townsend SW. Experimental Evidence for Phonemic Contrasts in a Nonhuman Vocal System. PLoS Biol 13(6). Doi:10.1371/journal.pbio.1002171

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