Schimpansen müssen auf Tonerde als Mineralquelle ausweichen, nachdem die Raphiapalmen vernichtet wurden

© Thomas Lersch. CC BY-SA 3.0.

Schimpansen sind flexibler als gedacht: Nach der Dezimierung ihrer Hauptmineralquelle, den Raphiapalmen, sind sie dazu über gegangen, Kaolit zu essen.© Thomas Lersch. CC BY-SA 3.0.

Wie die Universität Oxford berichtet nehmen die Schimpansen im Budongo-Wald Urgandas immer mehr Tonerde zu sich, um ihre Nahrung mit Mineralien zu ergänzen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team von Wissenschaftlern, das die Tiere seit vielen Jahren beobachtet. Grund für diese Verhaltensänderung ist vermutlich die zunehmende Vernichtung der Raphiapalmen, die den Affen bisher als Mineralquelle dienten.

Schimpansen im Budongo-Wald essen und trinken aus Tonerdegruben und von Termitenhügeln. Die Forscher vermuten, dass die Tiere damit versuchen den Verlust der Raphiapalmen auszugleichen, die ihnen bisher als Mineralquellen dienten. Darüber hinaus könnten die Affen begonnen haben Tonerde zu essen, da sie ihnen dabei hilft ihr Futter zu entgiften und zu verdauen.

Das internationale Forscherteam um den emeritierten Oxforder Professor Vernon Reynolds beobachtete, dass die Schimpansen Blätter wie „Schwämme“ benutzen: Sie tauchten die Blätter in das Tonerdewasser und führten sie an ihren Mund, um die Flüssigkeit mit der Zunge aufzusaugen. Mitunter benutzten sie auch nur einfach ihre Finger, um die Tonerde direkt vom Boden aufzunehmen.

Forscher beobachten freilebende Schimpansen im Budongo-Wald, im Westen Ungandas, bereits seit 1990, seitdem Reynolds dort die Budongo Conservation Field Station aufbaute.

Bei der Untersuchung der Ton- und Termitenerde fanden die Forscher heraus, dass sie sehr viele Mineralien enthält. Vor allem enthält sie jedoch extrem viel Aluminium. Das ist typisch für Kaolin, das von vielen verschiedenen Tierarten aufgenommen wird, darunter auch von Menschen, um die Verdauung und Entgiftung zu fördern. Die Nahrung der Schimpansen, die im wesentlichen aus Früchten und Blättern besteht, enthält viele Tannine, das sind pflanzliche Gerbstoffe. Die Forscher nehmen an, dass die Affen die Gerbstoffe mit der Tonerde neutralisieren. Auch die Frauen in Budongo trinken und essen mit Wasser verdünnte Tonerde gegen Magenprobleme und während der Schwangerschaft. Aber der Kaolin enthält auch Natrium, Kalzium, Eisen, Magnesium und Kalium. Alles lebenswichtige Mineralien, von denen die Schimpansen wohl gemerkt haben, dass sie diese mit ihren „Blattschwämmen“ aufnehmen können. Laut den Wissenschaftlern ist die Konzentration der aufgenommenen Mineralien offenbar größer, wenn die Tiere sie mit ihren „Blattschwämmen“ aufnehmen, als wenn sie das Tonerdenwasser oder die Tonerde direkt vom Boden aufsammeln.

Vor dem Jahr 2000 beobachteten die Forscher oft, wie die Schimpansen von den Raphiapalmen aßen. Aber nach 2005 nahmen diese Beobachtungen ab. Seit 2005 nehmen die Affen immer mehr Tonerde zu sich, da seit diesem Zeitpunkt die Raphiapalmen immer rarer wurden. Denn sie werden zunehmend von der Tabakindustrie dazu eingesetzt, um Tabakblätter festzubinden  und abzustützen. Bisher waren diese Palmen für die Schimpansen eine wichtige Mineralquelle.

„Die Raphiapalmen sind eine wichtige Natriumquelle. Doch zu unserer Überraschung war der Natriumgehalt in der Tonerde sehr niedrig. Das kann also nicht der Hauptgrund für die massenhafte Aufnahme der Tonerde sein. Statt dessen gehen wir davon aus, dass der geringe Mineralgehalt in ihrem normalem Futter, das aus Früchten und Blätter besteht, der Grund dafür ist, dass sie die Tonerde essen, als allgemeine Mineralstoff-Ergänzung.“ erklärt Reynolds.

Cat Hobaiter, von der St Andrews University in Schottland sagt: „Bisher ging man davon aus, dass Schimpansen sehr konservativ sind und die Zerstörung ihrer natürlichen Nahrungsquellen große Probleme verursacht. Deshalb ist es faszinierend zu sehen, wie die Budongo-Schimpansen den Verlust einer Hauptquelle für Mineralien in ihrer Ernährung durch Alternativen, wie das essen von Tonerde, ausgleichen.“

Die Forscher verglichen die Tonerde auch mit der Erde, die sich am Boden des Budongo-Wald befindet. Sie wird von den Schimpansen nicht gegessen. Die Schimpansen im Kibale-Wald essen dagegen regelmäßig die Erde des Waldbodens.

University of Oxford, 29 Juli 2015

 

Video mit Schimpanse, der Tonerde zu sich nimmt:

Originalpublikation:

Reynolds V, Lloyd AW, English CJ, Lyons P, Dodd H, Hobaiter C, Newton-Fisher N, Mullins C, Lamon N, Schel AM, Fallon B. Mineral Acquisition from Clay by Budongo Forest Chimpanzees. PLoS One. 2015 Jul 28;10(7):e0134075. doi: 10.1371/journal.pone.0134075. eCollection 2015.

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