Frei lebende Bonobos nutzen für ihre Kommunikation ähnliche Laute, wie Kleinkinder, die noch nicht sprechen können: Dabei bedeinen sie sich schriller Lautäußerungen, die wie Fieplaute klingen und nur in dem Zusammenhang verstanden werden können, in dem sie geäußert werden.
Wie Forscher von der University of Birmingham in England herausgefunden haben setzten Bonobos, einer unserer nächsten Verwandten unter den Menschenaffen, Rufe ein, deren Bedeutung sich mit dem Kontext, in dem sie geäußert werden, ändert. Darin ähneln sie Babys, die ebenfalls sogenannte protophone Lautäußerungen, unabhängig vom Kontext von sich geben. Die von den Bonobos geäußerten Fieplaute sind kurz, sehr hoch und werden mit geschlossenem Mund gebildet. Die Tiere bringen diese Töne bei allen möglichen Gelegenheiten hervor, egal ob es sich um positive, negative oder neutrale Situationen handelt.
Laut den Wissenschaftlern unterschieden sich die von den Tieren abgegebenen Fieplaute, die im neutralen und positiven Kontext geäußert wurden nicht voneinander. Ob die Bonobos gerade dabei waren zu fressen, umherzuziehen oder zu ruhen spielte dabei keine Rolle. Das erinnert an die Lautäußerungen von Kleinkindern, die bei den verschiedensten emotionalen Situationen in gleicher Weise abgegeben werden.
Schon seit längerem gehen Wissenschaftler davon aus, dass die frühkindliche Sprachentwicklung uns etwas über die evolutionäre Entwicklung der Sprache verraten könnte. Grundlage für diese Überlegung ist die Tatsache, dass sich in der Evolution Komplexität entwickelt, indem die natürliche Selektion auf bereits bestehenden Strukturen aufbaut, anstatt sie völlig neu zu „erfinden“. Demnach müsste sich auch die menschliche Sprache Schritt für Schritt aus entsprechenden Vorläufern entwickelt haben, die folglich bei unseren nächsten Verwandten vorkommen sollten.
Zanna Clay von der University of Birmingham, die das Forscherteam geleitet hat, erklärt: „Als ich die Bonobos in ihrer natürlichen Umgebung beobachtete war ich überrascht, wie oft sie die Fieplaute äußerten und in wie vielen verschiedenen Zusammenhängen sie diese abgaben. Da wir die einzelnen Fieplaute nicht immer unterscheiden konnten, wurde uns klar, dass wir den Kontext verstehen mussten, um ihre Kommunikation zu ergründen.“
Bisher gingen die Forscher davon aus, dass Primatenrufe eng an bestimmte Situationen und emotionale Zustände gebunden sind. Viele menschliche Lautäußerungen dagegen sind unabhängig von dem gerade vorliegenden Kontext. Menschenbabys können jedoch, noch bevor sie sprechen lernen, sogenannte Protophone äußern, die sie unabhängig von ihrem emotionalen Zustand machen. Diese Babyrufe unterscheiden sich von anderen Lautäußerungen, wie etwa Lachen und Weinen und die Rufe der meisten anderen Tiere, die nur in bestimmten Situationen abgegeben werden.
Clay fährt fort: „Wir fanden die Vorstellung, dass diese Fähigkeit auf den Menschen beschränkt ist übereilt. Vor allem, wo bisher noch niemand bei den großen Affen nach so etwas gesucht hatte. Je mehr wir danach suchen, desto mehr Ähnlichkeiten zwischen Tier und Mensch entdecken wir.“
Die Art der Kommunikation, die die Forscher bei den wilden Bonobos entdeckt haben könnte einen wichtigen evolutionären Entwicklungsschritt von der funktionell gebundenen Lautäußerung der Tiere, die an bestimmte Situationen oder emotionale Gefühlslagen gebunden ist, in Richtung der menschlichen Lautäußerung sein, die wohl vor etwa sechs bis zehn Millionen Jahren beim gemeinsamen Vorfahren von Bonobo und Mensch entstanden ist.
Die in emotional negativen Situationen geäußerten Fieplaute der Bonobos, die etwa bei aggressiven Auseinandersetzungen oder bei Reaktionen auf Raubtiere geäußert werden entsprechen in ihrem Muster dagegen eher den bisher bei Primaten beobachteten Lauten. Ihre akustische Struktur ist mehr an bestimmte emotionale Gefühlszustände gebunden.
University of Birmingham, England, 4. Juli 2015
Link zu einem Video in dem ein Beispiel eines Fieplautes gezeigt wird
Originalpublikation:
Zanna Clay et al. Functional flexibility in wild bonobo vocal behaviour. PeerJ, August 2015 DOI: 10.7717/peerj.1124