Genom der Wunderpflanze Seegras entschlüsselt

Seegraswiese in der Kieler Bucht. © Thorsten Reusch, GEOMAR

Seegraswiese in der Kieler Bucht. © Thorsten Reusch, GEOMAR

Ähnlich, wie unsere Wälder an Land bieten Seegraswiesen zahlreichen Tieren, wie Fischen und anderen Meeresbewohnern einen vielfältigen Lebensraums. Doch damit nicht genug erfüllt Seegras auch noch eine Filterfunktion. Nun ist es Forschern gelungen das Erbgut des Großen Seegrases zu entschlüsseln. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die Evolution der marinen Wunderpflanze. Gleichzeitig sollen sie zum Schutz der weltweit schrumpfenden Seegras-Bestände beitragen.

Seegras hat eine enorme ökologische und wirtschaftliche Bedeutung, die jedoch immer noch unterschätzt wird. So dienen Seegraswiesen etwa als Brutplätze für Fische, Verstecke für Jungfische und Lebensraum für Muscheln, Schnecken und Krebse. Ein europäisch-amerikanisches Forscherteam hat nun den genetischen Bauplan des Großen Seegrases (Zostera marina) entschlüsselt. Die Ergebnisse erlauben den Forschern Einblicke in die einzigartige Evolution der Seegräser.

Seegraswiesen bilden einen Lebensraum für Krebstiere, Jungfische und viele andere. © Thorsten Reusch, GEOMAR

Seegraswiesen bilden einen Lebensraum für Krebstiere, Jungfische und viele andere. © Thorsten Reusch, GEOMAR

Das Große Seegras ist für Wissenschaftler auch deshalb interessant, weil sich die ursprünglich Landpflanze im Laufe ihrer Evolution erst später wieder an das Meeresleben angepasst hat. Die Vorfahren des heutigen Seegrases sind einkeimblättrige Pflanzen, wie etwa Weizen oder Weidelgras. Wie die Forscher herausfanden, verlor es im Lauf der Entwicklungsgeschichte zahlreiche Anpassungen an das Landleben, weil es diese nicht mehr brauchte. Wie etwa die Ausbildung von Stützgewebe oder spezielle Mechanismen, um sich gegen Verdunstung zu schützen.

Gleichzeitig erschienen neue Gene, die sich im Lebensraum Meer als nützlich erwiesen. Sie ermöglichten etwa eine Bestäubung unter Wasser und halfen den Pflanzen dabei, mit hohen Salzkonzentrationen, geringer Lichtintensität sowie anderen Parasiten klar zu kommen. Vergleichende Genomanalysen ergaben, dass sich die Seegräser gegen Ende der Kreidezeit vor ca. 67 Millionen Jahren ausbreiteten. Damit gelang es dem Seegras sich in seinem neuen Lebensraum auszubreiten, als nach einem vermutlichen Meteoriteneinschlag rund 70% aller Tiere und Pflanzen von der Erde verschwanden, unter ihnen auch die Dinosaurier.

„Diese Studie zeigt das enorme Potenzial der vergleichenden Genomforschung und demonstriert gleichzeitig, dass in den Biowissenschaften grundlegende Erkenntnisse nur in großen, internationalen Teams zu erzielen sind“, sagt Thorsten Reusch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seegras hat für die Meeresökologie eine enorme Bedeutung. „Ohne Seegras ist der Meeresboden nur ein zweidimensionaler Sandgrund. Mit Seegras handelt es sich hingegen um einen reich strukturierten dreidimensionalen Lebensraum“, betont der Kieler Biologe. In den vergangenen Jahren sind die Seegraswiesen – vor allem durch Überdüngung und direkte Zerstörung des Lebensraums – weltweit stark zurückgegangen. Auch die Klimaerwärmung macht den Pflanzen stark zu schaffen. Wärmetolerante Pflanzen aus südlichen Regionen könnten da eine „genetische Rettung“ für nördlichere Bestände sein, so Reusch. Das nun publizierte Genom könnte dabei helfen, die am besten geeigneten Genotypen auszuwählen.

Auch für die Biotechnologen ist die Genomsequenzierung von großem Interesse, denn Seegräser gedeihen noch bei Salzkonzentrationen, die für alle Nutzpflanzen tödlich wären. „Somit bietet das Genom eine wertvolle Ressource für Biotechnologen, um Anpassungen an Versalzung bei Nutzpflanzen zu untersuchen“, erklärt Reusch.

GEOMAR, 27.01.2016

Originalpublikation:

Olsen, J. L., P. Rouzé, B. Verhelst, Y.-C. Lin, T. Bayer, J. Collen, E. Dattolo, E. De Paoli, S. Dittami, F. Maumus, G. Michel, A. Kersting, C. Lauritano, R. Lohaus, M. Töpel, T. Tonon, K. Vanneste, M. Amirebrahimi, J. Brakel, C. Boström, M. Chovatia, J. Grimwood, J. W. Jenkins, A. Jüterbock, A. Mraz, W. T. Stam, H. Tice, E. Bornberg-Bauer, P. J. Green, G. A. Pearson, G. Procaccini, C. M. Duarte, J. Schmutz, T. B. H. Reusch, Y. Van de Peer (2016): The genome of the seagrass Zostera marina reveals angiosperm adaptation to the sea. Nature, doi: 10.1038/nature16548

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