Die Symbiose, bei der Knöllchenbakterien atmosphärischen Stickstoff für Pflanzen verfügbar machen, hat wahrscheinlich genau einen evolutionären Ursprung.
Die Symbiose zwischen einigen Pflanzenarten und stickstofffixierenden Knöllchenbakterien ist eine der wichtigsten Kooperationen der Welt. Sie prägt die globale Vegetation und nicht zuletzt den globalen Kreislauf von Stickstoff und Kohlenstoff. Der Grundstein dafür wurde wahrscheinlich nur ein einziges Mal vor rund 100 Millionen Jahren gelegt. Das hat jetzt ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena herausgefunden. Dabei identifizierten sie auch Arten, die eine genetische Veranlagung für diese Symbiose besitzen, sie aber nie ausgebildet haben. Diese Pflanzen könnten dabei helfen, die Symbiose zu erforschen und sie in andere Arten einzukreuzen.
Einige Pflanzen haben anderen etwas voraus. Sie können mithilfe von Bakterien den Stickstoff aus der Luft verwerten, den sie zum Wachstum dringend benötigen, der im Boden oft aber zu wenig vorhanden ist. Es wäre ein Traum für die Landwirtschaft, wenn nicht nur Hülsenfrüchtler wie Linsen, Erbsen und Bohnen, sondern auch Weizen, Reis und Mais mit den Bakterien zusammenarbeiteten und dadurch von der Stickstoffdüngung unabhängig würden. Auch für biogeochemische Stoffkreisläufe spielen die Symbiosen zwischen Pflanzen und Bakterien eine wichtige Rolle: Sie helfen Pflanzen, karge Böden neu zu besiedeln und entscheiden maßgeblich darüber, wie Ökosysteme auf den ansteigenden Kohlendioxid-Gehalt der Luft reagieren. Denn nur mit zusätzlichem Stickstoff können die Pflanzen bei einer erhöhten Kohlendioxid-Konzentration schneller wachsen und damit den weiteren Anstieg des Kohlendioxid-Gehaltes der Luft bremsen und Klimaänderungen mildern.
Bisher war jedoch nicht einmal bekannt, wann und wie Pflanzen die Fähigkeit zur Symbiose erworben haben.
Eine Datenbank der Pflanzeneigenschaften hilft bei der Analyse
Jetzt ist klar, dass höchstwahrscheinlich alles vor 100 Millionen Jahren in einem einzigen evolutionären Ereignis seinen Anfang nahm. Eine Pflanze entwickelte durch eine oder mehrere Mutationen eine Veranlagung (Prädisposition) für die Symbiose, die dann auf verschiedenen Wegen verändert und verfeinert wurde. „Die Prädisposition scheint dabei weder einen deutlichen Nutzen noch einen Schaden für die Pflanze zu haben, denn sie wurde in einigen Arten erhalten und ging in anderen schnell wieder verloren“, beschreibt Jens Kattge vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie die Ergebnisse. Aber nur wenn die Prädisposition vorhanden war, kam es später zur Entwicklung der Symbiose.
Für ihre Analysen erstellten die Forscher die bisher größte Datenbank aller Pflanzenarten, die eine Symbiose mit Knöllchenbakterien eingehen können. „Etwa ein Drittel der Daten stammt aus unserer TRY-Datenbank, die inzwischen Eigenschaften von mehr als 90.000 Pflanzenarten katalogisiert“, erklärt Jens Kattge. „Uns interessieren an den Pflanzeneigenschaften vor allem übergeordnete ökologische Aspekte, insbesondere die Frage, wie funktionelle Pflanzenmerkmale wie etwa die Fähigkeit der Stickstofffixierung die Stoffflüsse – vom Ökosystem bis zur globalen Ebene –beeinflussen“, so Kattge. Nun haben die Wissenschaftler mit den Daten und dem aktuellen Stammbaum der Bedecktsamer die Evolution der Symbiose rekonstruiert. Dazu nutzten sie verschiedene mathematische Modelle, die aus dem heutigen status quo die Evolution im Rückwärtsgang durchspielen.
Die Entstehung der Prädisposition ist extrem unwahrscheinlich
Die Modelle errechneten, dass die Prädisposition offenbar nur ein einziges Mal entstanden ist. „Die Entwicklung der Symbiose ist extrem komplex und hat erst im fertigen Zustand einen Nutzen“, sagt der Biologe Kattge. Zahlreiche Stoffwechselwege müssen umprogrammiert und zwischen den Symbiosepartnern koordiniert werden. „Dass etwas so Komplexes entsteht, ist äußerst unwahrscheinlich, aber in der sehr langen Zeit der Evolution eben doch nicht unmöglich.“
Heute arbeiten Tausende von Pflanzenarten auf unterschiedliche Art und Weise mit den Knöllchenbakterien zusammen. Viele andere tragen die Prädisposition in sich, haben jedoch nie eine Symbiose ausgebildet. „Noch ist unbekannt, welche Gene genau mutiert sind“, räumt Kattge ein. Man kann also anhand von genetischen Analysen bisher nicht herausfinden, welche Pflanzen den ersten Schritt hin zur wichtigsten Symbiose bereits getan haben und welche nicht.
Doch mit den mathematischen Modellen lässt sich die Wahrscheinlichkeit errechnen, ob eine Pflanzenart zu den Prädisponierten gehört oder nicht. Dabei sind einige Überraschungen zu Tage getreten. Vertreter aus ganz unterschiedlichen Pflanzenfamilien wie Mimosen-, Johannisbrot- und Hanfgewächsen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Symbiose mit stickstofffixierenden Bakterien gerüstet.
Prädisponierte Pflanzen könnten die Symbiose leicht eingehen
Durch einen Vergleich der unterschiedlichen prädisponierten Pflanzen könnte man jetzt endlich den für die Symbiose verantwortlichen Genen und Stoffwechselwegen selbst auf die Spur kommen. Da die Pflanzen mit einer Prädisposition zu ganz unterschiedlichen Arten gehören, sollten sie sich genetisch stärker unterscheiden als Pflanzen nah verwandter Arten. Die immer gleiche Prädisposition sollte in ihrem Erbgut somit relativ leicht zu finden sein.
Nicht zuletzt ist bei den prädisponierten Pflanzen die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass durch Züchtung die Symbiosemaschinerie angeworfen werden könnte. Dazu zählen zum Beispiel die Hainbuchen (Carpinus sp.), wichtige Holzlieferanten, und die Verdrehten Blockbohnen (Parkia speciosa), die in Asien als Nahrungspflanze dienen. Ein Dämpfer für die heimischen Züchter: Die wichtigen Getreidearten wie Weizen, Roggen, Gerste oder Mais gehören aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu den prädisponierten Pflanzen. Bis die genaue Maschinerie der Symbiose nicht entschlüsselt ist, wird sich die Züchtung hier eher schwierig gestalten.
Die Wissenschafter am Jenaer Max-Planck-Institut für Biogeochemie sind weniger daran interessiert, Pflanzen zu befähigen, mithilfe von Knöllchenbakterien Stickstoff zu fixieren. Sie wollen vielmehr die Datenbank der stickstofffixierenden Pflanzen nutzen, um den globalen Stickstoffkreislauf und seine Veränderung mit dem Klimawandel besser zu verstehen. Das soll helfen, Erdsystemmodelle zu verbessern, um damit den Einfluss der Vegetation auf die atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration und damit das zukünftige Klima genauer vorherzusagen als aktuelle Modelle.
Forschungsmeldung der Max-Planck-Gesellschaft vom 24. Juni 2014.
Gijsbert D.A. Werner, William K. Cornwell, Janet I. Sprent, Jens Kattge und E. Toby Kiers. A single evolutionary innovation drives the deep evolution of symbiotic N2 fixation in angiosperms. Nature communications, 10. Juni 2014; doi: 10.1038/ncomms5087