Proteinablagerungen im Gehirn: Keineswegs immer nur schädlich

Mutiertes Vasopressin bildet in den Nervenzellen pathologische Proteinaggregate (rot) statt natürliche Granula (grün). © Martin Spiess. Universität Basel.

Alzheimer, Parkinson und manche anderen neurodegenerativen Erkrankungen gehen mit Proteinablagerungen in den Nervenzellen einher. Diese sogenannten Amyloide entstehen durch fehlgefaltete Proteine und können Zellen absterben lassen. Doch solche Proteinaggregate in der Zelle sind keineswegs immer nur schädlich, wie Forscher nun am Beispiel des Hormons Vasopressin zeigen konnten. Vielmehr erlauben Proteinaggregate dieses Hormons bei Bedarf dessen zügige Freisetzung. 

Bisher kennt man Amyloide vor allem als mögliche Verursacher neurodegenerativer Erkrankungen. Viele Forscher sind der Meinung, dass diese festen, unlöslichen Proteinverklumpungen die Nervenzellen schädigen. Ein Forscherteam um Martin Spiess am Biozentrum der Universität Basel hat nun entdeckt, dass Ablagerungen des Hormons Vasopressin auch wichtige physiologische Funktionen erfüllen. In der Zelle wird es platzsparend in Form amyloid-ähnlicher winziger Körnchen gespeichert. Diese lassen sich dann bei Bedarf ins Blut abgegeben, wo sie sich auflösen und das Hormon freisetzen.

Nur Verklumpungen falsch gefalteter Proteine lassen Zellen absterben

Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen sterben Nervenzellen vermutlich durch Amyloide ab. Auch beim Hormon Vasopressin kannte man bislang nur die negative Seite solcher Proteinverklumpungen: Als Folge von Mutationen im Vasopressin-Gen faltet sich das defekte Hormon nicht richtig und kann deshalb auch nicht ins Blut ausgeschüttet werden. Statt dessen bilden sich unlösliche Protein-Aggregate, welche die Nervenzellen im Gehirn absterben lassen, die das Hormon bilden. Patienten mit einem solchen Gen-Defekt erkranken an Diabetes insipidus. Sie können mangels Vasopressin das Wasser, welches die Nieren durchläuft nicht zurückgewinnen. Deshalb scheiden sie statt konzentriertem Harn große Mengen extrem wässrigen Urin aus: Statt der normalen ein bis zwei Liter Harn täglich kommen sie auf zehn bis zwölf Liter.

Funktionelle Amyloid-ähnliche Proteinaggregate erfüllen wichtige Aufgaben

Demnach können Proteinaggregate auch eine wichtige physiologische Funktion übernehmen. Die gleichen beiden Abschnitte im Vasopressin, die beim mutierten Protein für die Bildung schädlicher Amyloide verantwortlich sind, sorgen beim normalen Hormon im Sekretionsweg für die Entstehung der natürlichen Granula. Wobei die mutierte Variante die Nervenzellen absterben lässt, während das normale Hormon Granula mit physiologisch wichtiger Bedeutung bildet. Das so verpackte Vasopressin wandert an die Nervenendigungen und wird dort auf ein Signal hin ins Blut ausgeschüttet. Die natürlichen Granula dienen also dazu, das Hormon in einem Zwischenspeicher zu lagern.

Schädliche Amyloide als Folge fehlerhafter Granula-Bildung

Die Granula der Hirnanhangsdrüse bestehen also aus funktionellen Amyloiden und erfüllen eine wichtige physiologische Funktion bei der Sekretion von Hormonen. Eine schädigende Wirkung entfalten solche Ablagerungen demnach nur dann, wenn sich Aggregate defekter Proteine bilden, die ihre Aufgabe nicht erfüllen können. Als nächstes wollen die Forscher klären, was genau auf struktureller Ebene beim Vasopressin passiert und ob Proteinaggregate ein generelles Prinzip für die Bildung von Granula darstellen.

Universität Basel, 27. Januar 2017

Originalpublikation:
Nicole Beuret, Franziska Hasler, Cristina Prescianotto-Baschong, Julia Birk, Jonas Rutishauser, and Martin Spiess. Amyloid-like aggregations of provasopressin in diabetes insipidus and secretory granule sorting. BMC Biology; published online 26 January 2017. DOI: 10.1186/s12915-017-0347-9

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