Besserer Schadstoffabbau durch Genaustausch auf der Pilzautobahn

Die Ausläufer von Pilzen, die sogenannten Hyphen, dienen Bakterien als Autobahn. © TheAlphaWolf. Wikimedia Commons.

Die Ausläufer von Pilzen, die sogenannten Hyphen, dienen Bakterien als Autobahn. Dort treffen sie aufeinander und tauschen ihre Gene aus. Das kann auch dem Abbau von Schadstoffen zu Gute kommen. © TheAlphaWolf. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Bodenbakterien bewegen sich in einem unwegsamen Gelände. Trockene Bereiche und Luftporen stellen für sie unüberwindbare Hindernisse dar. Um diese Probleme zu umgehen nutzen sie die weitverzweigten, fädigen Ausläufer von Pilzen, um sich fortzubewegen und zu neuen Nahrungsquellen zu gelangen. Doch diese sogenannten Pilzhyphen dienen den Bakterien auch für intensiven Gentransfer. So fördern Pilze eine hohe bakterielle Vielfalt im Boden, was nicht zuletzt auch dem Abbau von Schadstoffen zu Gute kommt.

Um in dem schwierigen Gelände des Bodens voran zu kommen, benötigen Bakterien einen Flüssigkeitsfilm in dem sie sich fortbewegen können. Deshalb nutzen sie die Schleimschicht von Pilzhyphen, um an ihnen entlang zu wandern. Dabei bietet ihnen das Pilznetzwerk (Myzel) eine hervorragende Infrastruktur: Ein Gramm Waldboden ist von mehreren hundert Metern Pilzhyphen durchsetzt. „In dem feinen Flüssigkeitsfilm rund um die Hyphen können sich die Bakterien sehr viel schneller, gerichteter und weiter fortbewegen als im Bodenwasser ohne Hyphen“, sagt Tom Berthold, Erstautor der Publikation und Doktorand am Department Umweltmikrobiologie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung. „Pilzhyphen sind für die Bakterien wie eine Art Autobahn, auf der sie schnell und ohne Umwege zu ihren Nahrungsquellen gelangen.“

Da auf der Pilzautobahn oft reger Verkehr herrscht, treffen dort immer wieder Bakterien aufeinander und tauschen bei dieser Gelegenheit nicht selten Genmaterial untereinander aus. „Im Prinzip ist das so ähnlich wie die Übertragung von Erkältungskeimen in dichtbesetzten öffentlichen Verkehrsmitteln“, erklärt Umweltmikrobiologe Lukas Wick, der die Forschungsarbeiten leitete. „Doch anders als bei einem Schnupfen sind die neu erhaltenen Gene für die Bodenbakterien in der Regel ein Gewinn. Mit ihnen können sie sich besser an verschiedene Umweltbedingungen anpassen.“ Je nachdem an welche Gene sie bei dem Austausch gelangen, können sie sich an neue Umweltbedingungen anpassen oder neue Nahrungsquellen erschließen. Das könne auch Schadstoffe wie etwa Toluol oder Benzol sein, die im Erdöl und Benzin vorkommen. Bakterien mit einer passenden genetischen Ausstattung können diese Substanzen als Nahrungsquelle nutzen. Die Verbreitung dieser Fähigkeit an weitere Bakterienarten kann also für den Abbau von Bodenschadstoffen äußerst vorteilhaft sein.

Wie die Forscher zeigen konnten, findet auf der Pilzautobahn der Gentransfer zwischen Bakterien wesentlich öfter statt, als in einem Boden ohne Pilzhyphen. Ein Computermodellen, das die Häufigkeit des Gentransfers zwischen den Bakterien entlang der Hyphen simulierte, bestätigte dieses Ergebnis. Wick: „Unsere Studie zeigt, dass Pilzhyphen den Bodenbakterien nicht nur eine hervorragende Infrastruktur bieten, sondern auch einen möglichen Hotspot für bakteriellen Gentransfer. Dieser bisher unbekannte Aspekt der Pilz-Bakterien-Interaktion ist ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Verständnis der komplexen Wechselwirkungen von Mikroorganismen in Böden.“

Pilze spielen im hochkomplexen Lebensraum Boden also eine wesentliche Rolle: Sie unterstützen nicht nur die Verbreitung von Bakterien, sondern auch deren genetische Anpassung und Vielfalt und damit letztlich auch deren Evolution. „Noch vor wenigen Jahren war man sich dessen überhaupt nicht bewusst“, sagt Wick. „Womöglich hat im Verlauf der Erdgeschichte die bakterielle Vielfalt mit der Entwicklung myzelbildender Pilze stark zugenommen.“ Und was den Abbau von Schadstoffen angeht vermuten die Forscher, dass Böden mit hohem Pilzvorkommen besser gerüstet sind, als Böden mit nur geringem Pilzanteil. Denn über die Pilzautobahn gelangen schadstoffabbauende Bakterien schneller an Ort und Stelle und geben dort durch Gentransfer ihre Fähigkeiten an andere Arten weiter, die dann ebenfalls zum Abbau der Schadstoffe beitragen.

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), 14. Dezember 2016

Originalpublikation:

Berthold T, Centler F, Hübschmann Th, Remer R, Thullner M, Harms H, Wick L. Mycelia as a focal point for horizontal gene transfer among soil Bacteria. Scientific Reports. DOI:10.1038/srep36390

Kommentare sind geschlossen.