Leibwächter im Darm des Baumwollwurms halten Krankheitserreger in Schach

Raupe (oben und Mitte) und Puppe (unten) des Baumwollwurms Spodoptera littoralis, die mit dem Krankheitserreger Enterococcus faecalis infiziert sind. Das Bakterium Enterococcus mundtii hält den Erreger im Darm gesunder Raupen in Schach und verhindert eine Infektion.
© Yongqi Shao, Universität Zhejiang, Hangzhou, China

Im Darm des Afrikanischen Baumwollwurms siedeln nützliche Bakterien, die einen Wirkstoff bilden, der andere, für die Entwicklung der Raupen schädliche Keime abtötet. Dazu sondert Enterococcus mundtii das Toxin Mundticin ab. Auf diese Weise sorgt es für eine gesunde Darmflora des Ernteschädlings.

Der Afrikanische Baumwollwurm Spodoptera littoralis ist ein in Afrika und dem Mittelmeerraum gefürchteter Schädling. Sein breites Nahrungsspektrum reicht von Gemüse über Obst und Blumen bis zu anderen Feldfrüchten. Einer der Gründe für seine weite Verbreitung könnte neuesten Erkenntnissen zufolge in der Symbiose mit schützenden Darmbakterien liegen.

Die Zusammensetzung der Darmbakterien des Afrikanischen Baumwollwurms verändert sich im Laufe der Larvenentwicklung massiv. Während im Darm der frühen Larven noch Vielfalt herrscht und sich dort noch verschiedene Arten der Gattung Enterococcus tummeln, ändert sich dies bei den ausgewachsenen Raupen kurz vor der Verpuppung drastisch: Nun dominieren Bakterien der Art Enterococcus mundtii. Potentielle Krankheitserreger, wie die verwandten Arten Enterococcus faecalis und Enterococcus casseliflavus verschwinden dagegen aus dem Mikrobiom der Raupen beinahe völlig. Daher wollten die Forscher wissen, wie es zu dieser gravierenden Veränderung der bakteriellen Zusammensetzung im Darm der Insekten kommt.

Enterococcus mundtii-Darmbakterien (gelb) bilden einen Biofilm auf der Darmschleimhaut des Afrikanischen Bauwollwurms. Die symbiotischen Bakterien produzieren ein Kanal-bildendes Peptid namens Mundticin: Im Darm des Baumwollwurms dringt es in die Zellmembram von krankheitsübertragenden Bakterienzellen (blau und rosa) ein und tötet diese. Symbiotische Bakterienzellen (grün), wie beispielsweise Clostridien oder andere E. mundtii-Bakterien, sind gegenüber Mundticin unempfindlich.
© Yongqi Shao, Universität Zhejiang, Hangzhou, China

Um diese Frage zu klären kultivierten die Forscher um Wilhelm Boland Enterococcus-Bakterien für sogenannte Agardiffusionstests: Diese Technik gibt Aufschluss darüber, welche Bakterien sich in Gegenwart anderer Mikroorganismen ausbreiten und welche unter diesen Bedingungen schlechter gedeihen. Dabei fanden sie heraus, dass Enterococcus mundtii seine Konkurrenten durch eine chemische Substanz abtötet, die es in das Medium abgibt. Bei diesem Wirkstoff handelt es sich um das Peptid Mundticin KS. Es gehört zu den sogenannten Bacteriocin, die von Bakterien ausgeschieden werden, um konkurrierende Bakterienstämme zu verdrängen.

Den Forschern zufolge stellt Enterococcus mundtii der Raupe die Substanz quasi wie ein körpereigenes Antibiotikum zur Verfügung. So gelang es etwa den Forschern nicht, Raupen, die das Symbiose-Bakterium in ihrem Darm beherbergten mit dem Darmkeim Enterococcus faecalis zu infizieren. Die Symbionten hielten den Erreger erfolgreich in Schach. Raupen, die dagegen nur mit einem Enterococcus mundtii-Stamm besiedelt waren, der über kein Gen zur Synthese von Mundticin verfügte, waren gegen den Erreger machtlos. Erhielten die infizierten Raupen jedoch Mundticin in ihrem Futter, nahm die Zahl der Erreger innerhalb von 24 Stunden um mehr als 60 Prozent ab.

„Mundticin ist somit das erste mikrobielle Stoffwechselprodukt aus dem Darm eines Organismus, von dem wir wissen, wie es die Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst“, erklärt Boland. Welche Mikroorganismen im Darm überleben und welche absterben, wird aber auch von der Nahrung und den darin enthaltenen sekundären Pflanzeninhaltsstoffen bestimmt. „Das Mikrobiom ist das Ergebnis einer sehr empfindlichen Balance von Sekundärmetaboliten aus der pflanzlichen Nahrung und den Stoffwechselprodukten sowohl der Insekten selbst als auch der die Insekten besiedelnden Mikroorganismen.“ Zur Zeit sind die Forscher gerade dabei dieses Zusammenspiel zu entschlüsseln.

Einige Schmetterlingslarven richten in der Landwirtschaft große Schäden an. Zu ihrer Bekämpfung werden immer wieder auch Bakterien zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt. „Grundlegende Kenntnisse über die Wirkungsweise von Bakteriocinen sowie die Identifizierung von Genen, die Resistenz gegen die Wirkstoffe verleihen, könnten maßgeblich dazu beitragen, die Schädlingskontrolle mithilfe bakteriocinresistenter Bakterien zu verbessern,“ sagt Erstautor Yongqi Shao, der seine Untersuchungen in Jena durchgeführt hat und seit 2015 an der Zhejiang Universität in Hangzhou, China, forscht. Auch für die medizinische Forschung liefert die Studie interessante Ansätze, denn Bacteriocine gelten als mögliche Alternativen zu konventionellen Antibiotika, gegen die in den letzten Jahren bedrohliche Resistenzen entstanden sind.

Gerade vor dem Hintergrund, dass Bacteriocine Alternativen zu konventionellen Antibiotika liefern könnten, sollte man vorsichtig damit sein, Bakterien mit Resistenzen zu entwickeln und diese großflächig in der Natur zu verteilen. Im Extremfall könnten Forscher für die Landwirtschaft Resistenzgene entwickeln, die eine medizinische Nutzung eines Wirkstoffes oder gar einer ganzen Wirkstoffgruppe erschweren oder gar unmöglich machen könnten. Darüber hinaus ist die Verbreitung von Resistenzen ohnehin bereits ein großes Problem, das nicht noch zusätzlich durch bewusste Klonierungen verschärft werden sollte. Schließlich tauschen Bakterien ihre Resistenzgene mit rasanter Geschwindigkeit über alle Artgrenzen hinweg untereinander aus, so dass sie schnell an ungeahnter Stelle wieder auftauchen können, etwa in einem Krankenhaus. Darüber hinaus spielen Bodenbakterien eine ausgesprochen wichtige Rolle in allen Ökosystemen, so dass ein Einbringen von Resistenzgenen dort so manches Gleichgewicht aus der Balance bringen könnte (Anmerkung der Redaktion von Scimondo).

Max-Planck-Gesellschaft, 19 Januar 2017

Originalpublikation:

Shao, Y., Chen, B., Sun, C., Ishida, K., Hertweck, C., Boland, W.
Enterococcus mundtii controls the development of the gut microbiome in the lepidoteran Spodoptera littoralis. Cell Chemical Biology; January 2017 doi: 10.1016/j.chembiol.2016.11.015

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