Die Analyse der Erbinformation von Menschen, die in der Frühzeit südlich der Sahara lebten eröffnet neue Erkenntnisse über die menschliche Entwicklung und die Siedlungsgeschichte auf dem afrikanischen Kontinent. So konnten die Forscher nachvollziehen, wo die Menschen in Afrika in den vergangenen 8000 Jahren umherzogen und miteinander in Kontakt traten. Aber auch, wie frühe afrikanische Populationen ausgesehen haben, bevor Ackerbauern und Viehzüchter den Kontinent besiedelten, und wie sich die Menschen genetisch an veränderte Umweltbedingungen und neue Lebensweisen anpassten.
Die Erforschung alter DNA hat bereits viele spannende Erkenntnisse über die Entwicklung der Menschen geliefert. Allerdings erschwerte das afrikanische Klima, in dem sich die DNA nur schlecht erhält die genetische Erforschung der afrikanischen Menschheitsgeschichte bisher massiv: Denn in dem feuchtwarmen Klima zersetzt sich das genetische Material von Knochen und Zähnen uralter Skelette schneller, als in kühlen Regionen. Doch nun haben es technologische Fortschritte erlaubt das klimatisch bedingte Zeitfenster signifikant nach hinten zu verschieben. Ein Meilenstein für die Populationsgenetik. Denn Afrika ist für Genomforscher besonders reizvoll, besitzt es doch eine viel größere genetische Vielfalt als jede andere Region der Erde. Daher gehen Forscher seit Langem davon aus, dass sich der Mensch in Afrika entwickelt und von dort über unseren gesamten Planeten ausgebreitet hat
Das internationale Forscherteam, dem auch Forscher aus Südafrika, Malawi, Tansania und Kenia angehörten, isolierte aus 15 Skeletten subsaharischer Ureinwohner DNA und analysierte diese. Die untersuchten prähistorischen Individuen stammen aus verschiedene Regionen des Kontinents und sind zwischen 500 und 8500 Jahren alt.
Die Forscher verglichen das Erbgut dieser Ureinwohner – zusammen mit dem bisher einzigen bekannten historischen Genom aus Afrika, das 2015 sequenziert worden war – mit rund 600 Genomen heute lebender Afrikaner aus 59 unterschiedlichen afrikanischen Bevölkerungsgruppen sowie mit 300 weiteren Genomen aus 142 nicht-afrikanischen Populationsgruppen. So konnte das Team überraschende Erkenntnisse über die vergangene Populationsstruktur Afrikas gewinnen und Abweichungen zur heutigen Bevölkerung feststellen.
Jäger und Sammler lebten lange neben Ackerbauern und Viehzüchtern
Als die Landwirtschaft vor mehreren Tausend Jahren ihren Siegeszug antrat, breiteten sich, ähnlich wie in anderen Regionen der Erde, Ackerbauern und Viehzüchter allmählich auf dem ganzen afrikanischen Kontinent aus und die Träger der neuen Kultur vermischten sich mit den ortsansässigen Jägern und Sammlern. Die Forscher konnten diesen Prozess anhand ihrer Proben aus Kenia und Tansania nachvollziehen: „Die archäologischen Funde aus unseren Grabungen scheinen aber zu zeigen, dass eine Vermischung dieser beiden Kulturen erst nach einer längeren Zeit der Ko-Existenz stattfand“, sagt Nicole Boivin, Direktorin der Abteilung für Archäologie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Wir glauben, dass Ackerbauern und Jäger-Sammler zunächst nebeneinander lebten und dabei kaum eine genetische Mischung stattfand.“
Zur Überraschung der Forscher zeigen alte Genome aus Malawi dagegen ein ganz anderes Muster: Die aDNA-Studie liefert Anhaltspunkte dafür, dass die Jäger und Sammler dort ganz verschwanden, ohne einen nachweislichen genetischen Beitrag zu den später dort lebenden Menschen geleistet zu haben. „Scheinbar hat in Malawi eine fast komplette Ersetzung der ortsansässigen Population von Jäger-Sammlern durch die einwandernden Ackerbauern und Viehzüchter stattgefunden“, sagt Boivin. „Zumindest denken wir das aufgrund der aktuell vorliegenden Resultate und Funde. Es scheint, als gebe es keine oder nur eine sehr geringe Kontinuität zwischen den heute dort lebenden Menschen und deren Vorfahren, die vor 2500 bis 8000 Jahren in der Region lebten.“
Aus den Hadza könnten die aus Afrika ausgewanderten Menschen hervorgegangen sein
Die Studie beleuchtet auch die Ursprünge der Hadza, einer ganz einzigartigen Bevölkerungsgruppe aus Ostafrika. „Die Hadza unterscheiden sich heute phänotypisch, genetisch und auch sprachlich von anderen afrikanischen Bevölkerungsgruppen. Es gab daher Spekulationen, dass diese Gruppe eine frühe Abspaltung anderer afrikanischer Populationen repräsentieren könnte“, sagt David Reich von der Harvard Medical School, einer der Hauptautoren der Studie. „Unsere Studie zeigt aber, dass die Hadza genetisch eher irgendwo in der Mitte anzusiedeln sind.“ Genomvergleiche legen nahe, dass die Hadza genetisch näher mit heute lebenden Bevölkerungsgruppen außerhalb Afrikas verwandt sind, als mit anderen afrikanischen Gruppen. Daraus folgern die Forscher, dass die Hadza direkte Nachkommen der Gruppe sein könnten, die vor rund 50 000 Jahren aus Afrika aufbrach und so die modernen Europäer und Asiaten begründete.
Überraschend schnelle Anpassung
Darüber hinaus hat die Studie erstmals alte DNA genutzt, um genetische Anpassungsprozesse bei Afrikanern zu untersuchen. Eine solche Anpassungen wurde in einer Jäger-Sammler-Gruppe gefunden, die durch einwandernde Ackerbauern in kaum bewohnbares Land in der Kalahari-Wüste verdrängt wurden. Die genetische Adaption führte bei den Wüstenbewohnern zu einem verbesserten Schutz vor ultravioletter Strahlung – eine wichtige Veränderung, um mit der starken Sonneneinstrahlung leben zu können. Nach Auffassung der Forscher zeigen solch relativ junge genetische Anpassungen, dass sich der Mensch kontinuierlich an veränderte Lebensbedingungen anpasst. Das gilt auch heute noch.
Max-Planck-Gesellschaft, 21. September 2017
Originalpublikation:
Pontus Skoglund, Jessica C. Thompson, Mary E. Prendergast, Ron Pinhasi, Johannes Krause, David Reich et al. Reconstructing Prehistoric African Population Structure. Cell (2017). DOI: 10.1016/j.cell.2017.08.049