Vielfalt unserer Haustiere entstand nicht durch erhöhte Rekombinationsrate

Hunde gibt es in allen Größen und Farben. Obwohl einige Gene identifiziert werden konnten, sind die generellen Mechanismen ihrer Vielfalt nach wie vor ungeklärt. © Heinrich Sperling

Hunde gibt es in allen Größen und Farben.
Obwohl einige Gene identifiziert werden konnten,
sind die generellen Mechanismen ihrer Vielfalt nach
wie vor ungeklärt. © Heinrich Sperling

Wissenschaftler haben die molekularen Mechanismen untersucht, die zur Entstehung der enormen Vielfalt von Haustierrassen führen. Das Team konnte durch Vergleiche zwischen Wolf und Hund, Ziege und Steinbock sowie Schaf- und Mufflon die These widerlegen, dass die Rekombinationsrate der DNA von Haustieren höher ist als bei Wildtieren. Diese Annahme galt lange als gültige Erklärung für die vielfältigen Erscheinungsformen von Haustieren.

 

Von riesigen Neufundländern über gepunktete Dalmatiner und rundköpfige Möpsen bis hin zu den winzigen Chihuahuas: Die Vielfalt der fast 350 Hunderassen mit ihren gewaltigen Unterschieden in Größe, Aussehen und Temperament lässt den Urahn Wolf oft kaum noch erkennen. „Wie es zu dieser außergewöhnlichen Vielfalt kam, ist noch ungeklärt“, sagt Violeta Munoz-Fuentes vom Senckenberg Forschungsinstitut in Gelnhausen und ergänzt: „Genetisch gesehen ist selbst ein Chihuahua eigentlich noch ein Wolf. Der Unterschied in der DNA zwischen Hunden und Wölfen ist minimal.“

Wolf (Canis lupus). © Bernard Landgraf. CC BY-SA 3.0.

Wolf (Canis lupus). © Bernard Landgraf. CC BY-SA 3.0.

Bisher gingen manche Forscher davon aus, dass der Mensch bei der Domestikation der Haustiere durch seine Selektion eine erhöhte Rekombinationsrate der DNA bewirkt hat und es so zur Entwicklung der großen Vielfalt etwa der Hunderassen kommen konnte. Unter Rekombination versteht man eine Neuanordnung von Genen, die zu einem veränderten Erscheinungsbild führt. „Man ging davon aus, dass durch die menschliche Züchtung die Fähigkeit zur DNA-Rekombination von Generation zu Generation zunahm und sich so innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums – zwischen 15.000 und 100.000 Jahren vor heute – die heutige Vielfalt an Hundetypen entwickeln konnte“, erklärt Munoz-Fuentes.

Der Wolf dagegen blieb in dieser Zeitspanne nahezu unverändert im Aussehen und Verhalten. „Grund genug für uns einmal die Unterschiede in der Wolfs- bzw. Hunde-DNA hinsichtlich der Rekombinationsrate zu untersuchen“, ergänzt die Biologin. Die Wissenschaftler verglichen nicht nur Hunde mit Wölfen, sondern auch Ziegen mit Steinböcken und Hausschafe mit Mufflons. Durch den Vergleich zwischen Haus- und Wildtieren hofften die Wissenschaftler einen Beweis für die Rekombinationsraten-Theorie zu erhalten. Für den Vergleich von Wild- und Haustieren benötigten sie Zelltypen, die nur in den Fortpflanzungsorganen, den Hoden der untersuchten Tiere, vorkommen. „Es war gar nicht so einfach an die Hoden heranzukommen. Wir haben Tierärzte, Schlachter und Zoos kontaktiert und sogar Jagden besucht, wo uns die Jäger erlaubten Material zu sammeln“, erzählt Munoz-Fuentes.

Das Ergebnis des Vergleiches überraschte das Forscherteam um Munoz-Fuentes: Es fand keinen Hinweis auf eine höhere Fähigkeit zur DNA-Rekombination bei Haustieren. „Stattdessen zeigt unsere Studie, dass Wildtiere eine höhere Rekombinationsrate in ihrer DNA besitzen, also das genaue Gegenteil der bisherigen Hypothese“, erläutert Munoz-Fuentes und resümiert: „Aber auch ein unerwartetes Ergebnis ist ein Erfolg: Wir konnten die bisherige These widerlegen. Nun ist weitere Forschung notwendig, um die Vielfalt unserer Haustiere zu entschlüsseln.“

Das Ergebnis der Untersuchungen ist jedoch nicht wirklich überraschend, denn bereits 1999 konnte Lyudmila N. Trut durch eine Fortführung des von Beljajew begonnenen Silberfuchs-Zuchtexperiments zeigen, dass bereits bei einer alleinigen Selektion von Silberfüchsen auf Zahmheit viele Domestikationsmerkmale als Begleiterscheinung auftreten. Die große Vielfalt der verschiedenen Hunderassen ließe sich demnach eher durch ein Wegfallen des natürlichen Selektionsdrucks erklären, als durch einen erhöhten Selektionsdruck auf vom Menschen erwünschte Eigenschaften. Denn im Fall des Silberfuchsexperiments selektierten die Forscher nur auf ein Merkmal, nämlich Zahmheit, während in freier Wildbahn lebende Silberfüchse durch ihre natürliche Umwelt einer viel größeren Anzahl von Selektionsfaktoren ausgesetzt sind. Um diesem Druck zu entsprechen sollte demnach auch die Rekombinationsrate unter natürlichen Bedingungen höher sein, als bei Haustieren. Die Ergebnisse des Senkenberg Teams bestätigen also die Ergebnisse von Beljajew. (Anmerkung der Redaktion von Scimondo).

Senkenberg Gesellschaft für Naturforschung, 11.02.2015

 

Originalpublikation:

Violeta Muñoz-Fuentes, Marina Marcet-Ortega, Gorka Alkorta-Aranburu, Catharina Linde Forsberg, Jane M. Morrell, Esperanza Manzano-Piedras, Arne Söderberg, Katrin Daniel, Adrian Villalba, Attila Toth, Anna Di Rienzo, Ignasi Roig and Carles Vilà: Strong Artificial Selection in Domestic Mammals Did Not Result in an Increased Recombination Rate, Mol Biol Evol (2015) 32 (2): 510-523 first published online November 19, 2014 doi:10.1093/molbev/msu322

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