Bereits vor 43.000 Jahren lebten moderne Menschen in Zentraleuropa

Venus vom Hohlefels. Sie ist ein Zeugnis der Aurignacien-Kultur. Die etwa sechs Zentimeter hohe, aus Mammut-Elfenbein geschnitzte Venusfigurine, wurde im September 2008 bei Ausgrabungen in der Karsthöhle Hohler Fels am Fuß der Schwäbischen Alb bei Schelklingen entdeckt. Sie ist die weltweite erste gesicherte Darstellung eines Menschen. © Anagoria. CC BY 3.0.

Venus vom Hohlefels. Sie ist ein Zeugnis der Aurignacien-Kultur. Die etwa sechs Zentimeter hohe, aus Mammut-Elfenbein geschnitzte Venusfigurine, wurde im September 2008 bei Ausgrabungen in der Karsthöhle Hohler Fels am Fuß der Schwäbischen Alb bei Schelklingen entdeckt. Sie ist die weltweite erste gesicherte Darstellung eines Menschen. © Anagoria. CC BY 3.0.

Wissenschaftler haben in Österreich Steinwerkzeuge moderner Menschen entdeckt, die 43.500 Jahre alt sind. Sie gehören zur Kultur der Aurignacien, die mit der Verbreitung des modernen Menschen (Homo sapiens) in Verbindung gebracht wird. Die neu entdeckten Fundstücke sind damit älter, als andere bisher bekannte Fundstücke dieser Kultur. Untersuchungen des Bodens ergaben, dass damals ein kühles Klima herrschte und Nadelholzwälder die Flüsse in den Tälern der, ansonsten steppenähnlichen, Landschaft säumten. Das Alter der Fundstücke belegt, dass moderne Menschen Zentraleuropa bereits früher besiedelten und sich die Region über einen längeren Zeitraum hinweg mit den Neandertalern teilten, als bisher angenommen. Darüber hinaus zeigen die Forscher, dass frühe moderne menschliche Siedler, die aus den wärmeren Gebieten Südeuropas stammten, bereits gut an verschiedene klimatische Bedingungen angepasst waren.

Vor spätestens 40.000 Jahren, vielleicht sogar schon viel früher, begannen die modernen Menschen damit Europa zu besiedeln und verdrängten dabei den damals dort heimischen Neandertaler. „Leider gibt es kaum Skelettreste des modernen Menschen aus der jüngeren Altsteinzeit, sodass wir archäologische Funde nutzen müssen um herauszufinden, wann die ersten modernen Menschen erschienen. Es sind beispielsweise Überreste des Homo sapiens gefunden worden, die eindeutig der Kultur des Aurignacien zugeordnet werden können. Daher denken wir, dass es sich bei dieser Kultur um einen guten Indikator für die Präsenz des modernen Menschen handelt“, sagt Bence Viola vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „In Willendorf konnten wir das frühe Aurignacien auf ein Alter von 43.500 Jahren datieren, um einiges früher als anderswo. Darüber hinaus überschneidet sich das mit direkt datierten Überresten von Neandertalern“, sagt Philip Nigst, der Leiter der Forschungsarbeiten.

 Ausgrabungsarbeiten in Willendorf II. © Willendorf Projekt, Philip R. Nigst und Bence Viola


Ausgrabungsarbeiten in Willendorf II.
© Willendorf Projekt, Philip R. Nigst und Bence Viola

Über welche Fähigkeiten Neandertaler verfügen, wird noch immer kontrovers diskutiert. Während einige Forscher der Meinung sind, dass die kulturellen Fertigkeiten der Neandertaler denen der modernen Menschen ähnelten, bevor sie von diesen verdrängt wurden, denken andere, dass die Ähnlichkeiten erst dann auftraten, als Neandertaler mit modernen Menschen in Kontakt kamen. „Die neuen Daten aus Willendorf zeigen deutlich, dass moderne Menschen schon im heutigen Österreich lebten, als Teile Europas noch von Neandertalern besiedelt waren. Die beiden Arten trafen also möglicherweise aufeinander, und es kam zu einem Partner- und Ideenaustausch“, sagt Philip Nigst. „Die Veränderungen der materiellen Kultur der letzten Neandertalergruppen stehen also sehr wahrscheinlich mit dem direkten oder indirekten Kontakt der Neandertaler mit modernen Menschen im Zusammenhang”, sagt Jean-Jacques Hublin, Direktor der Abteilung für Humanevolution am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

 Dieses Bodenprofil in Willendorf II zeigt die Abfolge von braunen Paläoböden (mittelkalte Steppenumweltbedingungen) und gelbem Löss (kalte periglaziale Steppen- oder Frostumweltbedingungen). Löcher in der Sektion sind Probenlöcher. © Willendorf Projekt, Philip R. Nigst und Bence Viola


Dieses Bodenprofil in Willendorf II zeigt die Abfolge von braunen Paläoböden (mittelkalte Steppenumweltbedingungen) und gelbem Löss (kalte periglaziale Steppen- oder Frostumweltbedingungen). Löcher in der Sektion sind Probenlöcher.
© Willendorf Projekt, Philip R. Nigst und Bence Viola

Die Steinwerkzeuge wurden in einer Folge von Sedimenten gefunden, die sich im Laufe von verschiedenen Wärme- und Kälteperioden während der letzten Eiszeit abgelagert haben. Der Bodentyp und das gleichzeitige Auftreten von bestimmten Schneckenarten (Mollusken) zeigt, dass die klimatischen Bedingungen während dieser frühen Siedlungsperiode des modernen Menschen einem kühlen steppenähnlichen Klima mit Nadelholzwäldern entlang von Flusstälern entsprachen. „Mollusken sind für die Rekonstruktion prähistorischer Landschaften hervorragend geeignet, weil sie sehr empfindlich auf Änderungen der Temperatur und Feuchtigkeit reagieren. Schon bei kleinsten Klimaveränderungen kommen also andere Arten von Schnecken vor“, sagt Bence Viola. „Besonders interessant ist, dass das Aurignacien in Willendorf in einer relativ kalten Klimaperiode auftritt. Diese frühesten Siedler waren also bereits an verschiedene klimatische Bedingungen angepasst, für die sie verschiedene Überlebensstrategien benötigen“, sagt Philip Nigst.

Max-Planck-Gesellschaft, 22. September 2014.

 

Philip R. Nigst, Paul Haesaerts, Freddy Damblon, Christa Frank-Fellner, Carolina Mallol, Bence Viola, Michael Götzinger, Laura Niven, Gerhard Trnka, and Jean-Jacques Hublin. Early modern human settlement of Europe north of the Alps occurred 43,500 years ago in a cold steppe-type environment. Proceedings of the National Academy of Sciences, 22 September 2014. doi: 10.1073/pnas.1412201111

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