Warum Urbakterien Gene klauen

Archebakterium von Stamm Sulfolobus, das mit Viren infiziert ist.  © Xiangyux. public domain.

Archebakterium vom Stamm Sulfolobus, das mit Viren infiziert ist.
© Xiangyux. public domain.

Urbakterien, so genannte Archaeen, haben sich maßgeblich durch „Gendiebstahl“ entwickelt. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam, das die evolutionäre Entwicklung dieser Organismen untersucht hat. Demnach spielt bei der Evolution der Archebakterien der sogenannte horizontale Gentransfer eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie die „klassisch-darwinistische“ Evolution über punktuelle Mutationen.

Prokaryoten sind Lebewesen ohne Zellkern. Die größte Gruppe unter ihnen stellen die Bakterien. Archaeen sind Urbakterien, die stammesgeschichtlich wesentlich älter als Bakterien sind. Sowohl Archaeen, als auch Bakterien sind sehr flexibel in Bezug auf ihre Erbinformationen: Sie geben ihre Gene gerne in die Umwelt ab und nehmen gleichzeitig bereitwillig auf, was sie an Genmaterial in ihrer Umgebung vorfinden. Einmal aufgesammeltes Genmaterial wird in den eigenen Genpool aufgenommen und, sofern es die natürliche Selektion erlaubt, an die Nachkommen weitergegeben. Dieser Vorgang wird als horizontaler Gentransfer bezeichnet.

Archebakterien wurden zuerst in extremen Umgebungen wie etwa vulkanischen Thermalquellen entdeckt, wie der abgebildeten Grand Prismatic Spring im Yellowstone-Nationalpark. © Jim Peaco. public domain.

Archebakterien wurden zuerst in extremen Umgebungen wie etwa vulkanischen Thermalquellen entdeckt, wie der abgebildeten Grand Prismatic Spring im Yellowstone-Nationalpark.
© Jim Peaco. public domain.

Ein internationales Forscherteam untersuchte nun die Evolution der ursprünglichsten Mikroben — der Archaeen. Die Wissenschaftler wiesen nach, dass der horizontaler Gentransfer bei den frühen Formen des Lebens entscheidend für ihre evolutionäre Entwicklung war. Während man davon ausgeht, dass die Evolution höherer Organismen – bis hin zum Menschen – über punktuelle Mutationen und damit über graduelle Veränderungen erfolgt, ermöglicht ein horizontaler Gentransfer, wie er bei Archaeen vorkommt wahre Entwicklungssprünge. Das ist möglich, indem die Archaeen nicht nur ein einzelnes Gen, sondern gleich ganze Genpakete aufnehmen, mit denen sie massive Verbesserungen ihrer Fähigkeiten erlangen. So können sie sich beispielsweise auf einen Schlag neue Lebensbereiche erschließen oder neue Nahrungsquellen zu Nutze machen. Viele dieser Genpakete übernehmen die Archaeen dabei von ihren höher entwickelten Verwandten, den Bakterien.

Beim evolutionsgeschichtlichen Vergleich des Genoms der Archeen mit der Erbsubstanz anderer Organismen machten die Forscher eine überraschende Entdeckung: Ein wesentlicher Anteil ihres Erbguts hatte sich durch Aufnahme von außen entwickelt und nicht durch eine graduelle Evolution. Diese Ergebnisse sind von großer Bedeutung für die Evolutionstheorie, da sie belegen, dass die darwinistische Sicht der Evolution alleine nicht bei allen Lebewesen maßgebend ist. Zumindest bei den Prokaryoten spielt der horizontale Gentransfer eine erhebliche Rolle und erlaubt ihnen enorme Evolutionssprünge. Nur dadurch können sich etwa Antibiotikaresistenzen schnell bei verschiedenen Bakterien ausbreiten. Dabei ist uns der Horizontale Gentransfer in Krankenhäusern näher, als uns lieb ist.

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 07.11.2014

 

Originalpublikation:
Nelson-Sathi, S., Sousa, F.L., Roettger, M., Lozada-Cha´vez, N., Thiergart, T., Janssen, A., Bryant, D., Landan, G., Schönheit, P., Siebers, B., McInerney, J.O. und Martin, W.F. (2014): Origins of major archaeal clades correspond to gene acquisitions from bacteria, Nature. doi: 10.1038/nature13805

Kommentare sind geschlossen.