Bioenergie ist meist nicht nachhaltig!

Von wegen Klimaschutz: Bioenergie aus Raps und anderen Pflanzen zu gewinnen, trägt nur selten zur Stabilisation des Klimas bei. © MPI für Biogeochemie / Ernst-Detlef Schulze

Von wegen Klimaschutz: Bioenergie aus Raps und anderen Pflanzen zu gewinnen, trägt nur selten zur Stabilisation des Klimas bei.
© MPI für Biogeochemie / Ernst-Detlef Schulze

Nicht überall wo Klimaschutz drauf steht, ist auch Klimaschutz drin. Einige Maßnahmen, die zwar den Kohlendioxid-Ausstoß verringern, sind nur auf den ersten Blick klimaschonend und nachhaltig. Bei genauerer Betrachtung haben sie keine oder sogar eine gegenteilige Wirkung. Letzteres gilt insbesondere für die Nutzung von Bioenergie, wie Forscher festgestellt haben. Die Wissenschaftler analysierten hierfür die Maßnahmen, die große Landflächen erfordern, wie zum Beispiel den Anbau von Bioenergie-Pflanzen. Die Wissenschaftler stießen dabei auf einen zentralen Konflikt: Land ist nicht unbegrenzt verfügbar, und künftig wird nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Ernährung und die Energiegewinnung viel zusätzliche Fläche benötigt. Die einzige Lösung sehen die Forscher daher in einem nachhaltigen Landmanagement, das Ansprüche gegeneinander abwägt und Verwüstungen vermeidet.

Um den Klimawandel zu bekämpfen, diskutieren Wissenschaftler und Politiker vielfältige Maßnahmen. So fordern sie etwa, künftig weniger fossile Brennstoffe zu verfeuern und Energie aus erneuerbaren Quellen wie etwa Biomasse zu gewinnen. Zudem wäre der Schutz der tropischen Regenwälder, die große Mengen Kohlenstoff speichern, für eine Stabilisation des Klimas besonders wichtig. Gleichzeitig müssten aber auch die Emissionen von Lachgas und Methan aus der Landwirtschaft reduziert und möglichst große Flächen aufgeforstet werden.

Doch an der Frage, welche Vorgehensweisen nachhaltig und klimaschonend sind und welche nicht, scheiden sich die Geister. Ernst-Detlef Schulze, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie, und Josep Canadell, Wissenschaftler der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO), analysierten verschiedene Optionen, die pflanzliche Biomasse nutzen, um den Klimawandel abzuschwächen. Sie betrachteten dabei die Gesamtbilanz aller klimawirksamen Gase, neben Kohlendioxid also auch Lachgas und Methan. Letztere setzt der Mensch zwar in deutlich geringeren Mengen frei als Kohlendioxid, ihre klimaschädliche Wirkung ist aber deutlich größer. Lachgas hat einen 256-mal stärkeren Treibhauseffekt als Kohlendioxid, Methan immerhin einen 28-mal größeren.

Bioenergie schützt das Klima nur in Ausnahmefällen

Unter diesem Gesichtspunkt halten die Autoren der Studie vor allem die Bioenergie für kritisch. Dabei wird aus pflanzlicher Biomasse Energie gewonnen; das Heizen mit Holz, aber auch die Herstellung von flüssigen Biokraftstoffen fällt in diese Kategorie. Diese Energiegewinnung gilt als nachhaltig und Kohlendioxid-neutral, da bei der Verbrennung von Biomasse nur so viel Kohlendioxid frei wird, wie die Vegetation zuvor aufgenommen hat. Doch diese Bilanz ist unvollständig.

So setzen die Stickstoffdünger, die beim Anbau von Zuckerrohr, Raps und anderen biologischen Energieträgern in zu großen Mengen verwendet werden, viel Lachgas frei. Außerdem müssen den Anbauflächen meist Wälder oder andere Ökosysteme weichen, die bereits viel Kohlendioxid speichern. Eine intensive Bewirtschaftung kann ferner den Kohlenstoffgehalt der Böden senken, wenn Pflanzenreste wie etwa Stroh nicht mehr auf dem Feld zurück bleiben, sondern verbrannt werden. Es dauert Jahrzehnte bis Einsparungen fossiler Brennstoffe diese Schäden ausgleichen.

Für problematisch halten Ernst-Detlef Schulze und Josep Canadell die Bioenergie auch wegen ihrer geringen Effizienz: „Die Photosynthese nutzt nur 0,6 Prozent der Sonnenenergie, um Biomasse aufzubauen“, erklärt Schulze. „Im Vergleich dazu erreicht eine Solarzelle eine Energieausbeute von etwa 30 Prozent. Die gleiche Energiemenge ließe sich mithilfe der Fotovoltaik also auf einem Bruchteil der Fläche gewinnen.“

Die Bedeutung des Landmanagements wird zunehmen

Eine Gemeinsamkeit verbindet die Bioenergie mit fast allen anderen biologischen Maßnahmen zur Senkung des Kohlendioxid-Gehalts in der Atmosphäre. Sie alle benötigen mehr Land und Pflanzen, die oft gleichzeitig als Nahrungsmittel, Energieträger, als Baumaterial oder dem Schutz der Biodiversität dienen können.

Josep Canadell erklärt: „Der Landbedarf, der nötig wäre, um all die Ansprüche wie Ernährung, Holzproduktion, Energiebedarf und eine Abschwächung des Klimawandels zu erfüllen, ist drei bis sieben Mal so hoch wie das tatsächlich verfügbare Land auf dieser Erde. Um diesen Land- und Biomassebedarf nur teilweise zu erfüllen, müsste die Menschheit in abgelegene, kaum zugängliche und weniger fruchtbare Gegenden ziehen.“

Damit sich diese Anforderungen unter einen Hut bringen lassen, sehen die Autoren für die Zukunft eine zunehmende Bedeutung des Landmanagements. „Nur ein nachhaltiges, integriertes Landmanagement ohne Lachgas- und Methanemissionen kann beide Ziele erreichen: eine Abschwächung des Klimawandels und eine Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse“, sagt Ernst-Detlef Schulze.

Ein erfolgreiches Landmanagement halten er und Josep Canadell vor allem in den Tropen für nötig. Hier, wie in vielen anderen Regionen der Erde, werden die Möglichkeiten, die Erträge der Ernten zu steigern, nicht ausgeschöpft und stattdessen weitere Waldflächen gerodet. Wichtig für die nachhaltige Intensivierung der Biomasseproduktion ist jedoch ein kontrollierter Einsatz von Düngemitteln, um einen Überschuss an Stickstoff und die damit verbundenen Emissionen von Lachgas und anderen Stickstoffoxiden zu vermeiden. Derzeit machen die Emissionen von Lachgas und Methan aus der Landwirtschaft und der Viehzucht den klimaschützenden Effekt der weltweiten Vegetation zunichte, die der Atmosphäre jährlich große Mengen Kohlendioxid entzieht.

Max-Planck-Gesellschaft, 19. November 2014

 

Originalpublikation:

Josep G. Canadell, E. Detlef Schulze. Global potential of biospheric carbon management for climate mitigation. Nature Communications, 19. November 2014. DOI: 10.1038/ncomms6282

Kommentare sind geschlossen.