Neuer Gradmesser für die Bösartigkeit von Prostatakrebs könnte bei der Wahl der besten Therapie helfen

Prostata. © public domain.

Prostata. © public domain.

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat ein Protein entdeckt, das als Gradmesser für die Bösartigkeit von Protatakrebs dienen könnte. Eine Überproduktion des Proteins verändert das epigenetische Muster der Zellen so, dass die Aktivität einer Reihe krebshemmender Gene herabgesetzt ist. Zu diesem Schluss kommen die Wissenschaftler nach der Analyse von über 7700 Tumor-Gewebeproben. Künftig könnte ein Nachweisverfahren für diesen Biomarker abklären, wie bösartig der vorliegende Tumor ist und so bei der Wahl der passenden Therapie helfen. 

Am wichtigsten für Betroffene und deren Ärzte ist bei einer Krebsdiagnose die Frage nach der Bösartigkeit des Tumors. Sie entscheidet darüber, wie intensiv und radikal die Behandlung ausfallen muss. Besonders bei Prostatakrebs kann die Krankheit bei jedem Patienten anders verlaufen. Daher suchen Krebsforscher dringend nach messbaren, zuverlässigen Biomarkern, mit deren Hilfe sie die Aggressivität des Tumors bestimmen können, um die Therapie entsprechend anzupassen.

Bei vielen Krebsarten erlauben Veränderungen des Erbguts Rückschlüsse auf das Gefahrenpotential. Aber gerade bei Prostatakrebs sind solche Mutationen bei weitem nicht so zahlreich wie bei anderen Tumorarten. „Wir vermuteten daher, dass Prostatakrebs vor allem durch veränderte epigenetische Merkmale angetrieben wird, also solche chemischen Veränderungen am Erbgut, die nicht die Reihenfolge der DNA-Bausteine betreffen“, sagt Christoph Plass vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Lange Zeit war unbekannt, wie sich epigenetische Muster im Erbgut einer Krebszelle ändern. Heute kennen Wissenschaftler bestimmte Proteine, die weitreichenden Einfluss auf dieses Muster haben. Ein internationales Forscherteam hat nun nach Steuerproteinen gesucht, die in Prostatakrebszellen die epigenetischen Merkmale verändern und dadurch möglicherweise den Verlauf der Erkrankung beeinflussen.

Die Wissenschaftler begannen ihre Suche mit Datenbankrecherchen, bei denen sie die molekularen Informationen zahlreicher Prostatakrebsfälle analysierten. Dabei suchten sie in den Daten nach Fällen, bei denen eines der bekannten epigenetischen Steuerproteine in den Tumorzellen in deutlich größerer oder niedrigerer Menge vorhanden war als in den gesunde Zellen derselben Patienten.

Den auffälligsten Unterschied wies dabei das Protein BAZ2A auf: „Eigentlich ist dieses Eiweiß dafür bekannt, dass es die Produktion der zellulären Proteinfabriken unterdrückt und dadurch die Lebensfähigkeit von Zellen beeinträchtigt“, erklärt Roland Eils. „Aber als wir BAZ2A in Zelllinien von metastasierendem Prostatakrebs ausschalteten, verlangsamte sich paradoxerweise ihr Wachstum.“ Bei weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass höhere Konzentrationen von BAZ2A die bösartigen Eigenschaften der Prostatakrebszellen steigerten. Die Zellen waren dann beweglicher oder konnten eher in umgebendes Gewebe einzudringen.

Eine detaillierte molekulare Analyse von Prostatakrebszellen ergab, dass es bei einer Überproduktion von BAZ2A zu veränderten epigenetischen Mustern kommt. Dadurch wird die Aktivität gleich mehrerer krebshemmender Gene gedrosselt. Deshalb vermuteten die Wissenschaftler, dass sich die BAZ2A-Überproduktion direkt auf die Bösartigkeit von Prostatakrebs auswirkt und so ein Indikator für den Verlauf der Erkrankung sein könnte.

Das Forscherteam überprüfte diese Hypothese an fast 7700 Gewebeproben von Prostatakrebs und stellte fest: Je mehr BAZ2A das Gewebe enthielt, desto fortgeschrittener war der Tumor zum Zeitpunkt seiner Diagnose, desto häufiger hatte der Krebs bereits Metastasen gestreut und desto höher war der PSA-Wert der jeweiligen Patienten.

„BAZ2A scheint einen direkten Einfluss auf die Aggressivität von Prostatakrebs zu nehmen. Von daher könnte der Grad der BAZ2A-Expression deutliche Hinweise auf den Verlauf der Erkrankung geben. Das muss natürlich noch klinisch bestätigt werden“, sagt Christoph Plass. Gerade bei Patienten, deren klinische Werte auf ein mittleres Risiko hindeuten, könnte die BAZ2A-Expression wertvolle Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit geben, ob der Krebs zurückkehrt. Das würde Ärzte und Patienten bei der Wahl der erfolgversprechensten Therapie unterstützen.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 08.12.2014

 

Originalpublikation:

Lei Gu, Sandra C Frommel, Christopher C Oakes, Ronald Simon, Katharina Grupp, Cristina Y Gerig, Dominik Bär, Mark D Robinson, Constance Baer, Melanie Weiss, Zuguang Gu, Matthieu Schapira, Ruprecht Kuner, Holger Sültmann, Maurizio Provenzano, ICGC Project on Early Onset Prostate Cancer, Marie-Laure Yaspo, Benedikt Brors, Jan Korbel, Thorsten Schlomm, Guido Sauter, Roland Eils, Christoph Plass und Raffaella Santoro: BAZ2A (TIP5) is involved in epigenetic alterations in prostate cancer and its overexpression predicts disease recurrence.
Nature Genetics 2014, DOI: 10.1038/ng.3165

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